Gemeinsame Sache in Charlottenburg-Wilmersdorf 2014: Mit der Winzerin im Bunde
Die Anwohner am Wilmersdorfer Bundesplatz pflegen nicht nur Beete – sie wollen weniger Verkehr und mehr Lebensqualität.
Alles begann 2010 mit der „Winzerin“: Als Bezirkspolitiker dem heruntergekommenen Park auf dem Wilmersdorfer Bundesplatz auch noch die alte Skulptur nehmen und sie auf den Rüdesheimer Platz verlagern wollten, gründeten Anwohner und Geschäftsleute einen Verein und stoppten die Pläne. Seitdem bepflanzen, pflegen und säubern einige der mittlerweile 225 Mitglieder der „Initiative Bundesplatz“ ehrenamtlich die Grünanlage. Mit Hilfe von Berufsschülern wurde 2012 auch eine Mauer abgetragen, die die Sicht versperrte.
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf kann wenig investieren, weil der Park an der verkehrsreichen Bundesallee formal nur als „Straßenbegleitgrün“ gilt. Das Engagement des Vereins wurde in einer Pflegevereinbarung verankert. Mehr als 3000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit, mehr als 2000 eingebrachte Staudenpflanzen und der Austausch des Bodens mit 22 Kubikmetern Humus und Mulch gehören zur Bilanz.
Dafür wurden die Bürger, zu denen Gartenbauexperten gehören, 2012 mit dem Deutschen Naturschutzpreis und 2013 mit dem Erwin-Barth-Preis des Bezirks ausgezeichnet. Im selben Zeitraum beteiligten sie sich an der Tagesspiegel-Aktion „Saubere Sache“.
Doch den Anrainern geht es um viel mehr. Ihr Ziel ist eine „Re-Urbanisierung“ des Bundesplatzes. Bis heute ist dieser vom Konzept der „autogerechten Stadt“ aus den 1960er Jahren geprägt. Die Bundesallee wurde ein Zubringer der Stadtautobahn, der breite Tunnel teilt den Kiez in zwei Hälften. In einer „Zukunftswerkstatt“ wurde Ende 2013 nach Lösungen gesucht, um den Platz wieder lebenswerter zu machen. Der Bezirk und der Senat förderten das Projekt finanziell, das „Center for Metropolitan Studies“ der TU Berlin und die Bauhaus-Uni Weimar halfen bei der Dokumentation in einer Broschüre.
Als die Ergebnisse im Juni dem bezirklichen Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt wurden, staunten dessen Mitglieder darüber, wie professionell der Verein vorgegangen ist.
Aus rund 50 Ideen in sechs Handlungsfeldern entstanden 15 Hauptforderungen. Dazu gehören Zebrastreifen und Tempo 30 auf den kleineren Fahrbahnen, die beiderseits des Tunnels spangenförmig um den Park verlaufen. Werde dieser in Höhe der Mainzer und Tübinger Straße leichter erreichbar, könne beispielsweise auch ein Café aus der Umgebung Tische im Grünen aufstellen, heißt es. Auch die Wexstraße und die Detmolder Straße sollten verkehrsberuhigt werden.
Diese Vorschläge wären mit relativ geringen Kosten umsetzbar. Noch ist aber nicht absehbar, ob die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung sie umsetzt. Ämter und Politiker spenden der Initiative zwar viel Lob, aber der Vorsitzende Wolfgang Severin kritisiert die „zögerliche“ Haltung des Senats. Neulich hat die Initiative deshalb kurzzeitig einen nachgeahmten Zebrastreifen an der westlichen Parkseite installiert. Obwohl die Attrappe leicht als solche erkennbar war, bremsten viele Autofahrer ab – aus Sicht der Anrainer war der Test damit erfolgreich.
Aufwerten wollen sie auch den Bereich unter den Brücken der Bahn und der Stadtautobahn – etwa durch ein Lichtkonzept und ein Sommerkino. Hinzu kommen langfristige Vorschläge zur „Wiedergewinnung der verloren gegangenen urbanen Raum- und Platzqualitäten“. Dabei geht es vor allem um die Schließung des Tunnels und die Reduzierung der Fahrbahnen.
Gegen den tristen Anblick der täglich 35 000 durch den Tunnel fahrenden Autos wurde jetzt schon einmal ein ungewöhnliches Zeichen gesetzt: Ein darüber gelegenes Geländer im Park ist zurzeit mit bunten Wollfäden verziert. Vereinsmitglieder hatten das Metall im Juli in einer „Guerilla Knitting“-Aktion umstrickt.
- Am 13. September von 10 bis 16 Uhr wird der Park gesäubert, Treffpunkt ist das Gerätehaus an der Westseite. Die BSR stellt Werkzeug bereit, Handschuhe sollen mitgebracht werden. Der Verein informiert unter www.initiative-bundesplatz.de über seine Aktivitäten, Telefon: 8507 2577.
Cay Dobberke