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Aktion in Charlottenburg-Wilmersdorf: Die Mauer muss weg

Der Bundesplatz in Wilmersdorf war eine Grünanlage, heute führt der Bezirk ihn als „Straßenbegleitgrün“. Eine Anwohnerinitiative legt das Terrain wieder frei und trägt ab, was dunkle Ecken für Dealer schaffte. Die Initiative Bundesplatz freut sich über Mitstreiter, die am 15. September, dem Aktionstag von „Saubere Sache“, beim Reinigen des Platzes nach dem Mauerabriss helfen.

Die Initiative Bundesplatz freut sich über Mitstreiter, die am 15. September, dem Aktionstag von „Saubere Sache“, beim Reinigen des Platzes nach dem Mauerabriss helfen. Um 11 Uhr geht es los. Treff ist an der Skulptur „Phönix“ auf der Südseite. Sie wollen sich an der Aktion beteiligen, aber an anderer Stelle aktiv werden? Hier können Sie Ihre eigene "Saubere Sache"-Aktion anmelden und mit dem Tagesspiegel in Kontakt treten.

Einreißen, was die Sicht versperrt. Schüler des Oberstufenzentrums Bautechnik „Knobelsdorff-Schule“ begannen am Dienstag, mit Bohrhämmern eine Mauer am Bundesplatz abzutragen; das Entsorgen der Klinker übernehmen die Mitglieder der Anwohnerinitiative. Die will dem Platz wieder ein Gesicht verleihen, ihn reinigen und begrünen.
Einreißen, was die Sicht versperrt. Schüler des Oberstufenzentrums Bautechnik „Knobelsdorff-Schule“ begannen am Dienstag, mit Bohrhämmern eine Mauer am Bundesplatz abzutragen; das Entsorgen der Klinker übernehmen die Mitglieder der Anwohnerinitiative. Die will dem Platz wieder ein Gesicht verleihen, ihn reinigen und begrünen.
© Thilo Rückeis

Bettina Kappeler bleibt abrupt stehen, greift ins Beet, holt eine Bierflasche und eine Zeitung zwischen den Pflanzen hervor und bringt sie zum nächsten Müllbehälter. Die Betreiberin eines Büroservice ist Schriftführerin der Initiative Bundesplatz, die sich seit zwei Jahren um die Grünanlage über dem Bundesallee-Tunnel in Wilmersdorf kümmert.

Alles begann mit der „Winzerin“. Die Bezirksverordnetenversammlung beschloss, die Statue des Bildhauers Friedrich Drake, der auch die „Goldelse“ auf der Siegessäule schuf, an den Rüdesheimer Platz umzusiedeln. Da fanden viele Anwohner, das Maß sei voll. Auf Initiative der heutigen Ehrenvorsitzenden Gisela Nitzschke, die ein Optikgeschäft betreibt, gründeten sie den Verein. Er schaffte es, dass das Denkmal blieb.

Das konnte nur ein Anfang sein. „Dies hier ist nicht als Grünanlage, sondern als Straßenbegleitgrün eingestuft“, sagt Wolfgang Severin, heute Vorsitzender der Initiative. Damit stehen dem Bezirk jährlich nur 40 Cent pro Quadratmeter für die Pflege zur Verfügung. Die Folgen: Der Bundesplatz verwahrloste, wurde von den Bürgern kaum noch wahrgenommen. „Und er entwickelte sich zum Drogenumschlagplatz“, sagt Severin. Das mochten die Mitglieder der Initiative nicht hinnehmen.

In etwa 700 Arbeitsstunden brachten sie letztes Jahr die Westhälfte des Platzes in Ordnung, pflanzten für 3500 Euro mehr als 2000 neue Blumen und Büsche, erzählt Schatzmeister Friedrich Berghald. 22 Kubikmeter Humus und Mulch ließen sie ankarren, der gesamte Boden wurde ausgetauscht. Das Stück rund um die Winzerin hat man ausgelichtet. „Wir müssen den Leuten erst wieder bewusst machen, dass das hier ein Platz ist“, sagt Berghald. Seit es keine dunklen Ecken mehr gibt, trauen sich zunehmend wieder Anwohner auf die Mittelinsel über dem Tunnel, den täglich 20 000 Fahrzeuge durchqueren.

Vor wenigen Wochen hat man mit dem Bezirksamt eine schriftliche Vereinbarung über die Pflege des Platzes getroffen. In diesem Jahr nimmt sich der Verein des Ostteils an. Auch da gibt es viel zu tun. Vom einstigen Kinderspielplatz ist nur eine verschmierte Tischtennisplatte übrig. Auch hier sind Neupflanzungen vorgesehen, es sollen wieder Bänke aufgestellt werden und man hofft, die Stadtreinigung zur Aufstellung weiterer Abfallbehälter bewegen zu können. „Hier ist alles abmontiert worden, man hatte den Platz praktisch aufgegeben“, sagt Friedrich Berghald. Finanziert werden die Aktivitäten aus den Beiträgen der 160 Mitglieder, durch Spenden und Zuschüsse aus Ehrenamtsmitteln des Bezirks.

Gruppenbild mit „Winzerin“. Sie setzen sich für ihren Wilmersdorfer Kiez ein: Ulrich Kreißl, Bettina Kappeler, Wolfgang Severin und Friedrich Berghald von der Initiative Bundesplatz (v. l.).
Gruppenbild mit „Winzerin“. Sie setzen sich für ihren Wilmersdorfer Kiez ein: Ulrich Kreißl, Bettina Kappeler, Wolfgang Severin und Friedrich Berghald von der Initiative Bundesplatz (v. l.).
© Rainer W.During

Sie haben damit begonnen, die Mauern abzutragen, die voll von Graffiti sind und zuletzt nur noch Dealern als Sichtschutz dienten. Schüler des Oberstufenzentrums Bau helfen beim Abtragen, Mitglieder der Bürgerinitiative schleppen die Steine zu den vom Bezirksamt bereitgestellten Containern. Nach drei bis vier Wochen soll der Abriss beendet sein.

So gibt es also genug zu tun – auch am Aktionstag des Tagesspiegels am 15. September. Die Mitglieder hoffen auf freiwillige Helfer beim Müll sammeln und dem Nachpflanzen von Blumen und Büschen.

Wenn die Neugestaltung der Grünanlage abgeschlossen ist, wird sich die Initiative nicht nur auf die Pflege der Beete beschränken. Man will sich zum Beispiel dafür starkmachen, dass der Verkehr auf der Bundesallee, die den Bundesplatz zusätzlich zum Tunnel umrundet und als Zubringer zur nahen Stadtautobahn dient, entschärft wird. Denn derzeit ist der Platz keine „urbane Mitte“ mehr, sondern er teilt den Kiez in zwei sich unterschiedlich entwickelnde Quartiere. Den Vereinsmitgliedern schwebt eine Tempo- 30-Regelung vor, die auch für den kreuzenden Straßenzug Wex- und Detmolder Straße gelten soll, und außerdem die Aufhebung des grünen Abbiegepfeils an der Wexstraße. Die Leitplanke an der Westseite des Platzes soll abgebaut werden, ein Fußgänger-Überweg den Zugang zur Grünanlage auch am Nordende zwischen Mainzer- und Tübinger Straße ermöglichen, wo sich ein Seniorenheim befindet. Gaststätten könnten dann Tische und Stühle nach draußen stellen und ihre Gäste auch auf dem Platz bewirten.

Das große Ziel ist die Umkehrung der Planungen aus den sechziger Jahren, die auf eine autogerechte Stadt abzielten. Als Vorbild dient Berlins Schwesterstadt Los Angeles, wo man sich trotz des wesentlich größeren Autobahnnetzes in den Kiezen auch wieder auf die Fußgänger besinnt. Weit hergeholt? Auf keinen Fall. 2010/11 war der Bundesplatz in Kooperation mit der umtriebigen Initiative Gegenstand einer Vergleichsstudie der Bauhaus-Universität Weimar und der Technischen Universität Berlin.

Die Initiative Bundesplatz freut sich über Mitstreiter, die am 15. September, dem Aktionstag von „Saubere Sache“, beim Reinigen des Platzes nach dem Mauerabriss helfen. Um 11 Uhr geht es los. Treff ist an der Skulptur „Phönix“ auf der Südseite. Weitere Informationen gibt es unter www.initiative-bundesplatz.de. Sie wollen sich an der Aktion beteiligen, aber an anderer Stelle aktiv werden? Hier können Sie Ihre eigene "Saubere Sache"-Aktion anmelden und mit dem Tagesspiegel in Kontakt treten.

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