zum Hauptinhalt
Weiterfahrt ungefährlich. Momentan kann der Paternoster im Rathaus Schöneberg noch von allen Besuchern benutzt werden. Das soll sich bald ändern.
© Kai-Uwe Heinrich

Aufzüge in Berlin: Mit dem Paternoster durch den Behördendschungel

Rund 30 Paternoster gibt es noch in Berlin – und jede Fahrt ist ein Erlebnis. Doch nun werden die Regeln verschärft. Eine letzte Fahrstuhlfahrt.

Paternoster sind die Saurier der Aufzugstechnik: ohne Tür und doppelten Boden, mit viel Nostalgie. Entsprechend viele Fans drehen regelmäßig ihre Runde in den ächzenden Holzkabinen. Damit könnte bald Schluss sein, denn die "Betriebssicherheitsverordnung" mit der illustren Abkürzung BetrSichV hat sich verschärft. Ab Juni dürfen nur noch „eingewiesene Personen“ Umlaufaufzüge benutzen, sagt Wolfram Stahl vom TÜV Rheinland. Dafür habe der Arbeitgeber zu sorgen.

Im Haus des Rundfunks an der Masurenallee prangt schon seit Langem neben dem Paternoster ein Schild, das Besuchern den Zutritt verwehrt. Das wird nicht weiter kontrolliert, könnte aber nach Einschätzung des TÜV-Experten ausreichen, um der neuen Verordnung Genüge zu tun. Im Rathaus Schöneberg gibt es bisher keine exklusive Benutzungsordnung, aber eine Lichtschranke, die bei falschen Bewegungen den Aufzug stoppt. „Das passiert mehrfach am Tag“, sagt der zuständige Stadtrat Daniel Krüger. Besucher können bislang ohne weitere Prüfung den Aufzugdino benutzen – und tun das häufig mit großer Freude.

Keine Kinder in den Aufzug-Saurier

Krüger hat noch nicht geprüft, ob und wie das Rathaus auf die neue Verordnung reagieren wird, glaubt aber keinesfalls, dass der Paternoster stillgelegt werden muss. „Wir rechnen mit Übergangsfristen.“ Dass weder Kinder noch Kinderwagen, Leitern oder andere sperrige Gegenstände in den Paternoster mitgenommen werden dürfen, steht schon jetzt auf den Hinweisschildern. Maximal zwei Personen dürfen sich ein Abteil teilen.

An der Uni Frankfurt am Main wurden vor einigen Jahren sogar Aufzugswärter abgestellt, um den Studenten die richtige Handhabung der Aufzüge zu erklären. Außerdem musste jeder Nutzer vorab eine „Unterweisungserklärung“ unterschreiben und auf Verlangen vorzeigen. Die intern als Führerschein bezeichnete Erklärung samt Kontrolle vor Antritt der Fahrt sorgte für viel Entrüstung und Spott. Studenten drehten das Satirevideo „Aktion idiotensichere Uni“. Die Führerscheinpflicht wurde wenig später wieder abgeschafft.

Ausstieg verpasst, Beine gebrochen

Unfälle gibt es vereinzelt in Paternostern, auch schwere. 2013 brach sich in einem Frankfurter Hotel eine junge Frau beide Beine. Sie hatte im obersten Stockwerk den Zeitpunkt zum Ausstieg verpasst, lehnte sich verunsichert hinaus und wurde zwischen Decke und Aufzug eingeklemmt. Weil Unfälle fast immer auf Fehlverhalten zurückzuführen sind und sich rein technisch nicht viel dagegen machen lässt, wird der Paternosterzugang jetzt erschwert. Erste Regel: Nicht bewegen, dann passiert auch nichts. In Berlin liegen Unfälle lange zurück. Noch etwa 30 Paternoster sind in Betrieb, die meisten davon sind nicht öffentlich zugänglich oder nur für Mitarbeiter reserviert.

Im Stasi-Unterlagen-Archiv in Lichtenberg sind noch zwei Umlaufaufzüge am Rotieren. Bislang können Besucher die Aufzüge ohne vorherige Einweisung nutzen, ob das so bleibt, "wird in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben entschieden", sagt ein Sprecher der Behörde.

Diplomaten im Außenministerium mögen ihren Aufzug

Im Auswärtigen Amt (AA) in Mitte gibt es viele Paternoster-Fans und einen Facebook-Eintrag zum Thema mit 125 Likes und vielen Kommentaren. Sieben Aufzugdinos sind im AA noch in Betrieb, heißt es aus der Presseabteilung, allerdings verteilt über die beiden Standorte in Bonn und Berlin. Die verschärfte BetrSichV kann die AA-Paternoster nicht stoppen. „Die Nutzung ist bereits jetzt nur einem unterwiesenen Personenkreis gestattet. Soweit Besucher durch begleitende Beschäftigte des Auswärtigen Amts unterwiesen werden, dürfen auch sie die Paternoster weiterhin benutzen.“

Kleiner Tipp: Im Foyer des Auswärtigen Amts gibt es ein schickes Café. Dort machen auch viele Mitarbeiter Kaffeepause. Einfach ansprechen und um eine Unterweisung bitten. Das klappt bestimmt – Diplomaten können freundliche Anfragen unmöglich ablehnen.

Thomas Loy

Zur Startseite