Berliner Senat plant eigenes Tempohome: Mit dem Coronavirus infizierte Flüchtlinge werden in Pankow untergebracht
Die Flüchtlingsunterkunft in Altglienicke steht unter Quarantäne, weil eine Bewohnerin mit dem Coronavirus infiziert wurde.
Der Park ist nur ein paar Gehminuten entfernt. Doch ein Spaziergang im Grünen ist nicht erlaubt. Alle Bewohner eines Tempohomes in Altglienicke stehen derzeit unter Quarantäne. Rund 200 Menschen sind betroffen, sie dürfen sich auf dem Gelände der Einrichtung bewegen, mehr nicht. Resultat eines positiven Tests, eine Bewohnerin ist mit dem Coronavirus infiziert, am 17. März gab der zuständige Amtsarzt des Gesundheitsamts Treptow-Köpenick eine unmissverständliche Anweisung: Quarantäne für das gesamte Tempohome.
In wenigen Tagen ist so eine abrupte Abschottung nicht mehr nötig. Infizierte Flüchtlinge werden in Kürze in einem leer stehenden Tempohome in Pankow untergebracht, das ist Teil eines Plans der Senatsgesundheitsverwaltung, die infizierte Flüchtlinge zentral unterbringen will. Zusätzliche Unterkünfte sollen auch für Infizierte anderer gefährdeter Gruppen bereitgestellt werden.
Vermieden werden sollen damit auch Konfliktsituationen wie diese. Am 24. März konnte ein Flüchtling, der positiv auf das Coronavirus getestet worden war, nur unter Geleitschutz der Polizei in der Unterkunft in Altglienicke untergerbacht werden. Der Mann kam aus einem Tempohome in Marzahn-Hellersdorf.
Mit ihm standen drei seiner Kontaktpersonen plus Betreuungspersonal vor dem Eingang, der Infizierte und die Kontaktpersonen sollten jetzt in Altglienicke in Quarantäne untergebracht werden. So hatte es das Landesamt für Flüchtlinge (LAF) mit den zuständigen Gesundheitsbehörden beschlossen.
Dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein weiterer infizierter Flüchtling, der zuvor in Charlottenburg gewohnt hatte, in Altglienicke untergebracht ist, hatte nach Angaben eines Mitarbeiters des Landesamts für Flüchtlinge (LAF), wohl kein Bewohner mitbekommen. „Der kam allein, ohne Kontaktperson, völlig unauffällig wenige Tage zuvor“, sagte der LAF-Mitarbeiter.
„Das kann es ja nicht sein“
Altglienicke plötzlich eine Sammelstation für infizierte Flüchtlinge? Für den Flüchtlingsrat Berlin eine fragwürdige Strategie. „Das kann es ja nicht sein“, sagte Martina Mauer vom Flüchtlingsrat. „Nach unseren Informationen werden die Flüchtlinge über die Maßnahmen unzureichend informiert.“ Das LAF betont dagegen, dass alls Informationen in mehreren Sprachen durch Aushänge und im Internet veröffentlicht werden.
Sascha Langenbach, Sprecher des LAF, erklärte auf Facebook die Hintergründe der Entscheidung: „Es gab die Wahl: Eine weitere Unterkunft komplett unter Quarantäne stellen oder die vier Betroffenen anderweitig zu isolieren. Wir haben uns für die zweite Alternative entschieden.“
[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]
Die Folgen dieser Entscheidung waren sehr eindrücklich. Langenbach schilderte die Vorgänge in seinem Facebook-Eintrag: „Als der Krankenwagen vor der Unterkunft in Treptow-Köpenick ankam, blockierten mehrere Dutzend Männer die Einfahrt. Weder Sozialarbeiter noch Sanitäter konnten ihre Arbeit tun, nämlich sich um den kranken Menschen und seine Begleiter kümmern. Deswegen musste die Polizei helfen, damit die Menschen in ihre Unterkunft kommen und dort versorgt werden können.“
Das LAF habe Verständnis für jeden Menschen, der sich um seine eigene Gesundheit und die seiner Familie sorgt. „Was wir nicht dulden, ist es, wenn kranken Menschen Hilfe verweigert wird.“
Die infizierte Frau hat zu vielen Bewohnern Kontakt
An genügend freiem Raum fehlt es nicht, derzeit sind rund 40 Plätze in dem Tempohome frei. Die Infizierten, schrieb Langenbach, „haben ihre eigenen Sanitärbereiche und werden mit Essen und Trinken versorgt.“
Oliver Igel, der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, hatte sich am Freitagvormittag in seiner Behörde nach der Situation in Altglienicke erkundigt. „Ich habe als Rückmeldung nur erhalten, dass es zuletzt keine Probleme gab und derzeit eine ruhige Atmosphäre herrsche“, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel.
Weshalb wegen einer infizierten Frau gleich eine ganze Unterkunft unter Quarantäne gestellt werden muss, konnte er nicht beantworten. Möglicherweise lag es daran, dass die Bewohnerin nach Informationen des Tagesspiegel, zu vielen Bewohnern Kontakt hatte und nicht klar nachvollziehbar war, wer als Kontaktperson infrage kommt und wer nicht. Der zuständige Amtsarzt war für eine Anfrage nicht zu erreichen.
Bezirksbürgermeister Igel ist skeptisch
Igel äußert aber zumindest leichte Skepsis an der Entscheidung des Amtsarztes: „Vielleicht hätte man bei tieferer Prüfung zu einem anderen Ergebnis kommen können“, sagte er. „Ich hatte im ersten Moment überlegt, ob es sinnvoll ist, diese Leute dorthin zu bringen und damit einen Konflikt zu riskieren. Aber von der Ferne sind solche Ratschläge ja wohlfeil.“
Wenn alles normal läuft, wenn es keine plötzlichen gesundheitlichen Komplikationen bei einem oder mehreren Bewohnern des Tempohomes auftreten, hat sich das Hauptproblem in Kürze sowieso erledigt. Dann ist die 14-tägige Inkubationszeit für die zuerst infizierte Bewohnerin abgelaufen und die Quarantäne für die Unterkunft wird aufgehoben. Dann ist auch ein Besuch im Park wieder möglich.
Hier finden Sie eine Übersicht der Berliner Unterkünfte für Menschen in Notlagen.