Kampf gegen den Müll: Mit Bußgeldern und flotten Sprüchen soll Berlin sauber werden
Der Senat treibt seine Strategie „Sauberes Berlin“ voran – mit höheren Bußgeldern und noch flotteren Sprüchen.
Mancher wird schon über die Müllkunst im Stadtbild gestolpert sein: Den Kronkorken mit anderthalb Metern Durchmesser in knalligem Gelb. Er hat sogar den charakteristischen Knick, den so ein Flaschendeckel eben bekommt, wenn man ihn mit dem Öffner abhebelt – und hoffentlich nicht arglos zu Boden wirft.
Er liegt auf dem Tempelhofer Feld herum und wird dort als Sitzgelegenheit genutzt. „Fallengelassen“ haben ihn die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) – genau wie eine überdimensionierte Zigarettenkippe mit 1,35 Meter langer Sitzfläche. Sie liegt auf dem Monbijouplatz in Mitte und soll ebenfalls Berliner und ihre Gäste ermahnen, ihren Müll nicht an Ort und Stelle fallenzulassen.
Ob es wirkt, ist schwer festzustellen. Es sind aber auch nur zwei „kleine“ Bausteine einer großangelegten Kampagne, mit der die BSR Menschen zu mehr Rücksicht im Umgang mit Müll bewegen wollen. Anders als bei bisherigen Kampagnen, hat die BSR Maßnahmen speziell für einzelne Kieze entwickelt: So zeigt ein Werbemotiv, das im Juni Plakatwände zierte, einen kinderwagenschiebenden Vati, drei Muttis und einen Mülleimer mit der Aufschrift „Glänzelberg – Gemeinsam für saubere Kieze: Windeln bitte hier rein“.
Das Plakat für den Bezirk „Reinlichendorf“ warb um die aufgerauchte Kippe einer Seniorin. Und Das Motiv „Verschöneberger“ regte an, dass die Hochzeitsgäste zweier Damen, die sich gerade das „Ja-Wort“ im Rathaus Schöneberg gegeben haben, ihre Luftschlangen im Mülleimer entsorgen.
Bericht wird dem Senat kommende Woche vorgelegt
Exakt 362 Außenwerbeflächen an S-Bahnhöfen, Parks und stark befahrenen Radwegen wurden mit diesen Plakaten beklebt, womit die BSR rechnerisch fast 1,2 Millionen Menschen erreicht haben sollte. Das geht aus dem halbjährlichen Bericht zur „Gesamtstrategie Saubere Stadt“ hervor, den die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe den anderen Ressorts eigentlich auf der Senatssitzung am Dienstag zur Kenntnis geben wollte und der dem Tagesspiegel bereits vorliegt. Der Tagesordnungspunkt soll noch aber auf kommenden Woche verschoben werden, da es noch Änderungsbedarf in Detailfragen gibt.
An der Strategie insgesamt wird gleichwohl nicht gerüttelt. „Berlinerinnen und Berliner wollen in sauberen Kiezen leben. Sauberkeit ist ein Gradmesser für Lebensqualität und Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt“, ließ die für die landeseigenen Betriebe zuständige Senatorin Ramona Pop (Grüne) ausrichten. „Ein sauberes Umfeld erhöht auch das Gefühl der Sicherheit. Wir wollen die Stadtsauberkeit verbessern und schaffen dafür mit unserer Gesamtstrategie ‚Saubere Stadt' einen wichtigen Rahmen.“
Pop sprach von vielfältigen Einzelmaßnahmen, die der Senat auf den Weg gebracht habe – gemeinsam mit den Bezirken und der BSR. So würden neben besseren Möglichkeiten zur Beseitigung von Sperrmüll, der Reinigung von Park- und Waldflächen sowie einer verstärkten Abfallberatung und Bewusstseinsbildung auch die bezirklichen Ordnungsämter personell verstärkt, erklärte Pop. Im Bericht ist konkret von 100 zusätzlichen Stellen bei den Ordnungsämtern die Rede. Diese Personen sollen sich neben ihren „vielfältigen Aufgaben“ auch (aber eben leider nicht ausschließlich) intensiver um die Stadtsauberkeit kümmern, wie es in dem Bericht heißt. Noch läuft dieses Projekt nur schleppend an.
Wenn sie aber auf Streife gehen, um Müllsünder zu ertappen, sollen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes künftig deutlich empfindlichere Warn- und Bußgelder verhängen dürfen. So soll für eine achtlos weggeworfene Kippe oder ein Kaugummi ein Verwarngeld in Höhe von 55 Euro oder gar ein Bußgeld in Höhe von 80 bis 1200 Euro verhängt werden dürfen. Wer Hundekot nicht „unverzüglich beseitigt“, wie es im Bericht wörtlich heißt, soll sogar mit einem Bußgeld in Höhe von 80 bis 300 Euro belegt werden können. Lassen Herrchen und Frauchen den Hundehaufen in einer Grünanlage liegen, können sogar 1500 Euro fällig werden. Für gewichtigere Vergehen wie das illegale Abladen von Bauabfällen sollen die Bezirke künftig stolze 600 bis 25 000 Euro kassieren.
Kampf den Pappbechern mit Aktion "Better World Cup"
Im Senat ahnt man zugleich, dass die Stadt durch lustige Kampagnen und höhere Bußgelder allein nicht merklich sauberer werden wird. So sollen andere Projekte ausgebaut oder zumindest fortgeführt werden. Dazu zählt die Aktion „Better World Cup“ an der sich mittlerweile rund 1000 Partnercafés beteiligen und unkompliziert mitgebrachte Mehrwegbecher nachfüllen, anstatt jeden Kaffee in einem Einwegbecher auszugeben. Auch soll die App „Ordnungsamt Online“, mit der Bürger leicht illegale Müllablageplätze melden können, stärker beworben werden. Die Zahl der hierüber an die BSR gemeldeten Fälle stieg von 125 000 im Gesamtjahr 2016 auf fast 208 000 im vergangenen Jahr 2018.
Nachdem der Bezirk Neukölln ein Bündnis mit der BSR geschlossen hatte, um die Zahl der illegalen Müllablageplätze zu verringern, haben mittlerweile auch Reinickendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg entsprechende Vereinbarungen geschlossen.
Zudem strebt der Senat eine Verlängerung der Öffnungszeiten bei Recyclinghöfen an, schließt weitere Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft zur entgeltfreien Sperrmüllabholung. Und er hält an der 2016 eingeführten Strategie fest, auch die Reinigung von Parks und Waldflächen nach und nach der BSR zu übertragen. Pops Verwaltung kündigt hier eine dafür erforderliche rechtliche Regelung bis Ende 2019 an.
Auch der Tagesspiegel organisiert im Rahmen der Aktionen „Saubere Sache“ beziehungsweise „Gemeinsame Sache“ seit Jahren lokale Bürgeraktionen zur Reinigung öffentlicher Flächen.