Flüchtlinge in Berlin: Missbrauchsgefahr bei Sprachkursen
Für Flüchtlinge gibt es jede Menge Deutschkurse. Die Hürden für Bildungsträger sind niedrig, unseriöse Unternehmen könnten das ausnutzen.
Deutsch zu lernen ist der wichtigste Schritt zur Integration für die neu ankommenden Geflüchteten – und möglicherweise momentan eine Chance für unseriöse Unternehmen, gutes Geld zu verdienen. Seit Ende Oktober hat die Bundesagentur für Arbeit Mittel für Sprachkurse bereitgestellt. Insgesamt sollen bis zu 100 000 Menschen von der Förderung profitieren. Allein in Berlin können bis Ende des Jahres rund 5000 Flüchtlinge einen achtwöchigen Sprachkurs mit 320 Unterrichtsstunden beginnen, 3000 in Brandenburg. Das Programm ist beschränkt auf „Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive“ aus den Ländern Syrien, Eritrea, Irak und Iran. Bis zu 120 Millionen Euro stehen bundesweit zur Verfügung.
Schnell sollte das Verfahren gehen. Deshalb verzichtete die Bundesagentur auf Ausschreibungen. Die Vorgaben für Bildungsträger sind minimal gehalten. Beispielsweise genügt eine Selbstauskunft, um eine Eignung nachzuweisen. Auch die regelmäßige Teilnahme der Flüchtlinge muss nicht nachgewiesen werden. Die Anmeldeliste vom ersten Tag des Kurses gilt als ausreichend. Daran entzündet sich eine Menge Kritik. Freiwilligeninitiativen, die in den Flüchtlingsunterkünften tätig sind, sprechen von einer „skandalösen Vergabepraxis“ und kritisieren, dass dort kuriose Anbieter werben und ihre Flyer unter die Leute bringen. Joachim Günther, der sich ehrenamtlich in der Notunterkunft im Rathaus Wilmersdorf engagiert, befürchtet, dass unseriöse und nicht qualifizierte Anbieter nur das schnelle Geschäft machen wollen.
Experten teilen die Bedenken
Verwaltungsfachleute kennen das Problem und teilen die Bedenken. „Die Skepsis ist berechtigt. Aber die Bundesagentur wollte in diesem Fall sehr schnell handeln, da blieb keine Zeit für Ausschreibungen. Sonst gäbe es im Sommer noch keine Kurse“, sagt ein hochrangiger Experte, der sich nicht offiziell äußern mochte. Die Hürden müssten tief sein, da es sonst nicht möglich sei, ad hoc Sprachkurse für so viele Menschen anzubieten. Man hoffe darauf, dass sich in der Mehrzahl doch vor allem die bewährten Bildungsträger engagieren.
Der Sprecher der Regionaldirektion für Arbeit Berlin-Brandenburg, Christian Henkes, sagt: „Oberste Priorität hatte es, eine große Zahl an Sprachkursen anzubieten.“ Bisher arbeite man mit rund 70 Trägern zusammen. Ohnehin gilt dieses Verfahren nur noch für Kurse, die bis zum Jahresende beginnen. Wie es danach weitergeht, steht bisher nicht fest.
Bustransfer zum Unterricht
Zu den Firmen, die Deutschkurse anbieten, gehört das Busunternehmen Gullivers. Es wirbt mit einem Bustransfer zur Schule und dem Hinweis „Bei erfolgreicher Teilnahme gute Aussichten auf eine berufliche Perspektive!“. Geschäftsführer Andreas Keuchel weist daraufhin, dass das Unternehmen mit seinem Kompetenzzentrum seit vielen Jahren schon „im großem Umfang erfolgreich in der beruflichen Aus- und Weiterbildung speziell im Verkehrsgewerbe aktiv“ sei. Die Berufsaussichten in der Omnibusbranche und im Rettungswesen seien gut, da dort Fachkräftemangel herrsche. Gleich für zwei Träger – PMP und Mikro Partner – organisiert Benjamin Köhn Sprachkurse für Flüchtlinge. Die Lehrer seien vor allem Diplom- oder Sozialpädagogen oder hätten das erste Staatsexamen als Lehrer absolviert. Pro Teilnehmer und Stunde erhält der Bildungsträger laut Köhn 4,50 Euro.
Der Unterricht fällt aus, weil Teilnehmer zum Lageso müssen
Unterdessen berichten Dozenten und Flüchtlinge von regelmäßigen Unterrichtsausfällen, da die Teilnehmer immer wieder zum Lageso müssen, um sich dort Leistungen abzuholen. „Ganze Klassen fallen aus, da die Teilnehmer tagelang anstehen müssen“, schreiben Dozenten in einem offenen Brief.