Streit um Luxussanierung in Berlin: Mietsteigerung um 400 Prozent in Reinickendorf
Die Steinbergsiedlung in Reinickendorf wird luxuriös saniert. Danach wollen die neuen Eigentümer die Mieten extrem erhöhen. Jetzt aber machen Verfahrensfehler den alten Mietern noch einmal Hoffnung.
Der Streit um die Sanierung der denkmalgeschützten Wohnanlage Steinbergsiedlung in Reinickendorf spitzt sich zu. Die Miete in den 38 Reihenhäusern und drei Mehrfamilienhäusern soll um bis zu 400 Prozent steigen, der Tagesspiegel berichtete – und die bisherigen Anwohner laufen Sturm gegen die Pläne des Investors. Nun gibt es Vorwürfe, der Bezirk habe den Denkmalschutz unterlaufen.
Der neue Besitzer, die „Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft“, sucht unter dem Namen „Stonehill Gardens“ bereits Käufer für die Wohnungen als „luxuriöses Kleinod“ mit „absoluter Top-Ausstattung“. Für die Sanierungs- und Umbaupläne eines der Reihenhäuser erteilte die Reinickendorfer Denkmalschutzbehörde vor rund drei Jahren die Baugenehmigung – ein Musterhaus für Kaufinteressenten entstand.
Das Landesdenkmalamt wurde nicht einbezogen
Nun mehren sich jedoch die Vorwürfe, dass der zuständige Sachbearbeiter in Reinickendorf dabei den Denkmalschutz unterlaufen habe, indem er das ihm übergeordnete Landesdenkmalamt nicht in seine Entscheidung eingebunden habe. „Eine Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt ist gesetzlich vorgeschrieben, beispielsweise wenn ein Vorhaben durch das Landesdenkmalamt gefördert wird. Das ist aber nicht passiert“, sagt Wilfried Wolff, Vorsitzender im Ausschuss für Denkmalschutz bei der Berliner Baukammer. Nach Ansicht des Bauexperten hätte eine Klage wegen Verfahrensfehlern gute Aussichten auf Erfolg: „Damit wäre die erteilte Baugenehmigung hinfällig.“
Der Sachbearbeiter beruft sich in seiner Baugenehmigung auf ein „fiktives Einvernehmen“ mit dem Amt. Dieses Einvernehmen gilt etwa bei Vorhaben, für die das Landesdenkmalamt Vorgaben wie etwa Gutachten oder Konzepte zum Erhalt gemacht hat. Dann können die Bezirke über Bauanträge auch ohne direkte Beteiligung des Landesdenkmalamtes entscheiden. Wie die für das Amt zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung jedoch mitteilt, sind ihr solche Vorgaben für die Siedlung nicht bekannt. Auch der Bezirk Reinickendorf selbst hat – wie Bezirksstadtrat Martin Lambert (CDU) einräumt – keine Satzung zu der Frage, wie die Siedlung erhalten bleiben soll. Für den Bauexperten Wolff ist klar, dass das fiktive Einvernehmen damit vom Tisch ist: „Hier hätte man im Einzelfall das Einvernehmen herstellen müssen.“
Denkmalschützer sind überfordert - es fehlt Personal
Der Einzelfall ist aber wesentlich aufwendiger, kostet Zeit und Mühen. Und vor allem Zeit scheinen Berlins Denkmalschützer in den Behörden immer weniger zu haben. Hinter vorgehaltener Hand klagen viele über Stellenkürzungen. Auf bis zu 50 Prozent schätzt Wilfried Wolff den Personalabbau in den vergangenen zehn Jahren. Oft seien die Sachbearbeiter überfordert, zudem würden Politik und Investoren sie unter Druck setzen. Ob auch der Reinickendorfer Sachbearbeiter unter Druck gesetzt wurde, bleibt unklar.
Und unklar ist auch, wie er im Einzelfall das Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt bei der Dämmung der Außenwand herstellte. Hier hätte es nach dem Gesetz eine schriftliche Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt geben müssen. Es müsste Aktenzeichen geben, einen Briefwechsel. Es sieht nach Tagesspiegel-Informationen aber so aus, als sei das nicht passiert. Am 15. November 2010 hatten die Investoren ihren Antrag auf „Denkmalschutzrechtliche Genehmigung“ beim Sachbearbeiter gestellt. Das Landesdenkmalamt teilte mit, dass bis einschließlich Februar 2011 keinerlei Mitzeichnungen oder andere schriftliche Aufzeichnungen darüber existieren würden, wie ein Einvernehmen erzielt werden sollte.
Die Siedlung wurde in den Zwanziger Jahren gebaut
Der Sachbearbeiter in Reinickendorf will derzeit nicht offen mit der Presse sprechen. Dafür teilte Bezirksstadtrat Lambert mit, dass „gemäß Vermerk“ vom 31. März 2011 die Zustimmung vom Landesdenkmalamt vorgelegen habe, bereits einen Tag später wurde die Baugenehmigung ausgesprochen. „Gemäß Vermerk“ aber bedeutet Telefonat – von Briefwechsel spricht Lambert nicht.
In der Bezirksverwaltung sei man froh gewesen, einen Investor für die Siedlung gefunden zu haben, denken die protestierenden Anwohner. In den zwanziger Jahren wurde die Siedlung gebaut, kleine Häuser mit Gärten zur Selbstversorgung, viele dringend sanierungsbedürftig. Das Musterhaus hat nun ein angehobenes Dach, eine aufgestemmte und großflächig verglaste Haushinterseite, mit einem Swimmingpool an der Stelle, wo einst Obstbäume standen. Alles sei denkmalkonform, sagt das Reinickendorfer Denkmalschutzamt. Zumal – wie Martin Lambert mitteilt – lediglich die „besondere städtebauliche Situation“ denkmalgeschützt sei, bei den Umbauten der einzelnen Häuser hingegen „mehr Spielraum“ bestehe. Beschwerdebriefe der Mieter an das Landesdenkmalamt schickte dieses bereits im Jahr 2011 weiter: an die Denkmalschutzbehörde in Reinickendorf.
Tiemo Rink