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Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (rechts) will Jan Stöß als Berliner SPD-Landeschef ablösen.
© dpa

Bald neuer Chef der Berliner SPD?: Michael Müllers Kandidatur ist mehr als Rache

Der Regierende Bürgermeister will Jan Stöß als Parteichef stürzen. Das hat nicht nur mit Rache zu tun - es zeugt auch von Entschlossenheit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Wer politisches Handeln nur aus den Gefühlen der Akteure und nicht auch aus der Rationalität heraus erklären will, liegt zwar oft nicht schief, macht es sich aber in der Regel zu einfach. Natürlich werden bei Michael Müller Rachegefühle eine Rolle gespielt haben, als er verkündete, sich auf dem Parteitag am 30. April zum SPD-Landeschef wählen lassen zu wollen. Da war ja noch als schwärende Wunde die handstreichartige Attacke von Jan Stöß und Raed Saleh gegen ihn auf dem Parteitreffen vom 9. Juni 2012. Da inszenierten die beiden einen Funktionärsputsch gegen Klaus Wowereits Wunschkandidaten für den Vorsitz, eben Michael Müller, und hoben statt des damaligen Stadtentwicklungssenators den Richter Stöß auf den Schild. Aber es gibt darüber hinaus sehr rationale Gründe für Müllers Kandidatur.

Ja, er ist dünnhäutig und nachtragend, zudem mit dem abstrusen Komplex behaftet, weder Akademiker zu sein noch Abitur zu haben. Als wenn dies Kriterien für die Qualität eines Spitzenpolitikers seien! Müller hat das Vertrauen der SPD-Mitglieder, das zählt mehr als vieles andere. Er weiß es seit dem 18. Oktober 2014. Da votierten fast 60 Prozent der abstimmenden Genossen für ihn als den Kandidaten der Partei für die Wowereit-Nachfolge. Nur 20,8 Prozent wollten Parteichef Jan Stöß als Regierenden Bürgermeister, gar nur 18,6 Prozent Fraktionschef Raed Saleh als Chef im Roten Rathaus.

Michael Müller ist so etwas wie der geborene Regiermeister

Anders als die traditionell überwiegend linke Funktionärsschicht der SPD sind die einfachen Parteimitglieder nämlich ganz ähnlich sozialisiert und in ihren Erwartungen strukturiert wie die Mehrheit der Berliner – eher kleinbürgerlich, konservativ, von der Hoffnung, ja, Sehnsucht getragen, ein Leben ohne finanzielle Not mit einigermaßen klaren Perspektiven führen zu können. Sicherheit zu haben eben.

Michael Müller ist so etwas wie ihr geborener Regiermeister, und Andreas Geisel, der umtriebige Stadtentwicklungssenator, der stellvertretender Parteichef werden will, das Vertrauen bildende Ostberliner Gegenstück zum Westgewächs Müller. Dilek Kolat, Raed Saleh und Jan Stöß hingegen können in der sozialdemokratischen Spitzenmannschaft die Anker für verschiedene Gruppen des sozialdemokratischen Wählerpotenzials bilden.

Aber vor allem auf Müller kommt es an. Dass er das nun auch nach außen klarstellen will, ist nur logisch. Damit behält er zudem in der Hand, mit wem nach der Wahl Koalitionsgespräche geführt werden und mit welchem Ziel. Er hat auch die ausschließliche Personalhoheit bei der Verteilung der Posten, sollte das Wahlergebnis dafür reichen. Mit diesem entschlossenen Zugriff positioniert sich die SPD knapp fünf Monate vor der Wahl deutlich klarer als die CDU, die sich mangels anderer Alternativen hinter einem Spitzenkandidaten Frank Henkel versammelt, dem es bei allen menschlichen Qualitäten wohl an einem fehlt, das Müller jetzt gerade dabei ist zu demonstrieren: dass er schnell und entschlossen handeln kann, wenn es darauf ankommt.

Dass sich ein Wahlsieg nun mit Müllers Namen verbindet, ist jetzt klar. Das gilt aber auch für den Fall einer Schlappe am Wahlabend.

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