Berliner Reaktionen auf die Wahl in Brandenburg: Michael Müller nennt Rot-Rot-Grün "schwierig"
Der Regierende nennt Woidkes vermeintlichen Erfolg einen "Arbeitssieg". Berliner Politiker schauen genau nach Brandenburg - die Wahl dort beeinflusst Berlin.
Das politische Berlin – zumal das regierende rot-rot-grüne Bündnis – schaut genau auf die Wahlergebnisse in Brandenburg. Die SPD hat dort besser, die Grünen schlechter als erwartet abgeschnitten, die Linken haben eine deutliche Niederlage eingefahren. „Es ist ein Arbeitssieg“, sagte Michael Müller in der rbb-Abendschau. Da habe die SPD Ministerpräsident Dietmar Woidke viel zu verdanken, ein „klarer Regierungsauftrag“.
Eine Landtagswahl hat zunächst einmal Auswirkungen auf den Landtag, der gewählt wird – vor voreiligen Rückschlüssen auf andere Bundesländer muss man sich hüten. Doch diese Wahl in Brandenburg betrifft Berlin besonders. Denn die Mark ist näher denn je. Immer mehr Berliner Familien wandern in das Nachbarflächenland ab, viele von ihnen arbeiten in Berlin, wählen in Brandenburg. Von der Koalition, die in Brandenburg zustande kommt, wird auch abhängen, wie planvoll das weitere Zusammenwachsen beider Bundesländer vonstatten gehen wird.
Die Linke setzte fest eine weitere Regierungsbeteiligung durch ein rot-rot-grünes Dreierbündnis auch in Brandenburg. Mit so einem schlechten Ergebnis aber hatte die Berliner Landesvorsitzende nicht gerechnet. „Ich bin sehr enttäuscht über das Wahlergebnis, da hatten wir uns mehr erhofft“, sagte die Vorsitzende der Berliner Linken, Katina Schubert. Auch die Berliner CDU ist vom Ergebnis der Brandenburger Parteifreunde enttäuscht, gleichwohl bleibt eine Regierungsbeteiligung in einer rot-schwarz-grünen Koalition möglich. Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU, stellte fest: „In Brandenburg ist es der CDU nicht gelungen, mit Ihren Themen durchzudringen.“ Evers sprach von einem „achtbaren“ Ergebnis der SPD. „Als deutlich stärkste Kraft wird sie hoffentlich verantwortlich handeln und Brandenburg das rot-rot-grüne Bündnis ersparen, das in Berlin für so viel Chaos sorgt.“ Rechnerisch ist diese Konstellation knapp möglich. Rot-Rot-Grün käme auf 45 Sitze, exakt so viele wie sie benötigen. Eine sogenannte Kenia-Koalition wäre mit fünf Sitzen mehr deutlich komfortabler. Falko Liecke, stellvertretender Landes-Chef der Berliner CDU, räumte mit Blick auf die Ergebnisse der AfD in Brandenburg und Sachsen ein: "Die AfD ist allerdings für die Union ein Problem, auf das wir noch keine überzeugende Antwort haben."
"Noch nie hat es eine so intensive Zusammenarbeit gegeben"
Mit welchem Bündnis auch immer – Dietmar Woidke wird voraussichtlich weiterhin zusammen mit Michael Müller die Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg verantworten. Am Wahlabend sagte Müller: „Wir haben in den letzten zwei Jahren vier Mal als Kabinette zusammen getagt, so oft wie vorher nie. Noch nie hat es so eine intensive Zusammenarbeit gegeben.“ Es sei ihm wichtig, mit Woidke weiterarbeiten zu können.
Man sei über gemeinsame Kabinettssitzungen nicht hinausgekommen, bemängelt hingegen Sebastian Czaja, Generalsekretär der Berliner FDP. Es fehle eine Gesamtstrategie für die Metropolregion. „Wir brauchen eine gemeinsame Realpolitik“, hatte Czaja dem Tagesspiegel vor der Wahl gesagt. Die FDP schaffte es in Brandenburg nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Dazu erklärte Czaja: "Als FPD ist es uns schlicht und ergreifend nicht ausreichend gelungen, auf die Sorgen und Herausforderungen die richtigen Antworten zu geben." Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen bezeichnete er als "Ausdruck einer Krise", Wähler würden nur noch an die "Lösung im politischen Extrem" glauben.
Seit dem Scheitern der Länderfusion 1996 gab es immer wieder Versprechen, die beiden Nachbarländer gemeinsam zu planen – als eine Hauptstadtregion. Die Möglichkeiten waren da. Seit Jahren regieren in beiden Ländern die SPD. Vor acht Monaten haben Landesregierungen von Berlin und Brandenburg den „Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion“ geschmiedet. Inzwischen hört man von allen Parteien: Die beiden Länder müssen politisch enger kooperieren. Denn dass sie in der Realität weiter zusammenwachsen, ist sicher.
Jedes Jahr ziehen mehr Berliner nach Brandenburg, 2018 waren es 15 900. Es sind vor allem Familien, die sich jenseits der Berliner Stadtgrenze niederlassen. Steigende Mieten und Grundstückspreise in der Hauptstadt machen Brandenburg immer attraktiver. Täglich pendeln 215 600 Menschen von der Mark nach Berlin. Immer mehr Brandenburger arbeiten in der Hauptstadt, behalten aber ihren Wohnsitz im Umland. Und natürlich hat diese Völkerwanderung im Kleinen Auswirkung auf die Politik. Die Themen Verkehr und Wohnen können weder Brandenburg noch Berlin getrennt voneinander betrachten.
Bislang sei da nicht genug passiert – das kritisiert nicht nur die Opposition, sondern das hört man auch von den Grünen in Berlin. Für deren Landesvorsitzende, Nina Stahr, hängt auch der Erfolg einiger Berliner Regierungsprojekte davon ab, dass die Grünen von nun an in dem Flächenland mitregieren. Sie sagt: „Wir Grüne wollen die Verkehrswende, die Energiewende und die Ernährungswende. Um die in Berlin zu erreichen, brauchen wir Brandenburg.“ Und nennt als Beispiel die erneuerbaren Energien. Berlin könne sich ohne Brandenburg nicht sauber versorgen, gleichzeitig berge diese Branche ein großes Jobpotenzial für die ländlichen Regionen.
Oder bei der Ernährung: „In Berliner Kitas beispielsweise hätten wir gerne ökologische, regionale Küche, dafür brauchen wir ebenfalls Brandenburg.“ Mit grüner Regierungsbeteiligung in Brandenburg, sagt Stahr, ginge das besser voran. Zum Wahlausgang sagte Stahr: „Wir freuen uns für die SPD und freuen uns, dass sich die Befürchtung, dass die AfD stärkste Kraft wird, nicht bewahrheitet hat.“
Auch Georg Pazderski, Landeschef der Berliner AfD, wünsche sich eine „deutlich engere Zusammenarbeit“ beider Länder. Er habe zur Zeit der Abstimmung zur Länderfusion in Brandenburg gelebt und dafür gestimmt. Sicher ist für ihn nun aber, dass die Zusammenarbeit der Berliner und der Brandenburger AfD-Fraktionen enger werden wird, nun da die Brandenburger AfD ihre Stärke ausgebaut hat.
Michael Müller gab am Wahlabend übrigens mit Blick auf das Bündnis in Brandenburg zu: „Auch in Berlin ist es viel Arbeit und schwer, drei Partner zusammenzuhalten. Aber wir sehen, es geht."