Landesplanung von Berlin und Brandenburg: Kampf um den "Siedlungsstern" Berlin
In der Mitte immer dichter, am Rand immer ....öder? Wie der neue Entwicklungsplan Brandenburg spaltet. Eine Kolumne.
Es wäre schade für Berlin und um Brandenburg, wenn die gemeinsame Landesplanung scheitern würde. Der CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben hat etwas angekündigt, das in diese Richtung weist: Sollte er nach der Landtagswahl am 1. September Ministerpräsident werden, dann werde er den Landesentwicklungsplan für Brandenburg und Berlin kündigen.
Senftleben begründete den drastischen Schritt damit, dass die Interessen der Städte und Kommunen jenseits des Berliner Umlands zu wenig berücksichtigt seien. Die Landesplaner, so kann man ihn verstehen, hätten vor allem den „Siedlungsstern“ um Berlin und dessen Entwicklung im Sinn.
Das ist seit der Neugründung Brandenburgs und dem Beginn der Zusammenarbeit mit Berlin sozusagen das sakrosankte Prinzip: Entwicklung – gemeint ist Bebauung und Besiedlung – nur entlang der Verkehrswege, die Berlin mit den Städten im Umland verbinden: Eberswalde, Oranienburg, Neuruppin, Potsdam, Luckenwalde und wie sie heißen. Der Rest Brandenburgs soll, so interpretiert Senftleben offenbar den Entwicklungsplan, so bleiben, wie er ist – und zwar möglichst grün.
Der "schlummernde Riese"! Möge er geweckt werden
Bei den Industrie- und Handelskammern diesseits und jenseits der Landesgrenze herrscht dagegen eine umgekehrte Ungeduld: Die Politik versäume es, den „Metropolenraum“ Berlin/Umland zu entwickeln, den „schlummernden Riesen“ mit seinen Räumen für den Wohnungsbau und für Industrieinvestitionen zu entwickeln, schrieben die IHK-Geschäftsführer Jan Eder und Mario Tobias vor Kurzem in dieser Zeitung. Sie wünschen sich ein „systemisches Metropolenraum-Management“.
Ihr Vorschlag liest sich, als müsse man bloß eine noch zu erfindende Behörde, die Greater Berlin Management Agency oder so ähnlich, mit den nötigen Transbundeslandbefugnissen ausstatten, und der Großraum Berlin sei nicht bloß gerüstet für alle Zukünfte, sondern werde auch den Interessen seiner Bewohner entsprechend geordnet. Ob sie das wirklich glauben? Sie verweisen auf Paris und London samt Umland. Dabei muss man doch bloß deren Wohn- und Lebenskosten mit denen in Berlin und Umland vergleichen, um das kalte Grauen zu bekommen.
Immer dichter, immer enger, immer voller, immer teurer: Das ist das Berlin-Mitte-Prinzip, ausgeweitet bis zum Autobahnring um die Stadt – und wenn das die Zukunft der Hauptstadtregion Berlin sein sollte, sieht man sich besser schon mal im Oderbruch nach einer Hütte um.
Tatsächlich hat der Siedlungsstern nicht bloß einen charmanten Namen, sondern auch eine bis heute positive Wirkung: Ohne drei Stunden unterwegs sein zu müssen, kann man in und um Berlin Stadt und Land erleben. Man hat in erträglichen Distanzen Nachtleben und Natur, Wissenschaft und Industrie und Wald und Wiesen
Die Peripherie fühlt sich vergessen. Zurecht?
Gerade weil Berlin und Umland einiges bieten, ohne zu platzen, fordern die Politiker in der Brandenburger Peripherie Entwicklungsmöglichkeiten für sich – und diese Forderungen hat CDU-Mann Senftleben aufgenommen. Bei der Gemeinsamen Landesplanung in Potsdam kann man das nicht wirklich verstehen. Man kenne keine Kommune, die einen Bauwilligen habe abweisen müssen, weil sie nicht über die notwendigen brauchbaren Flächen verfüge, heißt es dort.
Und doch kann man verstehen, dass die Politiker in den Regionen weit weg von Berlin den Eindruck haben, ihre Interessen würden nicht wahrgenommen. Denn in der brandenburgischen Provinz sind die Wege immer länger geworden, die Wege zu den Schulen und zur Arbeit. Wenn man aber will, dass auch sogenannte Städte in der zweiten Reihe sich entwickeln und für Menschen, die womöglich in Berlin oder im Umland arbeiten, als Wohnorte interessant werden, dann muss die Politik endlich in Vorleistung gehen: Sie muss Verkehrsinfrastrukturen anbieten, die nicht bloß wie Pendler-Press-Transporte wirken, sondern das Land erschließen, auch spätabends und sehr früh morgens.
Noch gilt: Knapp berechnete Eisenbahnkapazitäten und seltene Busverbindung schaffen die Minimalversorgung. Alles andere ist mit Auto und Ähnlichem zu erledigen. Das ist eine Verkehrspolitik mit Metropolensog. Sie strapaziert schon Schulkinder in einer ziemlich unsozialdemokratischen Weise (damit ist Brandenburg gemeint). Und sie bekommt einen zynischen Unterton, wenn es heißt: Wem die Wege von, sagen wir: Rathenow nach Berlin zu weit sind, der kann ja nach Berlin ziehen. 200.000 Pendler auf Wohnungssuche in Berlin?