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Der neue Regierende von Berlin: Michael Müller kommt und alles bleibt anders

Mit Michael Müller hat sich die SPD für den verlässlichsten Kandidaten entschieden, meint Lorenz Maroldt. Welche Akzente der neue Regierende setzten wird, scheint offener denn je. Ein Kommentar

Keine Experimente – dieser alte Wahlkampfslogan der Adenauer- CDU ist die Mehrheitsbotschaft der Berliner SPD-Mitglieder. Sie haben den Kandidaten gewählt, der ihnen als derjenige mit der besten „Bodenhaftung“ erschien und der ihnen genau das auch versprochen hatte: sachlich und gründlich zu sein. Doch die Wahl von Michael Müller, gerade auch die Klarheit der Wahl, bringt mehr in Bewegung, als es zunächst erscheinen mag.

Da ist erst mal Müller selbst. In den Wochen des innerparteilichen Wahlkampfs hat er deutlich gemacht, dass er „anders“ regieren will, was zwar durchaus auch selbstkritisch zu verstehen war, aber eben vor allem als Distanzierung vom Stil Klaus Wowereits. Mit „Bastapolitik“ jedenfalls soll es vorbei sein. Partizipation, Dialog und Offenheit hat Michael Müller angekündigt, „eine neue Bürgerbeteiligungskultur“. Schluss sein soll auch mit dem „Sparen, bis es quietscht“: Unter Müller wird Berlin mehr Geld ausgeben, vor allem im Öffentlichen Dienst. Außerdem hat Müller angekündigt, mehr für diejenigen zu tun, die schon hier sind, als für diejenigen, die noch kommen wollen, was sich vor allem auf das Wohnen bezieht. Aber nicht nur: Müllers Wort, Berlin müsse eine Stadt der Arbeit werden, ist nicht allein wirtschaftlich zu verstehen, sondern auch als Skeptizismus gegenüber einem Hedonismus, dem auch die Berlinwerber vergangener Jahre huldigten. Und dann will er noch „eine professionelle Verwaltung“ organisieren, was bedeutet, dass es eine solche nicht gibt. Da zeichnet sich nicht nur ein anderer Regierungsstil ab, sondern auch eine andere Politik, in manchen Punkten überhaupt mal Politik.

So fielen die Stimmen der SPD-Mitglieder aus.
So fielen die Stimmen der SPD-Mitglieder aus.
© TSP

Müllers Ankündigungen sind unkonkret genug, um größtmögliche Attraktion zu erzeugen

Das alles aber, zum nächsten, muss er mit einer Partei und Fraktion durchsetzen, deren Vorsitzende soeben von den Mitgliedern gedemütigt wurden, so wie Müller einst von den Funktionären gedemütigt wurde, als sie sich seiner entledigten. Sein starkes Ergebnis hat die anderen geschwächt, mit schwer absehbaren Folgen. Da hat sich ein Graben aufgetan zwischen den Mitgliedern der SPD und ihren Repräsentanten, und wie der kalte Entzug der Regierungshoffnung auf seine geschlagenen Gegner wirkt, muss sich erst noch erweisen.

Zum Weiteren hat sich schnell gezeigt, dass es die von Müller angekündigte Kontinuität im Senat nicht geben wird. Nicht nur seine eigene Stelle, die des Stadtentwicklungssenators, ist neu zu besetzen, sondern auch die des Finanzsenators. Vielleicht auch mehr. Denn dass Frieden herrscht in der Koalition und große Zufriedenheit mit der bisherigen Leistung des Senats, kann nur ein Ironiker sagen.

Schließlich ist da die bisher recht brave CDU, die den Eindruck entstehen ließ, es sei ihr ziemlich egal, welchem Sozialdemokraten sie als ergebener Partner dienen darf. Jetzt, da sie weiß, wer das ist, wird sie mit Blick auf die nächste Wahl auch ihre Rolle neu definieren müssen. Nur zu versuchen, den etwas besseren Müller anzubieten – das wird nicht gehen und das wird auch nicht reichen.

Frei, bezahlbar, spannend – so hat Müller beschrieben, wie er sich die Stadt unter seiner Regierung vorstellt. Das klingt gut, aber ist auch unkonkret genug, um größtmögliche Attraktion zu erzeugen. Und ist sie das nicht eigentlich schon? Keine Experimente. Ein paar tausend Berliner Sozialdemokraten haben bekundet, dass es das ist, was sie sich wünschen. Was der Rest der Stadt davon hält, werden sie dann in zwei Jahren erfahren.

Lorenz Maroldt

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