Prozess nach tödlichem Angriff in Berlin: Messerstecher vom Alexanderplatz gesteht
Vor fünf Monaten wurde ein 30-jähriger Mann durch einen Stich ins Herz getötet. Nun muss sich ein 19-Jähriger wegen Mordes vor dem Berliner Landgericht verantworten. Er war dem Opfer zufällig begegnet - und stach aus "Gereiztheit" zu.
Der 19-Jährige starrte zu Boden. Doch er wird sie gespürt haben, die Blicke der Eltern und des Bruders seines Opfers. Sie saßen ihm als Nebenkläger gegenüber. Sie wollen wissen, was für ein Mensch zu so einer Tat fähig ist, warum Torsten N. sterben musste. Niclas L. aber blieb regungslos zu Beginn des Prozesses um die tödliche Messerattacke am Alexanderplatz vor fünf Monaten. Sein Geständnis verlas die Verteidigerin. Es tue ihm unendlich leid. „Ich kann es bis heute nicht fassen, dass durch meine Schuld ein Mensch gestorben ist.“ Er tötete den 30-Jährigen mit einem Stich ins Herz.
Täter und Opfer waren sich am 24. August zufällig begegnet. Torsten N. kam am Nachmittag mit Freunden aus einem Club. Es war Sonntag gegen 16 Uhr. Nach durchfeierter Nacht wollten sie etwas ausruhen. Zwei Frauen alberten herum. Bis Niclas L. auftauchte. Er war in Begleitung seiner Freundin. Zwischen ihnen soll es zuvor Zoff gegeben haben. Die Frauen, die mit einer Rassel spielten, nervten ihn.
Der damals 18-Jährige begann Streit. Kurz darauf brach Torsten N. zusammen. Die fünfte Rippe wurde durchtrennt, Lunge und Herz getroffen. Die Messerklinge war 13 Zentimeter lang. Mit „massiver Kraft“ und in Tötungsabsicht habe L. in die linke Brustseite gestochen, so die Anklage. Torsten N., der schlichten wollte, verstarb.
Die Anklage lautet auf Mord – heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen begangen. Das Opfer habe Niclas L. „als bloßes Objekt gedient“, um an ihm „seine Gereiztheit“ über das Herumalbern der Frauen sowie Wut und Frust über Streit mit seiner Freundin zu entladen.
Niclas L. hat keine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung. Jahrelang gab es pädagogische Betreuung für ihn. Er blieb schwierig. Bei der Messerattacke habe er unter Einfluss verschiedener Drogen gestanden, erklärte er nun. „Mir ist inzwischen klar geworden, was die Drogen aus mir gemacht haben.“ Er sprach auch von drei schlaflosen Nächten, die ihn in die Situation gebracht hätten. Bei dem Streit blaffte er eine Begleiterin von Torsten N. an: „Bist du durchgeknallt?“ Torsten N., der als besonnen und sozial engagiert galt, wollte schlichten.
L. behauptete nun, sein Opfer habe mit Fäusten vor ihm gestanden. Er habe sich „hilflos und bedroht“ gefühlt. „Reflexartig“ habe er eines von zwei Messern in seiner Tasche gezogen. „Ich wollte in den Arm stechen.“ Die Eltern und der Bruder des Opfers rangen um Fassung. Die Erklärung sei eine Frechheit, nicht schlüssig, so der Vater.