Berliner Polizei ermittelt wegen „Z“-Symbol: Melnyk kritisiert prorussischen Autokorso – Giffey verweist auf Versammlungsfreiheit
In fünf Fällen seit Kriegsbeginn ermittelt die Berliner Polizei wegen Verwendung des Z-Symbols. Auch bei einem Autokorso mit russischen Fahnen wurde es gezeigt.
Ein prorussischer Autokorso mit 400 Fahrzeugen am Sonntag in Berlin hat scharfe Kritik des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk nach sich gezogen. Auf Twitter wandte sich Melnyk am Montag an Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und an die Polizei Berlin: „Um Himmels Willen, wie konnten SIE diesen Autokorso der Schande mitten in Berlin zulassen? Und zwar am Tag, als die russischen Massaker an ukrainischen Zivilisten in Butscha ans Licht kamen?“
Giffey reagierte darauf am Nachmittag ebenfalls via Twitter. "Ich verstehe den Ärger über den Autokorso und verurteile jegliche Äußerung, die die den russischen Angriffskrieg verharmlost oder legimitiert, auf das Schärfste", ließ die Regierende Bürgermeisterin über den Account der Senatskanzlei mitteilen. Zugleich verwies sie darauf, dass die Demonstration "im Rahmen der Versammlungsfreiheit" angemeldet worden sei.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte am Montag, das Recht auf freie Meinungsäußerung sei ein hohes Gut. „Ob eine Demonstration stattfinden darf, richtet sich nicht danach, ob sie uns gefällt oder nicht. Bei einer Demonstration, die friedlich bleibt, auf der keine Billigung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges erfolgt und die auch sonst ohne Straftaten abläuft, gibt es keine Grundlage einzuschreiten.“
Ähnlich äußerte sich die Polizei. „So schwer es gesellschaftlich zu ertragen ist, vor allem vor dem Hintergrund der Ereignisse in Butscha, ist eine solche Versammlung dennoch Bestandteil unserer Demokratie - und grundgesetzlich geschützt“, teilte sie zu Melnyks Kritik mit. „Unter demokratischen, rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gab es keine Möglichkeit, die Versammlung zu verbieten.“
Viele der Autos hatten russische Fahnen über die Motorhauben gespannt; sie fuhren quer durch die Stadt – auch vorbei am Hauptbahnhof, an dem noch immer viele ukrainische Kriegsflüchtlinge ankommen. In einem Fall sei das „Z“-Symbol des russischen Militärs festgestellt worden, die Polizei habe Ermittlungen eingeleitet, sagte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Giffey zufolge wurde das betreffende Fahrzeug aus dem Korso "herausgezogen". Spranger hatte vor einer Woche angekündigt, das Verwenden des Z-Symbols in Berlin strafrechtlich verfolgen lassen zu wollen.
Z-Symbol: Ermittlungen mit Staatsanwaltschaft abgestimmt
Seit Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar hat die Berliner Polizei in bislang fünf Fällen Ermittlungsverfahren wegen des Z-Symbols eingeleitet, teilte Akmann im Innenausschuss mit. Das Symbol könne als potenzielle Unterstützung für den Angriffskrieg angesehen werden.
Soweit konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Z-Symbol in diesem Sinne verwendet wird, leite die Polizei ein Ermittlungsverfahren ein. Dazu gebe es auch eine Vereinbarung von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt (LKA). Maßgeblich seien das Völkerstrafgesetzbuch und das Strafrecht – nämlich die Billigung von Verbrechen.
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Auch mit Blick auf den Tag der Befreiung am 8. Mai habe die Polizei die Lage im Blick. Linke-Innenexperte Niklas Schrader sagte, dass bestimmte Gruppen die Gedenkfeiern dafür nutzen wollten, um russische Kriegspropaganda zu verbreiten. Er verwies auch auf die russische Rockergruppe „Nachtwölfe“, die wiederholt zum Tag der Befreiung nach Berlin kam, sowie Mobilisierungsaufrufe der Querdenkerszene. „Wir schauen hin und haben das im Blick“, sagte Innenstaatssekretär Akmann. Hier sei eine „gesteigerte Sensibilität“ nötig.
CDU: Wurde Autokorso "aus Moskau gesteuert"?
Der Verfassungsschutz müsse klären, inwieweit der Korso „aus Moskau gesteuert worden ist“, forderte der verfassungsschutzpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Stephan Standfuß. Die Innenverwaltung äußerte sich nicht zu der Frage, ob der Verfassungsschutz nach dem Aufzug aktiv geworden ist.
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„Dieser Krieg darf nicht in unsere Gesellschaft hineingetragen werden. Das ist Putins Kriegs“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag. Die deutschen Sicherheitsbehörden seien „da sehr wachsam“. Wenn es eine rechtliche Möglichkeit gebe, einzuschreiten, würden sie das tun.
Bundesregierung: Nicht russischer "Desinformationskampagne" glauben
Die Bundesregierung rief in Deutschland lebende Russinnen und Russen auf, sich bei verschiedenen nationalen und internationalen Medien über die Geschehnisse in Russland und in der Ukraine zu informieren. „Niemand sollte der Desinformationskampagne der russischen Staatsmedien mit ihren zynischen und verharmlosenden Darstellungen Glauben schenken“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag in Berlin.
Der Korso war nach Angaben der Polizei als Veranstaltung mit dem Titel „Keine Propaganda in der Schule - Schutz für russischsprechende Leute, keine Diskriminierung“ angemeldet. Er startete am frühen Sonntagnachmittag am S-Bahnhof Ahrensfelde an der Stadtgrenze im nordöstlichen Berlin und bewegte sich Richtung Westen bis zum Olympischen Platz im Stadtteil Charlottenburg. Anmelder war nach Angaben der Polizei eine Einzelperson.
Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew hatten am selben Tag Fotos von getöteten Menschen in der zurückeroberten Stadt Butscha Entsetzen ausgelöst. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von „Völkermord“. (mit dpa, epd)