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Gute Laune? Aber klar doch. Beim Tagesspiegel präsentierte sich Michael Müller bestens gelaunt.
© Mike Wolff

Michael Müller zu Gast beim Tagesspiegel (III): "Mein Vater schwenkt um von 'Michael' zu 'Regierender Bürgermeister'"

Wie wird der neue Senatschef eigentlich von seiner Familie genannt? Im Gespräch beim Tagesspiegel-Forum ging es auch um Privates, und Müller sagte: "Wer im Süden der Stadt geboren ist, findet es völlig absurd, nördlich des Ku'damms zu wohnen." In Teil drei unseres Rückblicks auf die Veranstaltung geht es außerdem um ein großes Ärgernis für die zwölf Bezirke.

„Ernst Reuter, Willy Brandt – und Michael Müller: Sind Sie nicht ein kleines bisschen stolz?“ Die erste Frage, die der neue Regierende beim Tagesspiegel gestellt bekommt, ist groß und nicht ganz ungefährlich. Müller beginnt seine Antwort mit einem lächelnden „Och ja, ein bisschen ist das sicher auch dabei“ und sagt: „Dass man jetzt auch wie diese Menschen Politik gestalten kann, darauf freue ich mich.“ Dieses „man“ bleibt seine einzige Distanzierung an diesem Abend. Danach ist Müller ganz er selbst, trotz der noch neuen Rolle.

Mit ungewohntem, unfreiwilligen Brimborium ist Müller am Abend seines ersten „richtigen“ Arbeitstages ins Tagesspiegel-Verlagshaus am Anhalter Bahnhof gekommen: Schon vor seiner Ankunft schlendern zwei Sicherheitsleute in Zivil durchs Erdgeschoss des Gebäudes, wo gerade die ersten Leser eintreffen. Dann Müller, mit dem bekannten, freundlich blitzenden Blick durch die Gläser seiner neuen Brille, seiner gewohnt leisen Art.

Aber an Müllers Seite sind neben seiner Sprecherin nun auch vier Sicherheitsleute, und vor der Tür steht statt der schwarzen Serien-E-Klasse ein gepanzerter BMW plus Begleitfahrzeug mit Blaulicht. Auf den ersten Blick wirkt Müller tatsächlich fast schutzbedürftig inmitten dieser Entourage. Aber dieser Eindruck verfliegt, nachdem er unter dem Applaus des Publikums das Podium betreten und im weinroten Ledersessel zwischen den Tagesspiegel- Chefredakteuren Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt Platz genommen hat. Locker und fast ohne Phrasen redet er über Politisches und Privates.

Wobei sich bei Müller beides vermischt: Seit 32 Jahren sei er Sozialdemokrat, so dass „bei jedem Abendessen, jeder Familienfeier“ auch über Politik geredet wurde. Er habe schon in den vergangenen Jahren „ein bisschen hineinwachsen“ können ins neue Amt, aber jetzt spüre er die Veränderungen: Man erwarte von ihm Entscheidungen bei Themen, die er zuvor erst einmal besprochen hätte. Und er stehe stärker unter Beobachtung, „bis in die Familie hinein“. Familie, das ist für Müller Tempelhof: Hier sind der 50-Jährige sowie seine beiden Kinder aufgewachsen, hier betreibt sein Vater seit Jahrzehnten eine Druckerei, in der auch Michael Müller gelernt hat. Sein Vater sei mit dem späteren Schwiegervater zusammen in die Schule gegangen, erzählt der Regierende, preist Tempelhof als „tollen Bezirk“ und beschreibt das kiezige Berlin: „Wer im Süden der Stadt geboren ist, findet es völlig absurd, nördlich des Ku’damms zu wohnen. Die Berliner sind so, und das ist ja auch nichts Schlechtes.“

Nichts Schlechtes, aber „manchmal eine echte Probe“ für ihn sei der Musikgeschmack seines Sohnes, der Metal – nicht zu verwechseln mit Heavy Metal, „das habe ich mir schon erklären lassen“ – höre. Er selbst halte sich eher an normale Popmusik, berichtet Müller. Am Abend zuvor sei er (nach der Ministerpräsidentenkonferenz bei Angela Merkel) bei Klaus Hoffmann gewesen, von dem er vor allem die Jacques- Brel-Lieder möge.

Müllers Sohn hat neben der Metal- auch eine weiche Seite, erfahren die knapp 200 Gäste im Saal: Er sei auf eigenen Wunsch und im Gegensatz zu seiner Schwester konfirmiert worden, erzählt der Vater, der über sich sagt, er sei „kein aktiver Christ“, aber in der evangelischen Kirche. Die Eidesformel hatte er mit dem Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ gesprochen.

Seit genau einer Woche darf Müller sich mit „Herr Regierender Bürgermeister“ anreden lassen. Aber „,Herr Müller’ ist auch schon mal ganz gut“, sagt der Senatschef fröhlich und schiebt hinterher, sein Vater „schwenkt gerade um von ,Michael‘ zu ,Regierender Bürgermeister‘“, weil er so stolz auf den Sohn sei.

Mit seiner Mischung aus inhaltlicher Präzision und Gelassenheit beeindruckt Müller gerade auch die im Saal, die ihn schon länger kennen – und wissen, dass die Berichte über seine Dünnhäutigkeit nicht von ungefähr kommen. Darauf angesprochen, sagt er, dass seine bislang 13 Jahre in politischen Spitzenpositionen ja kein Zufall seien und „eine gewisse Härte“ zum Amt gehöre – „und die habe ich auch“. Vehement stellt Müller die Gegenfrage: „Ist es wirklich positiv, wenn man alles an sich abperlen lässt?“ Das Publikum applaudiert spontan. Es erlebt hier auch den Menschen Michael Müller.

Beim Personalsparen ist der Senat "übers Ziel hinausgeschossen"

Pflegebedürftig. Bei den Personaleinsparungen ist der Senat aus Müllers Sicht in den vergangenen Jahren übers Ziel hinausgeschossen – auch in der Landschaftspflege.
Pflegebedürftig. Bei den Personaleinsparungen ist der Senat aus Müllers Sicht in den vergangenen Jahren übers Ziel hinausgeschossen – auch in der Landschaftspflege.
©  dpa

„Wir haben da ein Problem“, sagte Müller. Bei den notwendigen Einsparungen beim öffentlichen Personal sei der Senat „übers Ziel hinausgeschossen“. Es fehle an Qualifizierung und Ausbildung, vor allem in den technischen Bereichen. Etwa bei der Vermessung, dem Tiefbau, der Garten- und Landschaftspflege, zählte der Regierungschef Beispiele aus seiner bisherigen Arbeit als Stadtentwicklungssenator auf.

Die Forderung der Bezirke nach 1200 zusätzlichen Stellen nahm Müller aber zurückhaltend auf. „Pauschal wird es da keine Zusage geben.“ Zunächst müssten die Bezirksämter konkret nachweisen, welche Eigenanstrengungen sie unternähmen und wo sie Schwerpunkte setzten, um das vorhandene Personal effektiv einzusetzen. „Wenn dann noch was fehlt, kann man neue Stellen fordern. Und dann werden wir auch was machen, zum Beispiel in den Bürgerämtern.“

Zum neuen Finanzsenator wies Müller darauf hin, dass er Auswahlmöglichkeiten gehabt habe. „Ich habe mich bewusst für Matthias Kollatz-Ahnen entschieden.“ Er habe jemand mit finanz- und wirtschaftspolitischer Kompetenz haben wollen, „aber auch mit dem Verständnis dafür, wie finanzielle Spielräume intelligent genutzt werden können, um den Erfordernissen einer wachsenden Stadt gerecht zu werden“. So sprach sich Müller dafür aus, den Fonds zur Förderung des Wohnungsbaus aufzustocken, dafür wolle er sich gegenüber dem Parlament engagieren. Klar sei aber: „Der Kurs zur Konsolidierung des Haushalts soll fortgesetzt werden.“

Zum gescheiterten Neubau einer Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld sagte Müller: „Es ist schade, dass es so gelaufen ist.“ Auch die Diffamierung des Projekts habe dazu beigetragen. Die derzeit auf mehrere Standorte verteilte Landesbibliothek brauche aber einen großen, zentralen Standort. Auf dem Tempelhofer Feld hätte sie 100 bis 150 Jahre stehen können. „Nicht als Bücherausleihe, sondern als Treffpunkt der Stadtgesellschaft, das wäre eine große Bereicherung für Berlin gewesen.“ Damit sei es nun wohl vorbei. Ersatzweise könnte am ehesten der Standort der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) am Kreuzberger Blücherplatz „ertüchtigt und ausgebaut“ werden. Ein vollwertiger Ersatz für eine Zentralbibliothek sei das nicht.

Die städtebauliche Aufwertung des Kulturforums am nördlichen Ende der Potsdamer Straße hält Müller für ein vordringliches Projekt. „Der Platz ist derzeit kein Kulturforum, dort hält sich keiner gerne auf.“ Der Regierende lobte das Engagement der Kultur-Staatsministerin Monika Grütters für den Bau eines Museums der Moderne in Nachbarschaft zur Neuen Nationalgalerie. „Sie kniet sich wirklich rein.“ Aber es gebe noch eine Hürde, nämlich ein privates Grundstück, das der Planung im Wege steht. Wenn Grütters dieses Problem löse, „können wir auch an der Potsdamer Straße bauen“.

Lesen Sie hier Teil 1 und Teil 2 unseres Rückblicks.

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