Verkehrssünder in Berlin im Jahr 2017: Mehr Raser, weniger Blitzer
Die Zahl der geblitzten Rot- und Schnellfahrer in Berlin steigt stark an – die Polizei kontrolliert indes immer weniger.
Noch nie wurde in Berlin so hemmungslos bei Rot gefahren wie im vergangenen Jahr. Auch die Zahl der von fest installierten Blitzern erfassten Raser nahm drastisch zu. Zugleich ist die schon seit Jahren rückläufige Zahl der mobilen Tempokontrollen noch einmal stark gesunken. Das ergibt sich aus aus einer Bilanz, die das Polizeipräsidium dem Tagesspiegel auf Anfrage vorgelegt hat.
Mehr Verstöße, weniger Kontrollen
Demnach verfügte die Polizei 2017 über 21 Radarwagen (einer weniger als im Vorjahr) und 56 Handlasergeräte (fünf weniger). Die Radarwagen kamen auf 18.703 Einsatzstunden – 20 Prozent weniger als im Jahr davor. Mit den Laserpistolen absolvierten die Beamten 6239 Einsatzstunden, was einem Rückgang um 14 Prozent entspricht.
Rechnerisch war jeder der teuren Radarwagen täglich nicht einmal zweieinhalb Stunden im Einsatz. Die Handlaser wurden im Mittel 18 Minuten am Tag benutzt. Das mit den 56 Messpistolen absolvierte Pensum wäre theoretisch auch mit einer einzigen mühelos zu schaffen gewesen.
Damit verschärft sich ein Trend, der von Politikern seit Jahren beklagt und von der Innenverwaltung schon ebenso lange mit Verweis auf die dünne Personaldecke abgetan wird. Dabei hatte Innenstaatssekretär Torsten Akmann im März 2017 auf eine parlamentarische Anfrage hin noch erklärt, dass zumindest die Radarwagen dank 20 neuer Dienstkräfte und veränderter Einsatzpläne stärker ausgelastet werden könnten. Fast zeitgleich kündigte Akmanns Amtskollege Christian Gaebler die Installation neuer stationärer Blitzer an.
In der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung steht, dass „an Unfallschwerpunkten und in sensiblen Bereichen“ Tempo- und Rotlichtverstöße „mit mobilen und fest installierten Anlagen stärker überwacht werden“. Tatsächlich existierten im vergangenen Jahr je 16 funktionierende stationäre Blitzer; die Zahl ist seit vielen Jahren fast unverändert. Manche erfassen nur Temposünder oder Rotfahrer, andere können beides.
Laut dem bundesweiten Großstädtevergleich eines Automobilclubs ist die Blitzerdichte nirgends so gering wie in Berlin.
Das soll sich ändern: Im Doppelhaushalt ist Geld für jährlich zehn neue Anlagen eingeplant. Die Standorte seien noch nicht entschieden, heißt es bei der Polizei. Eines der wenigen neuen Geräte steht am Großen Stern in Höhe Altonaer Straße. Der Kreisel um die Siegessäule gehört seit vielen Jahren zu den schlimmsten Unfallschwerpunkten der Stadt – und der Blitzer war mit mehr als 13.000 eingeleiteten Bußgeldverfahren der bei weitem „erfolgreichste“ im vergangenen Jahr, was Rotlichtverstöße von Autofahrern betraf (siehe Tabelle). Die Zahl der geblitzten Temposünder (1211 Ahndungsverfahren) war dagegen eher gering.
Zu schnell trotz Warnhinweis
Umso reicher war einmal mehr die Ausbeute der Blitzgeräte im Britzer Autobahntunnel. Obwohl die seit 2010 funktionieren und sogar mit Schildern vor den Tunneleinfahrten angekündigt werden, erfassten sie 2017 mehr als 102.000 Schnellfahrer. Zum Vergleich: Im ersten kompletten Betriebsjahr waren es fast 150.000. Weit abgeschlagen folgen die Blitzer in der Schildhornstraße und am Siemensdamm, Ecke Nikolaus-Groß-Weg. Letzterer liegt auch bei den Rotlichtverstößen auf dem dritten Patz – hinter dem Tempelhofer Damm auf Höhe der Zufahrt zur A 100.
Die Zahlen sind auch deshalb bemerkenswert, weil die stationären Geräte dem Einheimischen meist bekannt sind. Außerdem warnen Navigationsgeräte und Blitzer-Apps davor, was zwar verboten, aber nur schwer zu unterbinden ist.
Wie sich die Verhältnisse auf den Straßen entwickeln, zeigt der Jahresvergleich: 51.450 von Blitzern erwischte Rotlichtfahrer bedeuten ein Plus von 56 Prozent gegenüber 2016. Hochgerechnet auf die rund 2000 Ampeln der Stadt ergibt das sechseinhalb Millionen Rotlichtverstöße von Auto-, Lkw- und Motorradfahrern. Die Zahl der „qualifizierten Verstöße“, bei denen schon länger als eine Sekunde rot war, hatte sich schon in den zehn Jahren davor fast verdreifacht.
Die Polizei erklärte den drastischen Anstieg der Fälle auch damit, dass mehrere Anlagen erst im Laufe der vergangenen beiden Jahre dauerhaft in Betrieb gingen.
Die Zahl der von festen Anlagen geblitzten Schnellfahrer stieg im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent auf 228.888. Dabei wird durchaus Toleranz gewährt: Nach Tagesspiegel-Informationen liegt die Auslöseschwelle in Berlin bei 9 km/h über dem Limit (wobei 3 km/h als Toleranz abgezogen werden). Wer also mit Tempo 58 durch die Stadt braust, kommt unbehelligt davon – falls nichts passiert.
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