Türken in Berlin: Mehr als 60 Berliner auf türkischer Spitzelliste
Auf der Spionageliste des türkischen Geheimdienstes MIT sind weit mehr Berliner Personen und Institutionen als angenommen. Die CDU fordert rasch Klarheit von Innensenator Geisel.
Erst hieß es, 25 Berliner sind nach Angaben der Polizei mutmaßliche Spitzelopfer des türkischen Geheimdienstes. Jetzt sind es schon mehr als 60 Personen oder Institutionen in Berlin, die vom polizeilichen Staatsschutz des Landeskriminalamtes ermittelt werden konnten. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch mehr Namen mit Berlin-Bezug auf dieser Liste stehen“, sagte Martin Pallgen, Sprecher der Innenverwaltung, dem Tagesspiegel. Auf der vom türkischen Geheimdienst MIT dem BND übergebenen Liste stehen 455 Namen angeblicher Gülen-Anhänger.
Auf der Liste stehen unter anderem die Berliner Landespolitikerin Emine Demirbüken-Wegner sowie die SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe, Michelle Müntefering, die Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Auch ein Brandenburger befindet sich auf der Liste. Dem Vernehmen nach gestaltet sich die Identifikation schwierig, denn die Namen sind nicht geordnet, bei manchen fehlen offenbar die Adressen. Das Landeskriminalamt Berlin sucht die identifizierten Personen auf und führt Sicherheitsgespräche.
Unklar ist weiterhin, wie die vom MIT übergebene Liste politisch zu bewerten ist. Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen aufgenommen. Mögliche Konsequenzen müssen laut Pallgen auf Bundesebene gezogen werden.
Der Berliner CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger kritisierte, dass Innensenator Andreas Geisel (SPD) „noch immer nicht die genaue Zahl der betroffenen Berliner, die auf der Spitzelliste des türkischen Geheimdienstes stehen, kennt oder diese verheimlicht“. Geisel müsse „schnell für umfassende Klarheit sorgen“. Dregger fordert von Geisel ein Konzept, wie die Betroffenen dieser Bespitzelungen von den Berliner Sicherheitsbehörden besser betreut und geschützt werden könnten. „Senator Geisel darf sich hier nicht wegducken. Er muss handeln“, sagte Dregger. Die Betroffenen dürften nicht „in der Luft hängen. Sie erwarten von unserem Staat Schutz.“ Er kenne einige aus der türkischen Community, die ihren türkischen Pass aus Protest gegen die Politik in Ankara abgegeben hätten.
Präsident Recep Erdogan lässt das türkische Volk über die Einführung des Präsidialsystems abstimmen. Mit der angestrebten Verfassungsänderung soll die Macht auf das Staatsoberhaupt konzentriert werden. In Berlin haben knapp ein Drittel der 139 000 wahlberechtigten Türken und Deutschtürken aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen abgestimmt. Die Wahllokale sind noch bis zum Sonntagabend, 21 Uhr, geöffnet. In der Türkei findet die Abstimmung über das Referendum am Ostersonntag statt.