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Die typische Merkel-Raute auf einem Großplakat in Berlin.
© dpa

Wahlwerbung: Mega-Merkel-Plakat provoziert Ärger in Berlin-Mitte

Großplakate sind verboten – nur im Wahlkampf nicht. Die CDU nutzt eine Ausnahme in der Bauordnung und zeigt neben dem Hauptbahnhof in Berlin die Hände der Kanzlerin in XXL. Die SPD spricht von „monströsem Personenkult“.

Alles ist erlaubt, im Wahlkampf – jedenfalls im Kampf um die besten Werbeflächen. Nur von öffentlichen Gebäuden dürfen die Parteistrategen ihre Botschaften nicht prangen lassen. Aber der „monströse inhaltsleere Personenkult“, wie Berlins SPD-Chef Jan Stöß das neue CDU-Plakat mit den zur Raute geformten überdimensionalen Händen von Bundeskanzlerin Angela Merkel nennt, ist am Gerüst des Hotelneubaus neben dem Hauptbahnhof zulässig – dieser Tage jedenfalls.

Vermutungen, wonach Bezirksbaustadtrat Carsten Spallek (CDU) seinen Parteifreunden das einen Block umspannende Banner per Sondergenehmigung gewährte – als Retourkutsche für das sozialdemokratische Deutschlandfest vor dem Brandenburger Tor – wies das Bezirksamt zurück. „Das ist Wahlwerbung, das geht uns nichts an“, sagt die Leiterin des Bauamts Mitte, Tanja Lier. Sie zitiert Paragraf 10, Absatz 7, Nummer 4 der Bauordnung. Demnach sind „drei Monate lang“ und zwar „für die Dauer des Wahlkampfes“ die Regeln zur Eindämmung der Werbeflut im öffentlichen Raum außer Kraft gesetzt.

Die Werbestrategen der CDU wird es freuen, zumal sie auch beim Design des Banners überlegt zur Sache gingen: „Bildplakate sind generell besser als Textplakate“ sagt Frank Brettschneider, der an der Universität Hohenheim mit einem Forscherteam Wahlen und Wähler beobachtet. Denn unabhängig von der Parteineigung werden Bildplakate nach wenigen Millisekunden unbewusst besser bewertet als Textplakate. Außerdem ruhen die Augen auf Plakaten zu 70 Prozent auf den Bildelementen.

Angela Merkel - die Mutter der Nation

Und die hochsymbolische Botschaft dürfte sich einprägen: „Da ist die Mutter der Nation, die Deutschland an die Hand nimmt und durch die Krise führt“, so die Deutung der bildfüllenden Merkel-Raute durch Parteienforscher Oskar Niedermayer. Dass eine Partei ihren Spitzenkandidaten derart reduziert durch eine Handhaltung, verbunden mit einem Slogan („Deutschlands Zukunft in guten Händen“) inszeniert, ist für Niedermayer neu – „das ist mir nicht präsent aus früheren Wahlkämpfen“ sagt er. Merkel wird als Ikone inszeniert, was auch kulturgeschichtlich interessant ist (siehe Kasten).

Für den politischen Gegner „treibt das Plakat die CDU-Strategie der Entpolitisierung des Wahlkampfs auf die Spitze“, sagt Berlins SPD-Chef Jan Stöß. Wenn der Generalsekretär der CDU Hermann Gröhe erkläre, das Plakat verkörpere die Wahlaussage der CDU, dann sei das Problem damit klar benannt: Denn „die Merkel-Raute ersetzt keine politischen Inhalte“. Ähnliches ist im Bezirksparlament zu hören: „Simple Symbole und auswendig gelernte Textbausteine – wenn das Politik ist, sind wir auf den Hund gekommen“, sagt Marc Urbatsch von den Grünen.

Keinen Anstoß nimmt die Opposition daran, dass das Riesenplakat eigentlich gegen die Bauordnung verstößt und deshalb außerhalb von Wahlkampfzeiten niemals genehmigt werden würde. Denn die Regeln in der Bauordnung sind seit einer Änderung vor vier Jahren streng und seit dem Streit um die Coca-Cola-Werbung auf dem Gerüst der Akademie der Künste von Gerichten so bestätigt worden. Demnach müssen Bauherren grundsätzlich eine Genehmigung im zuständigen Bezirksamt einholen, bevor sie Werbung an Gerüsten oder Gebäuden anhängen – und da fallen viele durch. In Wohngebieten sind Werbeplakate sogar grundsätzlich verboten. Allenfalls der Bäcker oder Fleischer darf über seinem Betrieb ein Schild mit dem Hinweis auf diesen montieren.

In Geschäftsstraßen und den sogenannten Kerngebieten sind die Regeln gelockert. Allerdings gilt auch hier ein „Verunstaltungsverbot“. Demnach dürfen Plakate das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht beeinträchtigen. Besondere Zurückhaltung ist in der Umgebung von Baudenkmälern geboten, hier reden sogar die Denkmalpfleger mit.

Maximal sechs Monate lang dürfen Plakate nur noch hängen. Damit wollte der Senat verhindern, dass das Brandenburger Tor erneut jahrelang eingerüstet und mit Werbung verdeckt wird – und so ein Schneckentempo bei Sanierungsarbeiten zu einem lukrativen Geschäft wird. Der Änderung der Bauordnung ist es wohl auch geschuldet, dass die Gedächtniskirche am Breitscheidplatz während der Sanierung nicht wieder eine Plane mit aufgedruckter Mineralwasserflasche zierte. Auch die vielen „Soda-Gerüste“ sind aus dem Stadtbild verschwunden. So nennt Amtsleiterin Lier Baugerüste auf Grundstücksbrachen, die früher einzig zu dem Zweck aufgebaut wurden, mit Werbung Kasse zu machen.

Streit um ein Werbeplakat gab es zuletzt zwischen dem Senat und dem Autohaus Dinnebier. An der A100 nahe dem Funkturm hängt seit 1989 ein Werbebanner, das der Händler plötzlich abnehmen sollte, weil es Autofahrer ablenke. Dieser protestierte gegen die Anordnung. Noch hängt das Plakat.

Was soll uns Merkels Rauten-Geste sagen? Thomas Lackmann erklärt's!

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