Entführungsfall in Brandenburg: Maskenmann-Prozess: Angeklagter muss zum Fitness-Test
Der so genannte Maskenmann konnte schwimmen, Radfahren – aber konnte er auch „tänzeln“? Die Verteidiger des Angeklagten widersprechen: Unser Mann war körperlich eingeschränkt. Nun greift ein Orthopäde ein.
Der Angeklagte im so genannten Maskenmann-Prozess bekommt bald Besuch im Gefängnis. Es ist kein alltäglicher Gast, der da in der Zelle auftauchen wird, sondern ein orthopädischen Sachverständiger. Er soll in der Justizvollzugsanstalt Cottbus, wo der 47-jährige Mario K. seit seiner Festnahme vor anderthalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, die Bewegungsfähigkeit des gelernten Dachdeckers begutachten. Zusätzlich ordnete das Gericht eine Magnetresonanztomographie (MRT) eines Knies an.
"Es drohte die Amputation"
Die Verteidigung erhofft sich von diesen von ihr beantragten Untersuchungsergebnissen eine erhebliche Entlastung für ihren Mandanten. Dieser habe bei einer Attacke von mehreren Jugendlichen vor einem Schnellrestaurant in Hellersdorf 1997 erhebliche Verletzungen in einem Knie erlitten, sagte Verteidiger Axel Weimann. „Es wurden mehrere Schüsse abgegeben, so dass sogar eine Amputation des Beines erwogen worden war“, sagt er am Rande des 44. Prozesstages. „Seit dieser Zeit ist er körperlich erheblich eingeschränkt.“ Er hätte demnach gar nicht die Überfälle 2011 in Bad Saarow und 2012 in Storkow verüben können.
Frau P. hatte den Angreifer auf ihrem Grundstück in Bad Saarow beispielsweise als „tänzelnd“, der von einem Bein auf das andere gesprungen sei, beschrieben. Auch die vom Investmentbankers Stefan T. geschilderte Entführung am Großen Storkower See im Oktober 2012 erforderte nach den wiedergegebenen Abläufen offenbar einen unversehrten Täter. Schließlich hätte der sich in einem sumpfigen Terrain bewegen müssen, um das gefesselte Entführungsopfer auf eine winzige Schilfinsel zu bringen. Stefan T. konnte sich nach eigenen Angaben 33 Stunden später selbst befreien und die Polizei verständigen.
Der Angeklagte bestreitet seit dem Prozessauftakt im vergangenen Mai jede Tatbeteiligung. „Ich bin der Falsche“, hatte er über seinen Anwalt damals verkünden lassen. Bei der monatelangen Observierung vor seiner Festnahme erwies sich Mario K. aber durchaus als sportlich fit. Auf dem Rennrad legte er damals pro Tag 120 bis 140 Kilometer zurück, was die Polizisten vor erhebliche Probleme stellte. „Radfahren hatte ihm sein Arzt ausdrücklich empfohlen“, sagte Anwalt Weimann. „Das hilft ihm sehr. Nur auf dem Boden kann er nicht schnell laufen oder sich flott bewegen.“
Erhebliche Zweifel der Polizei am geschilderten Ablauf der Entführung
Wie berichtet, hatten auch mehrere Kriminalbeamte in der Sonderkommission erhebliche Zweifel am geschilderten Ablauf der Entführung. Der stellvertretende Soko-Chef Matthias Sch. bekräftigte am Donnerstag noch einmal seine vorherige Aussage, wonach kritische Stimmen von der Führung der Polizeidirektion unterdrückt worden seien. So habe er vergeblich auf eine sofortige rechtsmedizinische Untersuchung des Entführungsopfers gedrängt, um beispielsweise mögliche Verletzungen durch den langen Aufenthalt im kalten Wasser feststellen zu können. Das sei gängige Praxis bei solchen Kapitalverbrechen, aber in diesem Fall nicht erfolgt.
„Ich bin selbst erfahrener Sporttaucher und kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann eine Stunde im kalten Wasser in normaler Kleidung ohne körperliche Schäden übersteht“, meinte der Kriminalbeamte. Er selbst habe sich wie die ganze Soko in der ersten Befragung des Opfers kein Bild vom Zustand des Bankers machen können. „Er saß im Polizeioverall vor uns und hatte die Kapuze auf.“ Schon kurz danach durfte er mit Genehmigung der Polizeiführung zu einem Urlaub nach Mallorca aufbrechen und stand für weitere Befragungen erst einmal nicht zur Verfügung.
Die Fälle, die Zweifel, die Fragen: Eine Chronik zum Maskenmann-Prozess haben wir für Sie erstellt unter diesem Tagesspiegel-Link.