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Brücke ins Nichts: Von hier aus kommt man... äh, leider nirgendwohin.
© Kai-Uwe Heinrich

Berliner Gleisdreieckpark: Macht endlich die Yorckbrücken auf!

Über sieben Brücken würden wir gerne gehen. Aber die Stadt scheitert daran, den Nord- mit dem Südteil des Gleisdreieckparks zu verbinden. Liebe Verwalter: Vergesst die Form, gebt uns Funktion!

Als der Gastrokritiker Wolfram Siebeck 2010 in einem Anfall von Bodenständigkeit das Döner-Grillfleisch-Restaurant Hisar am U-Bahn-Eingang Yorckstraße testete, schrieb er, hier sei „Berlin so charmant wie New York auf den Gruselfotos der Müll- und Drogenszene aus den 80er Jahren“. Für jemanden wie mich, die ich um die Ecke wohne, war das natürlich ein Schlag in die Magengrube. Siebeck konnte nur das Viertel „Hell’s Kitchen“ in Manhattan meinen. Passenderweise eröffnete drei Jahre später an den Yorckbrücken ein Baumarkt namens „Hellweg“. Seitdem leuchtet es rot gegen den Himmel, wenn man abends von der Großgörschenstraße kommend in die Katzlerstraße einbiegt: „Hell ...“ Den Rest der Schrift verdeckt die nächste Häuserreihe.

Ein unverwechselbares Kennzeichen der Hölle ist, dass es keinen Ausweg aus ihr gibt. Und schon gar keine Brücke ins Paradies. Wenn man zugibt, in der Nähe der Yorckstraße zu leben, wird immer höflich gelobt, wie gut man von dort wieder wegkommt: diese Anschlüsse! S-Bahn, U-Bahn, Busse. Und bis zu 75 000 Autos täglich, die durch die düstere Fahrrinne unter dem grandiosen Schrottdenkmal der Yorckbrücken zwischen Schöneberg und Kreuzberg hin- und hersausen. Nördlich dieser Achse liegt der Gleisdreieckpark, den Bahntrassen wiederum in einen West- und Ostteil spalten. 30 historische Brücken verbinden über die Yorckstraße hinweg den Nord- mit dem Südpark. Aber nur eine einzige wurde bisher für Fußgänger und Fahrradfahrer geöffnet, mit Asphaltbelag und Begrenzungszaun.

Was zur Hölle ist da passiert?

Eine weitere Brücke wurde denkmalgerecht saniert, endet aber beiderseits im Nichts. Sie ist das bei Nacht beleuchtete Ausstellungsstück einer Verwaltungslähmung, die schon länger als ein Jahr anhält. 423 000 Euro für die Sanierung einer Brücke, die nun nie mehr benutzt werden kann? Schildbürgerartig führt sie frontal auf die Dachkante eines neu gebauten Bio-Supermarkts zu, dessen Kunden bekanntlich kurze Wege mögen, die man am besten mit dem Fahrrad fährt. Doch damit der Radweg über Brücke und Dach führen könnte, wie eigentlich geplant, müsste hier nun eine Stufe eingebaut werden.

Vier weitere Brücken, die unter Denkmalschutz stehen, sollten eigentlich beide Parkteile verbinden. Sie wurden zur Sanierung ausgebaut, liegen aber seit einem Jahr hinter dem Baumarkt herum wie die entleibten Dinosaurier im Spreewaldpark nach der Abreise des Rummelunternehmers.

Was zur Hölle ist da passiert?

Ein unverwechselbares Kennzeichen der Berliner Verwaltung ist, dass es aus ihr keinen Ausweg gibt. Sie hat sich in ein kostensparendes Patt manövriert: keine Idee, was jetzt kommt. Die Regeln des Denkmalschutzes würden baurechtlich den Regeln der Sicherheit widersprechen, sagen die Verwalter. Man kann die Brücken also nicht sanieren, weil man das Ergebnis nicht nutzen dürfte.

Vom südwestlichen Parkstück kommt keiner in den Norden

In den Jahren, als noch windige Gebrauchtwarenhändler auf dem Gelände des heutigen Baumarkts standen, war das kein Problem. Leicht gelangte man damals auf das verwilderte Gelände. Die Gleisbirken standen im besten Hängemattenabstand, die überwucherten Brücken boten einen Logenplatz mit Blick auf die Yorckstraße. Von unten gesehen liegt der Gleisdreieckpark auf einem Sonnenplateau. Die paar Höhenmeter bringen Instant-Stille, Abendlicht und bald Fliedergeruch. Da liegt die Alm, schon erkennbar aus dem Feinstaubtal – aber vom südwestlichen Parkstück kommt keiner in den Norden.

Wir wollen dorthin! Wir können nicht auf denkmalgerechte Sanierung warten. Es wird Sommer. Vergesst die Form, gebt uns Funktion! Billige Brücken in den Park, die rostigen Teile ins Technikmuseum. Dann gelangen die Leute von einem Grün ins andere. Die elegante Feingliedrigkeit der Brückenstelzen hält sowieso keinem Laster stand, die provisorischen Klumpfüße aus Beton waren immer schon hässlich. Bleibt zu klären, ob das malerische Rostdenkmal effektiver erledigt wird, wenn ein Laster hineinfährt oder wenn sich die Verwaltung selbst ein Bein stellt.

Wolfram Siebeck hat damals das erste Taxi genommen, das er kriegen konnte.

Dieser Text erschien als Rant im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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