Spendenaktion des Tagesspiegel: Mach mal Pause
Ehrenamtliche Helferinnen von "wellcome" betreuen für ein paar Stunden Babys. Die entlasteten Mütter können nun schlafen, ihren Haushalt erledigen oder auch nur zum Frisör gehen. Das Projekt benötigt aber Spendengelder.
Die Maschine hat einen klobigen Motorblock, einen, der nach ziemlich viel PS aussieht, sie hat auch mächtige Breitreifen, und Valentin gibt gerade richtig Vollgas. Es könnte jetzt verdammt gefährlich werden für seine Mutter, sie steht schließlich direkt vor dem Motorrad. Aber es passiert nichts, ein Spielzeug mit drei Rädern heult nicht auf und jagt auch nicht nach vorne. Außerdem hat Valentin, sieben Monate alt, den Gasgriff schon wieder los gelassen. Die Zehen von Petra Budde sind jetzt als Spielzeug spannender.
Die 44-Jährige sitzt in Socken auf dem Boden. Braune Haare, Brille, sympathische Ausstrahlung, sie ist eine ehrenamtliche Helferin von „wellcome“, einem Projekt, das Mütter von Babys entlastet. Vor zehn Minuten ist die ausgebildete Erzieherin in der gemütlichen Wohnung in Charlottenburg angekommen. Sie wird gleich Valentin übernehmen und mit ihm gut zwei Stunden im Kinderwagen durch Westend fahren. Valentins Mutter kann dann ohne Baby die größere Tochter von der Kita abholen und anschließend sogar noch mit ihr im Park spielen. So hat das Mädchen ihre Mama endlich mal ganz für sich, wenigstens zwei Stunden.
Mütter brauchen Kraft für ihre Babys
Monika Behrendt, Valentins Mutter, heißt eigentlich anders. Sie ist alleinerziehend, ihre Familie lebt nicht in Berlin, sie kann Valentin also nicht einfach zu Opa und Oma bringen – und befürchtet berufliche Nachteile, wenn sie mit ihrem echten Namen in der Zeitung steht.
Alleinerziehend, das bedeutet zum Beispiel: Wenn sie eingekauft hat, hängen fünf Tüten an ihrem Fahrrad, weil sie alles in einem Aufwasch erledigen muss. Und sie trägt immer alles allein drei Stockwerke hoch. Kinder und Tüten. „Für mich ist Petra eine enorme Entlastung“, sagt sie.
Ein paar hundert Meter weiter sitzt Cornelia Stahr in einem großen Büro mit ockerfarbenen Wänden und Blick auf den Klausener Platz. Hier hat der Charlottenburger Standort von „wellcome“ seine Zentrale. In jedem Bezirk gibt es ein „wellcome“-Büro, Cornelia Stahr ist für Helferinnen wie Petra Budde zuständig. „Die Idee von ,wellcome’ ist einfach“, sagt Stahr. Sie lautet: „Es muss der Mutter gutgehen, damit es auch den Kindern gutgeht. Mütter brauchen Kraft für das Baby. Aber ausgepowerte Mütter haben nicht genug Kraft für ihre Babys.“
Manche Mütter wollen nur mal ein wenig schlafen
Die Mütter, die sich bei Cornelia Stahr melden, sehnen sich meist nach einer Pause. Nach zwei, drei Stunden, in denen sie ihren Haushalt erledigen, zum Sport gehen oder Behördenkram erledigen können. Oder in denen sie sich einfach nur hinlegen. Es gab die Russin, die in dieser Zeit ihre Mutter in Russland anrief. Es gab die Frau, die ihrer Helferin eine Stunde lang ihre Sorgen schilderte. „Manche wollen einfach auch nur mit jemand anderem als der eigenen Mutter oder dem Partner reden“, sagt Cornelia Stahr.
Wenn sie überhaupt Mutter oder Partner zum Reden haben. Ein Drittel aller Frauen, die sich bei Stahr melden, sind alleinerziehend. Und viele sind zugezogen, Oma und Opa, die ihnen das Baby abnehmen könnten, leben nicht in der Nähe. „Melden kann sich jeder“, sagt Cornelia Stahr. Ein bis zwei Anrufe pro Woche erhält sie. Ausnahmslos Frauen.
Es ist Donnerstagnachmittag, Valentin liegt jetzt im Kinderwagen, beobachtet interessiert die kahlen Äste der Bäume, und Petra Budde redet über Glücksgefühle. „Ich sehe wie dankbar Mütter sind, wenn ich sie entlaste. Und ich bin froh, dass ich einem kleinen Menschen etwas mitgeben kann. Es ist eine Freude zu sehen, was in so einem kleinen Menschen steckt.“ Und dann redet sie von der Dankbarkeit der Mütter. Von ihren warmen Blicken, vom Blumenstrauß, den sie erhielt. Und von den Erinnerungen an die Kinder, an die besonderen und die kleinen Momente, die für sie Lohn und Anerkennung sind: „Ich habe tolle Bilder gespeichert.“
Helfer sorgen nicht für Bespaßung
Sie ist seit 2012 bei „wellcome“, Valentin ist das fünfte Kind, das sie betreut. Sie hat beobachtet, wie er auf einer Wiese fasziniert Steine und Käfer fühlte. Sie hat gesehen, wie interessiert er das Kastanienblatt beobachtete, das auf seinen Kinderwagen segelte. Sie lässt das Kind die Umwelt entdecken, sie beobachtet dessen Neugier, sie passt auf, aber sie gestaltet nicht. „Ich bin nicht die Bespaßungstante“, sagt sie. Vor allem ist sie keine professionelle Helferin für den Haushalt. Dafür gibt es spezielle Pflegedienste. „Wellcome“-Helferinnen“ sind Ehrenamtler.
Und sie müssen ihre Rolle kennen. Sie sollen keine Ratschläge zur Kindererziehung geben, sie sollen auch kein Unterhaltungsprogramm ausarbeiten. „Ich genieße den Freiraum, den ich habe“, sagt Petra Budde. „Aber der orientiert sich immer an den Bedürfnissen des Kindes.“
Erst mal aber muss sich die Helferin an den Bedürfnissen der Mutter orientieren. „Viele Mütter haben Bedenken, ihre Babys Fremden zu geben“, sagt Cornelia Stahr. Deshalb müssen sie sich vertrauen, Helferin und Mutter. Die Helferin braucht keine Anweisungen bis ins letzte Detail, die Mutter muss spüren, dass die andere gut mit ihrem Kind umgeht
Das erste Treffen hat deshalb auch Testcharakter, Mutter und Helferin lernen sich kennen. „Es ist selten, dass es nicht passt“, sagt Cornelia Stahr. Ihr Büro ist die erste Kontrollinstanz. Hier redet sie eine Stunde mit Menschen, die sich als Helfer melden. Helferinnen, genau gesagt. Männer sind die absolute Ausnahme. Weiß die Bewerberin, wie man ein Baby richtig trägt, wie man es beruhigt? Die üblichen Fragen, letztlich ist es auch Bauchgefühl. Cornelia Stahr muss spüren, ob jemand geeignet ist.
Büro und Fortbildungen für Ehrenamtler kosten Geld
13 Helferinnen sind für sie im Einsatz, sie sind zwischen 20 und 70 Jahre alt, viele sind halbtags berufstätig, einige haben selber Kinder. Drei bis vier Monate lang betreuen sie in der Regel ein Baby, einmal pro Woche, zu festen Zeiten. Älter als ein Jahr ist kein Kind.
Aber das alles kostet Geld. Büro, Fortbildungen für Ehrenamtler, ihre Versicherungen, aber auch kleine Ausflüge für die Helferinnen, als Dankeschön, das alles muss bezahlt werden. Rund 10 000 Euro benötigt der Standort Charlottenburg von „Wellcome“ pro Jahr. Deshalb bittet Cornelia Stahr um Spenden.
Valentin ist mit dem zufrieden, was vor seiner Nase hängt. Er ist im Kinderwagen nun am Branitzer Platz angekommen. Seine Knopfaugen fixieren den grünen Hund, der an einer Querstange des Kinderwagens baumelt. Dann drückt er die Schlappohren.
Spenden bitte an: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse, BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42. Namen und Anschrift bitte für den Spendenbeleg auf der Überweisung notieren. Im Internet: www.tagesspiegel.de/spendenaktion.
Frank Bachner