Festival im Berliner Olympiapark: Lollapalooza: Hier geht am Wochenende die Mucke ab
Zwei Tage, 63 Konzerte, Zehntausende Fans: Im Berliner Olympiapark läuft an diesem Wochenende das Lollapalooza-Festival. Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Wird eine große Sause, da draußen in Westend: Das Musikfestival Lollapalooza lädt am Sonnabend und Sonntag in den Olympiapark. Eines der größten Festivals der Welt – nicht irgendwo auf der Wiese im kargen Niemandsland zwischen einsamen Landstraßen, sondern in Berlin. Hier gab es zwar in den Vorjahren viel Knatsch, allerdings gehört das bekanntlich längst zur städtischen Folklore (und gehört seit Samstagmorgen auch zum Kapitel Maifeld - dort gab es viele Beschwerden wegen des Lärms). Ein Überblick in sechs Kapiteln.
Der Ort: voll oder leer?
Passend zur Debatte um den Stadionneubau von Hertha BSC (Manager Michael Preetz: „Das Olympiastadion ist uns zu groß“) haben die Festivalmacher mal eben den Zentralschlüssel für die Schüssel übernommen. Ihre offizielle Erwartung: „Wir erwarten pro Tag 70.000 Leute.“ Auf dem Festivalgelände selbst nennen Leute aus dem Organisationskreis geringere Zahlen, aber wenn das Wetter mitspielt, die Laune gut ist, legt vielleicht der eine oder andere noch 79 Euro auf den Kassentisch – so viel kosten die Tageskarte nämlich.
Allerdings, das Gelände ist nicht nur für Hertha ziemlich groß: 70.000 Leute würden sich auf dem Festivalgelände nicht auf den Füßen stehen, sondern hätten immer noch ordentlich Platz für ein zünftiges Luftgitarrensolo, ohne andere mit den herumfliegenden Armen zu verletzten. Das Maifeld selbst fasst mehr als 100.000 Leute (zwei Bühnen), ins Olympiastadion (eine Bühne) passen auch nicht gerade wenige Menschen. Und die vierte Bühne ist auf den Wiesen vor dem Stadion zu finden, wo sich bei Hertha in der Halbzeitpause auch problemlos Zehntausende Menschen tummeln. Die VIPs wiederum haben eigene Logen für sich und nutzen die versteckten Räume im Bauch des Stadions, hinter Glas. Kurzum: Die Massen dürften sich schön verteilen.
Von oben herab? Schön wär's!
Den besten Blick hätte man eigentlich vom wunderbaren Glockenturm nebenan. Der ist gut 77 Meter hoch und nicht so überfüllt wie andere Türme der Stadt, bietet aber eine grandiose Aussicht auf die Senke der Havel, die Wälder und eben das Maifeld. Nur leider ist der Turm mal wieder gesperrt. Diesmal wird aber nicht etwa ein Film gedreht (wie neulich die neue Netflix-Serie „Dark“), sondern „während des Festivals dient der Glockenturm als Backstage-Bereich und ist an den beiden Tagen für die Öffentlichkeit nicht zugänglich“, teilen die Turmbetreiber mit. Danach hat man bis zum 31. Oktober aber wieder die Chance – der Turm ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.
Auf gute Nachbarschaft
Im Kiez geht seit Monaten die Frage um, was da genau auf die Nachbarn zukommt. Deshalb die Kiezfakten: Ja, die Toiletten rund ums Stadion werden wie bei Hertha alle geöffnet sein (ob sie genutzt werden, ist eine andere Frage). Und das mit dem Lärm ist auch gesetzlich geregelt: Am Sonnabend darf wegen einer Ausnahmegenehmigung bis 23 Uhr Musik gespielt werden. Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) für den Senat: „Eine achtstündige Nachtruhe ist gewährleistet, weil auf die verschobene Nachtzeit ein arbeitsfreier Tag folgt.“ Am Sonntag ist um 22 Uhr Schluss.
Die Historie
Nicht nur die Geschichte des Lollapalooza ist unterhaltsam (siehe unten), auch das Maifeld selbst steckt voller Geschichte und Geschichten. Errichtet für Propagandaaufmärsche der Nazis – übrigens für 250.000 Leute, allerdings sind die Tribünen holprig und undicht –, war das Gelände seit dem Krieg Hauptquartier der britischen Armee. Es sollte im Kalten Krieg im Angriffsfall übrigens als möglicher letzter Rückzugsort gehalten werden – denn ringsherum gibt es Schluchten und Brücken, die so leicht nicht zu überwinden gewesen wären. Veranstaltungsort war das Maifeld auch, die Älteren werden sich erinnern: Ob Queen-Parade, Cricket, Tina Turner, Genesis oder Pink Floyd – zu deren Konzert 1994 kamen 100.000 Leute allein aufs Maifeld. Das nur mal so zur Relation zu den Lollapalooza-Massen.
An- und Abreise
Müsste, dürfte, sollte viel entspannter werden als im letzten Jahr, als Zehntausende Besucher zum kleinen Vorort- Bahnsteig in Hoppegarten drängten und feststellen mussten, wie klein so eine S-Bahn sein kann – gab ein großes Chaos. Jetzt also der S-Bahnhof Olympiastadion: zehn Gleise – neun in die Innenstadt (und einer raus nach Spandau). Die S-Bahn hat schon Zusatzzüge angekündigt, abends sollen die S-Bahnen im Dreieinhalb-Minuten-Takt vom Stadion nach Charlottenburg rollen.
Und die U-Bahn gibt es ja auch noch. Auf eine Anfrage von Andreas Statzkowski (CDU) im Abgeordnetenhaus hat die BVG die Beispielkapazitäten anhand eines Fußballspiels aufgelistet: „Nach Einschätzung der BVG wird der überwiegende Teil der Fahrgäste nicht mit der U-Bahn, sondern mit der S-Bahn befördert. Erfahrungsgemäß besuchen zwischen 35.000 und 73.000 Zuschauer ein Fußballspiel. Nach Spielende haben die Zuschauer (je nach Anzahl) in 45 Minuten bis drei Stunden den U-Bahnhof verlassen. Pro Stunde können beim Fünf-Minuten-Takt ca. 8400 Fahrgäste, beim Vier-Minuten-Takt etwa 10.500 Fahrgäste befördert werden.“
Die S-Bahn kann 40.000 Leute pro Stunde wegkarren. Abgefahren. Ein kombiniertes BVG-Festivalticket gibt es auch diesmal nicht – viele Berliner haben allerdings eh ein Ticket. Die anderen werden sich brav in die Schlange stellen und ihr Kleingeld in den Automaten stecken, ganz sicher!
Irgendwas vergessen?
Ach ja, die Musik: The Weekend, Kraftwerk, Casper, The National, Liam Gallagher und viele andere wie auch K.I.Z, die mit dem AB-Ticket und der U-Bahn anreisen können: Die Pöbel-Rapper (übrigens vom Französischen Gymnasium) kommen aus Kreuzberg. Los geht es am Sonnabend um 11 Uhr mit den ersten Konzerten – im „Weingarten“. Noch so eine kleine Bühne, die quasi oberhalb des Olympiabades aufgebaut wird. Das soll übrigens kein PR-Klamauk sein, sondern wirklich ein Rückzugsort mit Musik: „Lasst euch mit erlesenen Weinen nationaler Winzer anregen.“
So ein Lollapalooza-Festival ist halt kein Kindergarten – auch wenn der nicht vergessen werden darf: „Kidzapalooza“ bietet Kinderwagenstellplatz, Wickeltische und – genau! – Lärmschutzkopfhörer. Womit wir wieder beim Anfang sind: Musik an.
Und hier noch ein bisschen Festivalwissen für Angeber:
Auf nach Chicago!
Die Historie des Musikfestivals Lollapalooza ist gar nicht mal so lang, sie reicht ins Jahr 1991, als alles in den USA begann. Der Druchbruch allerdings gelang erst 2005, als des Festival in Chicago eine feste Heimat fand. Seit 2015 wiederum hat es einen Ableger in Europa, konkret: Berlin.
Auf nach Tempelhof!
Los ging alles im September 2015 in Berlin auf dem geschlossenen Innenstadtflughafen Tempelhof. Der galt damals als lässigste und angesagteste Location der Stadt – und doch blieb es bei dem einjährigen Gastspiel, denn die Hangars wurden in anderer Angelegenheit benötigt. Tausende Flüchtlinge sollten dort ein Dach über ihrem Bett finden. Party daneben? Eher nicht.
Auf nach Treptow!
Die muntere Odyssee durch die Stadt begann. 2016 nutzte das Festival den Treptower Park, was wiederum die Schützer von Lora und Fauna doof fanden und auch so manche Anwohner. Und dann meldeten sich auch noch die Botschafter von zehn ehemaligen Sowjetrepubliken, die an das Ehrenmal erinnerten („absolut unangemessen und inakzeptabel sowie störend für die Ehre und das Andenken an die Gefallenen.“)
Auf nach Hoppegarten!
Irgendwer kam aus irgendwelchen Gründen dann auf die steile Idee, 80.000 Leute mit der S-Bahn ins Grüne zu schicken. Und weil auch noch die einzige Straße wegen einer Hells-Angels-Demo blockiert war, kam es zum Chaos. Zusammenbrüche auf dem Bahnsteig, stundenlange Reisen, Wut auf die Veranstalter. Party dort? Lieber nicht!
Auf zum Maifeld!
Und so fiel die Entscheidung, das Festival 2018 lieber aufs bewährte Maifeld und ins Olympiastadion zu schicken. Der S-Bahnhof ist groß genug, das sollten die Veranstalter hinkriegen (auch wenn bei der Organisation im Stadion so manche Beteiligten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben). Und wie lange läuft der Vertrag fürs Maifeld, wollte Andreas Statzkowski, CDU, neulich wissen. „Die Rahmenvereinbarung ist für die Jahre 2018 und 2019 abgeschlossen.“ Heißt noch nichts. Party? Abwarten.