Openair-Lab abgesagt: Linksextremisten vertreiben Guggenheim aus Kreuzberg
Die New Yorker Guggenheim-Stiftung sagt einen in Kreuzberg geplanten Openair-Lab nach Drohungen ab. „Diese Chaoten sind ein Standortrisiko für Berlin“, sagte Innensenator Henkel.
Das „BMW Guggenheim Lab“ ist gescheitert – zumindest in Kreuzberg. Zum ersten Mal kapituliert damit ein renommiertes Projekt vor den Protesten von Linksextremisten. Die New Yorker Guggenheim-Stiftung bestätigte am Montagabend ihre Entscheidung gegen den Standort Kreuzberg. Noch unklar ist, ob es noch möglich und sinnvoll ist, einen alternativen Standort in Prenzlauer Berg zu suchen. Hintergrund der Absage sind die zahlreichen Gewaltandrohungen der linken Szene gegen das Lab. Im Internet haben Aktivisten bereits mehrfach dazu aufgerufen, das Projekt zu „verhindern“. Auf einer der letzten Brachgrundstücke am Kreuzberger Spreeufer, Schlesische Straße/Ecke Cuvrystraße, sollte vom 24. Mai bis zum 29. Juli in einem temporären Bau ein Mix aus urbaner Ideenschmiede, Forschungslabor und Diskussionsforum entstehen.
Das Landeskriminalamt hat Ende der vergangenen Woche die Gefahren abgeschätzt, die dem Projekt drohen. In der Analyse heißt es, dass Sachbeschädigungen zu erwarten seien, falls die Organisatoren nicht für einen ständigen Wachschutz sorgen würden. Zudem sei zu befürchten, dass Aktivisten Veranstaltungen stören könnten. Im Lab sollten „Lösungsvorschläge für die Zukunft von Metropolen“ entwickelt werden. Geplant sind neun Standorte weltweit in sechs Jahren, nach dem Stopp in Berlin sollte die Reise für das Lab in das indische Mumbai weitergehen.
Der linksextremen Szene passt die Art der Ideensuche, die in dem Lab betrieben werden sollte, nicht. In einem Aufruf heißt es: „Für den Kiez bedeutet das geplante Lab eine weitere Aufwertung und eine Beschleunigung der ohnehin schon rasanten Mietsteigerungs- und Verdrängungsspirale. BMW hofft auf einen fetten Image-Zugewinn, und der Grundstückseigentümer natürlich auf eine schöne Wertsteigerung seines Grundstückes, auf dem in nicht so ferner Zukunft Luxuswohnungen entstehen sollen.“ Mittlerweile gibt es eine eigene Internetseite der Gegner.
Das Grundstück direkt an der Spree steht seit Jahren im Fokus linker Aktivisten. Schon im Juni 2010 war die Brache im Anschluss an eine Demonstration von Mediaspree-Gegnern besetzt worden. Anfang März hatten Aktivisten die erste Veranstaltung des Labs mit Kreuzberger Anwohnern massiv gestört. Bürgermeister Schulz sprach von einem „sehr konfliktbeladenen“ Abend.
Zwei Motive sah der polizeiliche Staatsschutz für mögliche Attacken auf das Lab: Zum einen sehe die linke Szene das Projekt als Beispiel für Gentrifizierung, also für eine Verdrängung sozial schwacher Mieter. Dem BMW-Konzern wird außerdem vorgeworfen, im Zweiten Weltkrieg Rüstungsgüter hergestellt und die Zwangsarbeiter, die dabei eingesetzt wurden, bis heute nicht ausreichend entschädigt zu haben. Zuletzt hatte die Polizei in der vergangenen Woche Kontakt mit den Organisatoren.
Henkel: "Chaoten sind Standortrisiko für Berlin"
Innensenator Frank Henkel (CDU) nannte den möglichen völligen Rückzug einen „Verlust für Berlin“. Es sei „beunruhigend“, aus welchen Gründen das Projekt in Kreuzberg abgesagt sei: „Diese Chaoten sind ein Standortrisiko für Berlin“. Auch Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) bedauert das mögliche Aus: „Das Lab ist ein Gewinn für die Stadt“, sagt er – gerade weil dort auch kritische Stimmen beim Thema Stadtentwicklung einbezogen werden sollten. Schulz sprach von einem „Einknicken“ vor Gewalttätern, dies sei „falsch“. Ende dieser Woche hätte der Aufbau des Labs beginnen sollen. Ob das Projekt in Berlin komplett scheitert oder ob ein Standort in Prenzlauer Berg gefunden wird, ist noch unklar.
Schon im vergangenen Jahr waren zwei Standorte in Prenzlauer Berg für das Lab im Gespräch: entweder das Pfefferberg-Areal oder ein Grundstück an der Kastanienallee. Im Januar dieses Jahres hatte ein Sprecher von BMW die Verlegung nach Kreuzberg damit begründet, dass dort mehr Platz sei. Kreuzberg biete „die ideale Basis zur Entwicklung von Programmen, Workshops und anderen Veranstaltungen“. Dem Vernehmen nach ist Guggenheim als jüdische Stiftung besonders sensibel gegenüber Störungen, egal ob sie aus der rechten oder der linken Szene stammen. Dies soll die Entscheidung beeinflusst haben. Die erste Station des Labs war New York – und auch dort gab es heftige Proteste.
Immer wieder hatte es auch in Berlin in den vergangenen Jahren Angriffe auf Bauprojekte gegeben. Vor allem die O2-World an der Spree in Friedrichshain ist ständig Ziel von politisch motivierten Sachbeschädigungen. Die Eröffnung der Sporthalle im September 2008 musste von mehreren Hundertschaften der Polizei geschützt werden.
Aktuell berät das Landeskriminalamt auch den Autokonzern Daimler, der neben der O2-Halle seine neue Vertriebszentrale bauen will. Ein erstes Gespräch zum Thema Sicherheit habe es schon gegeben, hieß es im Präsidium. Heftigen Anfeindungen war im Jahr 2007 auch McDonald’s ausgesetzt, weil die Restaurantkette in Kreuzberg eine Filiale eröffnete. Kaum noch zu zählen sind die Attacken mit Farbbeuteln, Steinen oder Brandsätzen auf Neubauten, wie beispielsweise auf das „Carloft“ in der Reichenberger Straße, ein Luxus-Wohnprojekt.
Das Lab-Grundstück an der Spree gehört dem Münchener Unternehmen „Ritter – Finest Real Estate“. Es plant dort nach eigenen Angaben Wohnungen, Einzelhandel und Büros. Gentrifizierungsgegner sprechen von einem „Kommerz-Scheiß-Luxus-Projekt“ an der Cuvrystraße. Das Grundstück ist zwar eingezäunt, wird aber gerne zum Feiern, Trinken und Abhängen genutzt.
Jörn Hasselmann, Tanja Buntrock
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