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Die fragwürdige Razzia fand auf Betreiben des Zolls statt. Die Clubbetreiber sagen, sie seien von der Polizei drangsaliert worden.
© Kai-Uwe Heinrich

„Mensch Meier“ in Prenzlauer Berg: Linksalternativer Club verklagt den Zoll

Ende März wollten Zollbeamte den Club „Mensch Meier“ kontrollieren. Der Einsatz eskalierte, die Berliner Polizei stürmte mit einer Hundertschaft.

Am Wochenende wird hier, auf einem kleinen Industriegelände an der Storkower Straße gleich hinter dem S-Bahn-Ring, wild gefeiert. Der Alltag, die Sorgen bleiben vor den Türen des „Mensch Meier“ – zumindest gilt das für die meisten Besucher des linksalternativen Clubs, der vor allem wegen seiner Technonächte, Soli-Events etwa für Geflüchtete und die Aftershowpartys der gefeierten Punkband Feine Sahne Fischfilet bekannt ist.

Die Feierlaune des etwa 100-köpfigen, basisdemokratisch organisierten Kollektivs hinter dem „Mensch Meier“ ist jedoch seit einiger Zeit getrübt. Nun klagen sie – gegen die Bundesrepublik Deutschland. Genauer: gegen das Hauptzollamt Berlin.

Hintergrund ist eine Razzia, die am 30. März in dem niedrigen Gebäudekomplex aus DDR-Zeiten stattfand. Die Razzia fand am Abend nach einer Demonstration für Seenotrettung statt, Besucher waren noch nicht vor Ort, sondern Clubmitarbeiter und Mitglieder der Initiative „SeaWatch and Friends“, die eine Diskussion veranstalten wollten. Aber dann standen die Beamten vor der Tür.

Die Clubbetreiber glauben, dass der Einsatz rechtswidrig war. In der Klageschrift, die dem Tagesspiegel vorliegt, wird dem Hauptzollamt vorgeworfen, keinen richterlichen Durchsuchungsbeschluss gehabt zu haben und mithilfe der Polizei unverhältnismäßig hart vorgegangen zu sein. Ein Gerichtstermin ist noch nicht bekannt.

Grund für die Durchsuchung war ein anonymer Tipp, im Club gebe es Schwarzarbeit, außerdem würde unversteuerter Alkohol verkauft. Den Tipp hatte die Arbeits- und Sozialverwaltung des Senats erhalten und bereits im Februar 2018 an das Hauptzollamt weitergeleitet. Dieser Hinweis, heißt es in der Klageschrift, sei unzutreffend gewesen.

Sechs Polizisten mussten ins Krankenhaus

An der Durchsuchung waren 16 Zollbeamte und 24 Kräfte einer Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei beteiligt. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Abgeordneten Caren Lay (Linke) aus dem April hervor. Polizeipräsidentin Barbara Slowik musste sich im April für den Einsatz vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses rechtfertigen und kündigte eine interne Aufarbeitung an. Dazu, so heißt es aus der Pressestelle der Polizei Berlin, lägen allerdings noch keine weiteren Erkenntnisse vor.

Die Darstellungen von Polizei und Veranstaltern über den Ablauf des Abends unterscheiden sich stark. Die Polizei berichtete, dass ein Türsteher Pfefferspray auf Beamte gesprüht habe, als diese versuchten, die Tür des Clubs zu öffnen. Sie war von innen zugezogen.

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Insgesamt sechs Polizisten seien zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus geschickt worden. Der 42-jährige Türsteher und eine weitere Mitarbeiterin wurden vorläufig festgenommen. Neben der leeren Reizgaskartusche soll der Türsteher auch einen Teleskopschlagstock mit sich geführt haben. Der Mann soll bereits polizeibekannt gewesen sein.

Anders klingt die Version der Veranstalterinnen und Veranstalter: Ohne sich zu erkennen gegeben zu haben seien in Zivil gekleidete Zollbeamte vor der Tür des Clubs erschienen. Im Inneren des Clubs, so steht es in der Klageschrift, sei man von einem Überfall durch Rechtsextreme ausgegangen, weswegen ein Türsteher die Tür zugezogen habe.

Im Club dachte man, es seien Rechtsextreme

Daraufhin sei die Polizei in die Räume eingedrungen, Dienstausweise habe sie nicht gezeigt. In der Antwort des Bundesministeriums steht hingegen, die Polizei habe sich bereits vor der Tür lautstark zu erkennen gegeben. Dass die Zollbeamten zu Anfang in Zivil erschienen, bestätigt das Ministerium.

„Später meinten die Beamten zu uns, sie bräuchten keinen Durchsuchungsbeschluss, obwohl das für die Suche nach unversteuertem Alkohol nicht stimmt“, sagte ein Sprecher des Kollektivs zum Tagesspiegel. Seinen Namen möchte er nicht öffentlich nennen. Er betont, man sei kooperativ gewesen, sobald klar war, dass es kein Überfall war.

Ein Schaden von 6000 Euro ist entstanden

Trotzdem seien die Anwesenden etwa eine Dreiviertelstunde lang festgehalten worden, auf einzelne Personen seien Dienstwaffen gerichtet worden. „Ein Polizist hat sich mir gegenüber als Einsatzleitung ausgegeben, obwohl sich später herausstellte, dass er das nicht war“, sagt der Sprecher. Beamte hätten Anwesenden Toilettengänge und Telefonate mit einem Anwalt verweigert.

Während die Büroräume durchsucht wurden, sollen Schäden an Türen und Möbeln im Wert von 6000 Euro entstanden sein. Bevor die Clubmacher Klage einreichten, sei ihnen die Akteneinsicht zur Durchsuchung verweigert worden. „Wir hoffen, das Gericht stellt fest, dass man mit Menschen so nicht umgehen kann“, sagt der Sprecher.

In den Räumen des Clubs geht die Party derweil weiter. Und auch Feine Sahne Fischfilet – die sich mit mehreren Liedtexten nicht gerade als Polizeifreunde geoutet haben – wollen am 23. August nach ihrem Auftritt in der Zitadelle Spandau wieder hier feiern.

Anima Müller

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