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Nicht nur der Raps blüht in diesem Jahr etwas später, weil es kühler ist als sonst. Der Natur tut das wechselhafte Wetter gut.
© Patrick Pleul/dpa/ZB

Kühles Wetter in Berlin und Brandenburg: Lichtblick am Pfingstmontag – und ein Segen für die Natur

Der Frühling ist ungewöhnlich kalt und bleibt auch so – mit einer schönen Ausnahme. Gärtner und Naturfreunde können froh sein über dieses Wetter.

Das Pfingstwochenende hat mit einer Ladung Hagel begonnen, auf die ein Sturm folgte, wie ihn mancher Herbst nicht zustande bringt. Einerseits ist dieses Wetter die konsequente Fortsetzung des Frühlings 2021, der im Februar mit plötzlichen 20 Grad vorzeitig erwacht war und danach in ein Koma fiel, aus dem er nicht mehr zu erwachen scheint. Ist das noch normal, ja, ist es gar die Normalisierung der Verhältnisse nach drei aufeinanderfolgenden Rekordjahren? Und wie bekommt dieses Wetter der von Dürre und Hitze gestressten Natur?

Die erste Frage beantwortet Frank Brennecke, Meteorologe bei der „Wettermanufaktur“ in Tempelhof. „Man glaubt gar nicht, wie viele Taubenzüchtervereine es in Deutschland gibt“, sagt er zur Begrüßung am Telefon. Diesen Vereinen als Kunden des Wetterdienstes hat er gerade empfohlen, ihr Geflügel bis Sonntag am Boden zu lassen: Der Sturm sei dann zwar durch, aber ein paar ruppige Schauerböen bei höchstens 16 Grad könne es weiterhin geben.

Der Pfingstmontag werde dann „der Sahnetag“ mit weiterhin windigen, aber meist sonnigen 21 Grad. Die Tage danach würden wieder durchwachsener und mit höchstens 16 Grad viel zu kühl für Ende Mai. Normal wären jetzt Höchsttemperaturen um 22 Grad.

In den vergangenen Jahren waren es oft eher 30 Grad, verbunden mit Trockenheit schon seit April. Entsprechend üppig zurzeit die Wiesen, die in den Vorjahren schon kurz nach dem Start mitsamt den Frühblühern verdorrt waren. „Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun’ und Fass“, sagt eine Bauernregel, die Sven Wachtmann klar bestätigt. Der Fachberater beim Landesverband der Gartenfreunde sagt, der Oberboden sei endlich wieder gut durchfeuchtet, wovon Gärten und Parks profitieren. Und Hobbygärtner, deren Neupflanzungen nicht gleich gebraten werden. Die Chance sollten sie nutzen, sagt Wachtmann: blühende Sträucher düngen, Rasen vertikutieren, kleine und auch größere Gehölze pflanzen – all das biete sich jetzt noch an.

Der Nachtfrost Ende April wird die Ernte wohl dezimieren

Ungünstig für Gärtner und Obstbauern sei nur der Nachtfrost Ende April gewesen, der die Ernte wohl dezimieren werde. Außerdem gedeihen bei feuchtem Wetter Pilze wie Mehltau und Monilia, die die Triebe von Rosen und Kirschbäumen einschließlich Früchten ruinieren.

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Dass die Natur insgesamt später dran ist als in den Vorjahren, kommt auch den Lieblingsbäumen vieler Berliner entgegen: Die Entwicklung der Kastanienminiermotten begann nach Auskunft von Derk Ehlert, Naturexperte der Berliner Umweltverwaltung, später als sonst – was ein echter Vorteil sei, denn vom Start der ersten Generation hänge die ganze Saison ab, die meist lang genug für drei Generationen sei. Nach wie vor gelte aber, dass die Beseitigung des alten Laubes am wichtigsten sei, um den Befall der Bäume zu bremsen.

Den Bienen ist es in diesem Frühjahr teilweise zu kühl, aber dafür sind die Hummeln umso aktiver.
Den Bienen ist es in diesem Frühjahr teilweise zu kühl, aber dafür sind die Hummeln umso aktiver.
© Patrick Pleul/dpa

Auch die Eichenprozessionsspinner, die nicht nur den Bäumen zusetzen, sondern wegen ihrer hochallergenen Härchen auch Menschen plagen, sind nach Auskunft von Ehlert etwa zwei Wochen später dran als sonst. Und fast alle Baumarten könnten zurzeit gut wachsen, weil ihnen Trockenstress wie in den Vorjahren erspart bleibe. Für Straßenbäume an ihren oft ungünstigen Standorten gilt das erst recht.

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Das enorme Regendefizit – summiert über die vergangenen drei Jahre fehlen zum langjährigen Mittel mehr als 400 Liter pro Quadratmeter – ist allerdings kaum geringer geworden: 2021 ist in Berlin und Brandenburg beim Niederschlag bisher etwa ausgeglichen. Die tieferen Bodenschichten sind vor allem in Havelland und Lausitz noch immer extrem trocken. Und neues Grundwasser bildet sich nach Erfahrung der Berliner Wasserbetriebe selbst bei längerem Regen fast nur im Winter, weil sonst die Vegetation alles aufnimmt.

Für großen Landregen, wie er seit einigen Jahren in der Region praktisch nicht mehr vorkommt, ziehen die vielen Atlantiktiefs nach Auskunft des Meteorologen Frank Brennecke etwas zu weit nördlich durch. Aber insgesamt hätten sich die Wetterverhältnisse seit dem Winter normalisiert – also etwa so zurechtgeruckelt, wie sie seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert üblich waren. Bis weit in den Juni hinein sei keine Hitzewelle in Sicht. Und danach? Ist alles offen.

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