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Wer weiß was? Die Quereinsteiger werden knapp. Daher muss Berlin andere Wege beschreiten, um den Unterricht abzusichern.
© Daniel Karmann/dpa

Schulen in der Hauptstadt: Lehrermangel in Berlin: Heute ist der Tag der Entscheidung

Berlins Bildungssenatorin Scheeres will an diesem Montag Notmaßnahmen für die Besetzung von Lehrerstellen verkünden. Die Personalkrise beschäftigt die rot-rot-grüne Koalition.

Es wird schwierig, alle Stellen zum neuen Schuljahr zu besetzen“ – so lautete kürzlich die alarmierende Ansage von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gegenüber dem Tagesspiegel. Seither kursieren unterschiedlichste Vorschläge, wie denn die Lücken gestopft werden könnten. Die Grünen teilten am Sonntag auf Anfrage mit, dass sie das Thema für den Koalitionsausschuss am Mittwoch angemeldet haben. Dabei werde es auch um den Fachkräftemangel im Bereich der Erzieher und der Sozialarbeit gehen. „Wir brauchen eine Fachkräfteoffensive, damit es keine Bildungskrise gibt“, begründete die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Marianne Burkert-Eulitz, die Initiative in Sachen Koalitionsausschuss.

Sprachlernassistenten als Teil der Lösung

An diesem Montag will Scheeres bekannt geben, welche der bereits angedachten Notmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Es zeichnet sich bereits ab, dass sie auch auf so genannte Sprachlernassistenten setzen wird, um den Lehrermangel teilweise zu kompensieren: Die Sprachlernassistenten, die es so in der Berliner Schule bislang noch gar nicht gibt, müssen – anders als Lehrer – keinen Master, sondern nur einen Bachelor vorweisen. Die Personalräte haben bereits ihre Bedenken angemeldet.

Hingegen sagte Marianne Burkert-Eulitz, die Grünen seien "sehr offen dafür, neue Wege für die Gewinnung neuer Fachkräfte zu gehen". Es dürfe aber "keine Abstriche bei der Qualität wie das Streichen von Förderstunden geben". Wie berichtet plädieren die Grünem unter anderem dafür, den Quereinstieg über die Mangelfächer hinaus zu öffnen.

Eine angreifbare "Giftliste"

Einige Notmaßnahmen stehen schon fest – darunter wie berichtet der forcierte Einsatz von Studenten und Pensionären. Zudem werden etliche Lehrer in den Unterricht zurückgeholt, die bisher für andere Aufgaben freigestellt sind. Die genaue Zahl der Stellen, die auf diese Weise generiert werden könnten, ist strittig, was auch damit zu tun haben könnte, dass die Bildungsverwaltung bei der Erstellung der sogenannten Giftliste offenbar schlecht beraten war: Dies zeigte sich bereits beim Vorhaben, die gerade erst ausgebaute Zusammenarbeit zwischen Schulen und Hochschulen bei der Lehrerbildung zu schwächen. Auch der Plan, den Staatlichen Europaschulen Berlin (SESB) 200 Lehrerstunden wegzunehmen, erwies sich inzwischen als wenig fundiert und brachte die rund 32 betroffenen Schulleiter aus der Fassung.

Die Europaschulen sollen Lehrerstellen abgeben

Denn die genannten 200 finanzierten Stunden werden für unerlässliche Aufgaben genutzt. So entwickeln die betreffenden Lehrer die Prüfungsaufgaben für den Mittleren Schulabschluss und das Abitur, da es für Sprachen wie Polnisch und Griechisch keine zentralen Aufgaben gibt. Zudem kümmern sich diese Lehrkräfte um die Einschulungstests, denn es muss für jedes Kind nachgewiesen werden, dass es entweder Deutsch oder die jeweilige Partnersprache – darunter etwa Englisch, Türkisch, Französisch oder auch Spanisch – auf dem „Muttersprachlerniveau“ spricht.

Auch der Einsatz von Teilungsunterricht, Sprachförderstunden oder Exkursionen, Projekte und Wettbewerbe sowie Schüler-Austausch auf europäischer Ebene müssen koordiniert werden, was bei 32 Grund- und Oberschulen nicht nebenbei zu schaffen sei, betonen die Schulen. Zumal es auch Daueraufgaben gibt wie die Zusammenarbeit zwischen Klassen der SESB und den Regelklassen an den jeweiligen Schulen.

Der Staatssekretär kündigte Engegenkommen an

Ganz abgesehen davon steht nicht nur die Sicherung, sondern sogar der Ausbau der SESB im Koalitionsvertrag, was den Kürzungen ebenfalls entgegensteht. Bei einer im Mai von der CDU-Fraktion durchgesetzten Anhörung im Abgeordnetenhaus kamen alle genannten Probleme zur Sprache – was offenbar auch in der Bildungsverwaltung Wirkung entfaltete. Jedenfalls kündigte Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) am Freitag im Gespräch mit dem Tagesspiegel an, dass weniger Lehrerstunden als zunächst geplant gekürzt werden sollen. Näheres dazu wird ebenfalls für diesen Montag in Aussicht gestellt.

Demonstration vor einem Auftritt der Senatorin

Die Arbeitsgemeinschaft der SESB, die schon vor zwei Jahren vor Kürzungen warnte, will aber nicht tatenlos abwarten: Sie hat, ebenfalls für diesen Montag, unter dem Motto: „SESB – die Zukunft gehört uns!“ zu einer Demonstration aufgerufen. Anlass ist ein Auftritt der Bildungssenatorin im Europäischen Haus Unter den Linden: Dort wollen sich Eltern und Lehrer der SESB mitsamt Schulklassen zwischen 14.30 und 15 Uhr versammeln, bevor die Senatorin einige Europa-Schulen für besondere Leistungen auszeichnet. „Frau Scheeres soll durch die Demonstration erkennen, dass schöne Worte und glänzende Urkunden nicht die wertvolle Arbeit unserer Lehrerinnen ersetzen. Diese bildet das organisatorische Rückgrat der SESB", sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der SESB, Caroline Schmidt-Lucke, am Sonntag auf Anfrage.

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