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Bitte gehen Sie weiter! An der Kasse ist ein Aufenthalt nicht gewünscht.
© Armin Weigel/p-a/dpa

Rücksichtslosigkeit beim Einkaufen: Lasst mir Platz zum Packen!

Wer seine Siebensachen oder seine Gedanken an der Supermarktkasse nur kurz sortieren will, wird rücksichtslos niedergerannt. Schluss damit! Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Maris Hubschmid

Gerade noch stopft man sein Portemonnaie zurück in die Seitentasche, die Hälfte der Zutaten für das Abendessen unverstaut vor sich, da rollen die Tomaten des Nächsten zwischen die eigenen, macht ein Ellbogen deutlich: Weg da, ich bin dran. Stress, Schuldgefühle – scheiße!, ist in der Hektik glatt der Sahnebecher entglitten und aufplatzt. Hier, wo der Normalverbraucher einen erheblichen Anteil seines Einkommens lässt, darf er nur eine Richtung kennen: hinaus! Am Ende eines jeden Supermarktbesuchs steht der Rausschmiss. Mach hinne, du stehst im Weg. Da ist die Tür.

Liebe Einzelhändler, die ihr so gern vom Einkauf als Erlebnis fabuliert, gestaltet endlich den Kassenbereich großzügiger! Was werden nicht alles für psychologische Tricks angewandt, um uns lange im Laden zu halten: Musik im sorgsam ausgetüftelten Tempo, auf dass wir entspannen, ohne träge zu werden. Hochglanzböden, die rutschig aussehen, damit wir den Schritt verlangsamen. Schräg in die Tiefen des Marktes hineinlotsende Regalreihen – Grundnahrungsmittel wie Brot oder Nudeln hinten versteckt. Der strapaziöse Nahkampf zum Schluss ist das paradoxe Ergebnis der Bestrebungen, alles maximal bequem zu gestalten: Da muss niemand mehr Kupfer nachzählen, ein Plastikkärtchen aufzulegen reicht.

Schlangen sind durchaus gewollt - um Impulskäufe auszulösen

Vor allem aber steht dahinter die kaufmännische Überlegung, möglichst wenig Platz für Kassen auf Kosten von Angebotsfläche zu verschwenden. Zumal Schlangen durchaus gewollt sind – bereiten sie doch den Boden für Impulskäufe aus Frust und Langeweile. „Nach wie vor wird in der Kassenzone ein erheblicher Umsatzanteil erzielt“, erklärt Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Und nur für die – genau! – Stoßzeiten will keiner zusätzliche Kassen einrichten, die die meiste Zeit des Tages verwaist wären.

Dass aber manche Discounter gar dazu übergegangen sind, die Kassen quasi direkt hinter dem Scanner abzuschneiden, grenzt an Körperverletzung. Wer seine Siebensachen oder gar seine Gedanken nur eine Sekunde sortieren wollte, wird so notgedrungen wie rücksichtslos niedergerannt. Zumal in Berlin.

In den USA setzt man auf mehr statt weniger Menschenhände

Dabei beweist ein Blick ins Ausland: Es geht anders! Nicht nur in futuristischen Amazon-Märkten, in denen die Einkäufe mit Verlassen des Ladens automatisch erfasst und vom Konto abgebucht werden. Andernorts in den USA setzt man auf mehr statt weniger Menschenhände, packen flinke, höfliche Mitarbeiter die Einkäufe in Tüten. Dieses Modell wurde auch schon in Berlin erprobt – bei Kaiser’s. Jener Kette, die letztlich auch wegen zu hoher Personalkosten pleiteging.

Doch den wenigen Händlern, die sich auf diesem hart umkämpften Lebensmittelmarkt durchgesetzt haben, geht es dennoch zu gut, urteilt Branchenbeobachter Heinemann. „Die deutsche Kassenzone ist der letzte Beweis für Anti-Service.“

Letztlich steht das [...] stellvertretend dafür, wie unsere Gesellschaft druff is: Alles schnell schnell, und wer zu langsam ist (z.B. Alte), verliert halt den Anschluss und wird weggedrängt.

schreibt NutzerIn pressekritiker2

Wer mit dem Gefühl nach Hause trottet, aus einer Schlacht zu kommen, den treibt ihr ja geradezu in die Arme der Online-Anbieter. Höchste Zeit für mehr Abstand zwischen den Kassen, mehr Hantierfläche, mehr Respekt. Wichtig ist, wer hinten rauskommt.

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