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Einkaufswagen mit dem Schriftzug "Kaiser's".
© Lino Mirgeler/dpa

Rewe übernimmt Berliner Filialen: Aufregung um Kaiser's Tengelmann hat sich gelohnt

Auch durch die Einigung werden defizitäre Tengelmann-Filialen in NRW nicht wieder profitabel. Trotzdem hat sich das Gerangel um die Supermarktkette gelohnt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Auf die Frage hin, ob die seit Jahren defizitäre Fluggesellschaft Air Berlin bald in die Pleite fliege, hatte ein ehemaliger Top-Manager der Airline neulich erklärt, das funktioniere doch heute nicht mehr so. „Heute schließt niemand mehr ohne Not aktiv eine große Firma. Da steht sofort die Politik auf der Matte“. Welcher Unternehmer will das schon? Die Aufregung, die Verunsicherung, schlechte Presse. Das alles schade dem Eigentümer, sagte er – und verwies als Negativbeispiel auf das Gerangel um die Supermarktgruppe Kaiser’s Tengelmann. „Man wartet, bis sich das Problem von selbst erledigt und die Marke nach einer Fusion verschwindet.“

Das ist der strategische Blick eines Managers. Dementsprechend hatte wohl auch Karl-Eriwan Haub, Eigentümer der Supermarktkette, die seit Jahren rote Zahlen schreibt, eine geschmeidige Abwicklung im Sinn, als er vor zweieinhalb Jahren den Komplettverkauf aller einst 450 Filialen an Edeka ankündigte.

Die 15.000 Mitarbeiter hätten, wäre Haub auf Anhieb erfolgreich gewesen, wenig zu lachen gehabt. Gleiches gilt für Kunden und Lieferanten eines gestärkten Marktführers. In ihrem Interesse war das Kartellamt eingeschritten und öffnete so der Politik die nötigen Spielräume.

Mit etwa 30 Minuten Verspätung trat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag in Berlin vor die Presse, um eine Lösung für Kaiser's Tengelmann zu verkünden. Im Schlepptau: Ein sichtlich erfreuter Verdi-Chef Frank Bsirske, der die Verhandlungen begleitet hatte.
Mit etwa 30 Minuten Verspätung trat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag in Berlin vor die Presse, um eine Lösung für Kaiser's Tengelmann zu verkünden. Im Schlepptau: Ein sichtlich erfreuter Verdi-Chef Frank Bsirske, der die Verhandlungen begleitet hatte.
© Michael Kappeler/dpa

Sigmar Gabriel hat hier gutes Gespür bewiesen, auch taktisches Geschick und Nehmerqualitäten. Er hat viel Prügel bezogen für seine Entscheidung, das Kartellamt mit einer Ministererlaubnis zu überstimmen. Dass er diese erst erteilte, nachdem er Kaiser’s und Edeka mehrjährige Jobgarantien für die Mitarbeiter abtrotzen konnte, wäre in dem Getöse fast untergegangen. Er kann froh sein, dass auch seine lautesten Kritiker vom Rewe-Konzern hartnäckig geblieben sind.

Das zwang alle Beteiligten zurück an den Tisch und zu einer guten Lösung: der Verteilung der Filialen unter mehreren Unternehmen. Das erhält den Wettbewerb, schützt Arbeitsplätze. Vorerst.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD, r) trat am Montag gemeinsam mit Verdi-Chef Frank Bsirske vor die Presse. Und nahm den "Dank aus vollem Herzen" des Gewerkschafters gern an.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD, r) trat am Montag gemeinsam mit Verdi-Chef Frank Bsirske vor die Presse. Und nahm den "Dank aus vollem Herzen" des Gewerkschafters gern an.
© Michael Kappeler/dpa

Auch können sich nun einige andere Herren, die man schon im Abseits wähnte, etwas auf die Einigung zugute halten: der Schlichter Gerhard Schröder zum Beispiel. Hatte er sich anno 1999 noch zu selbstherrlich für die vorläufige Abwendung der Pleite des Baukonzerns Holzmann feiern lassen (gut zwei Jahre später ging dieser dann doch bankrott), waren seine Rest-Autorität und Erfahrung jetzt offenbar hilfreich, den Riesen-Egos von Edeka und Rewe gesichtswahrende Kompromisse zu ermöglichen.

Spiritus Rector der Einigung ist Frank Bsirske, der seit nunmehr 16 Jahren an der Spitze der Dienstleistungsgewerkschaften ÖTV und Verdi steht. Er sorgte dafür, dass das Job-Thema in der Diskussion um Marktanteile im Lebensmittelhandel nicht unterging.

Die Herren sollten aber nicht zu laut feiern. Denn aus dem Spiel, bei dem es heute viele Gewinner gibt, lässt sich keine generelle Handlungsempfehlung ableiten – wie zum Beispiel: die Politik sollte sich bei Fusionen und Übernahmen künftig immer einmischen. Jeder Fall ist anders. Und klar ist auch: Man kann Jobs nicht gegen jede betriebswirtschaftliche Vernunft dauerhaft erhalten, wenn man nur zäh genug verhandelt.

Die defizitären Tengelmann-Filialen in NRW werden nicht durch Beschlüsse wieder profitabel. Auch ein anderes Logo auf den Plastiktüten hilft nicht automatisch. Doch Zeit ist gewonnen, Risiken werden besser verteilt. Dafür hat sich all die Aufregung und Verunsicherung doch gelohnt.

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