Mietendeckel und hohe Baukosten in Berlin: Landesfirmen wollen mehr Miete für Neubauten
Landeseigene Wohnungsgesellschaften in der Klemme: Die Politik will, dass sie bezahlbare Wohnungen bauen - bei steigenden Kosten. Die Firmen haben da eine Idee.
Die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften wollen mehr Miete für neugebaute Wohnungen verlangen. Sie stellen sich damit gegen politische Forderungen nach noch weiter reichenden Mietregulierungen bei kommunalen Wohnungen.
„Aufgrund der deutlich steigenden Kosten für den Bau neuer Wohnungen“ schlug der Sprecher der Firmen, Jörg Franzen, am Mittwoch im Beisein von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine „Indexierung der Neubaumieten“ vor. Damit würden die Mieten ähnlich steigen wie die Baukosten auf dem Markt.
Franzen bekannte sich zum Sozialkurs der Firmen, machte aber zugleich deutlich, dass diese an die Grenze ihrer Belastbarkeit gelangen. Zehn Milliarden Euro wollten die sechs Firmen in den Neubau investieren. „Das geht nur mit sozial stabilen Quartieren und wirtschaftlich stabilen Unternehmen. Die steigenden Baukosten hinterlassen aber Spuren bei den landeseigenen Unternehmen, die Senat auf Druck der Mieterbewegung auf Sozialkurs trimmt. Das Ergebnis wurde am Mittwoch im neuen Bericht zur „Kooperationsvereinbarung“ zwischen dem Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen durch den Vorstand der Wohnraumversorgung Berlins (WvB) vorgestellt.
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Die Einrichtung war ebenfalls auf Druck der Mieterbewegung gegründet worden. Zurzeit laufen Verhandlungen für die bevorstehende Novelle der Kooperationsvereinbarung.
Seit 2017 gilt: Nicht mehr als zehn Euro pro Quadratmeter
Laut der Kooperationsvereinbarung mit dem Land Berlin aus dem Jahr 2017 sollen sie nicht mehr als zehn Euro je Quadratmeter bei Neubauten verlangen. Während die Neubaumieten also eingefroren sind, laufen den Unternehmen die Baukosten weg.
Hinzu kommen immer mehr Belastungen für die Firmen. Zum Beispiel durch die Einführung des Mietendeckels. Weil dieser niedrige staatliche Höchstmieten vorschreibt, entwertet das Gesetz gleichsam die Immobilien. Franzen zufolge sei der „Beleihungswert“ der Wohnungsbestände wegen des neuen Gesetzes „leicht reduziert“. Hintergrund: Geringe Beleihungswerte und hohe Schulden erschweren die Finanzierung von Neubauvorhaben durch die Banken.
Die Verschuldung liegt bei mehr als 6,6 Milliarden Euro
In diese Problematik drohen die sechs landeseigenen Unternehmen allmählich hineinzurutschen. Denn deren Verschuldung ist seit Ende des Sanierungskurses in den 2000er Jahre wieder kräftig gestiegen: von 6,64 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf über zehn Milliarden Euro im vergangenen Jahr laut Beteiligungsbericht des Senats.
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Das liegt an den Kosten des Sozialkurses sowie an den hohen Preisen, die für den systematischen Erwerb von Wohnungsbeständen und den Bau neuer Wohnungen bezahlt werden müssen. Angesichts des „Potpourris“ an Aufgaben – bis hin zu Hausaufgabenhilfen, Förderung von Sportvereinen und Seniorenbetreuung sowie dem Management randständiger Quartiere – warnte Franzen davor, „uns überzustrapazieren“.
Zumal dem Vernehmen nach bei den Verhandlungen über die anstehende Novelle der Kooperationsvereinbarung wie berichtet eine Deckelung aller Mieten für Neubauten ab 2017 auf 12 Euro gefordert wird sowie die Vergabe von drei von vier neu gebauten Wohnungen an Haushalte mit geringen Einkünften.
Mieterverein fordert mehr Wohnungen
Dabei nimmt der Druck noch mehr noch günstiger zu bauen, in Berlin weiter zu. Der Chef des Berliner Mietervereins forderte als Reaktion auf den am Mittwoch vorgestellten Bericht zur Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und den Landesunternehmen eine „deutliche Erhöhung des Wohnungsangebots“. Es brauche „einen fairen Wohnungsmarkt“ mit bis zu 70 Prozent gemeinwohlorientierten Neubau. „Davon sind wir weit entfernt“, so Reiner Wild.
Auch die CDU warnt: „Weiterhin wird viel zu wenig gebaut“. Es fehlten „ bezahlbare Mietwohnungen vor allem für Berliner Familien und Singles, die keine Wohnberechtigungsscheine bekommen“, sagte der baupolitische Sprecher Christian Gräff – er schimpfte Lompscher „Nichtbau-Senatorin“. FDP-Fraktionsschef Sebastian Czaja sagte, „Frau Senatorin Lompscher“ versuche „leibeigene Gesellschaften“ aus den sechs Landesfirmen zu machen. Die Liberalen fordern eine Umstellung der Förderung: Statt Wohnungen sollten die Mieter finanziert werden
Positive Zahlen für die Mieter
Der vorgestellte Bericht über den Sozialkurs der sechs landeseigenen Unternehmen fällt – wie in Auszügen bereits berichtet – eher positiv aus: Die Firmen verlangen für frei werdende Wohnungen 30 Prozent weniger Miete als am Markt üblich, im Bestand 6,22 Euro je Quadratmeter im Durchschnitt und liegen damit deutlich unter dem Mietspiegel. Sie vermieten 60 Prozent der frei werdenden Wohnungen an Haushalte mit geringen Einkünften und jede zehnte Wohnung an Geflüchtete, Obdachlose oder Personen anderer „besonderen Bedarfsgruppen“.
Die Mieten erhöhten die landeseigenen Firmen fast gar nicht mehr: 2019 um 0,69 Prozent im Durchschnitt. Freie Wohnungen, ob neu gebaut oder aus dem Bestand, bekamen neue Mieter für 7,43 Euro je Quadratmeter. Um die knapp 326 000 kommunale Wohnungen effizienter zu nutzen, war eine Tauschbörse aufgelegt worden: 838 neue Verträge kamen auf diesem Wege zwischen kommunalen Mietern zustande, die innerhalb des Bestandes umzogen.
Die Zahl der landeseigenen Wohnungen stieg im vergangenen Jahr um 4449 Neubauten sowie 11 936 am Markt gekaufte Wohnungen. Nicht berücksichtigt von der Kooperationsvereinbarung ist die landeseigene Firma „Berlinovo“. Diese vermietet Wohnungen zu Preisen weit über den Vorgaben. Der politische Zwist über den Umgang mit der Berlinovo schwelt noch.