Zwischen Fernsehturm und Spittelmarkt: Kritiker bemängeln neuen Plan für Berlins Mitte
Die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher legt ihren Zukunftsplan für die Gestaltung von Mitte vor. Überraschende neue Vorschläge für eine Vernetzung der Stadtquartiere sind nicht wirklich zu erkennen - trotzdem eckt Lüscher mit dem Plan sofort an.
Die Mitte Berlins wird umgestaltet – aber wohl anders als bisher gedacht. Auf Drängen der Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum hat Senatsbaudirektorin Regula Lüscher erstmals einen Fahrplan für die Gestaltung des historischen Zentrums Berlins vorgelegt – vom Alexanderplatz bis zum Gendarmenmarkt und von der Fischerinsel bis zur Museumsinsel. Die größte Überraschung ist: Planspiele für den historischen Stadtkern vor dem Roten Rathaus sind nach den Plänen, die intern erarbeitet wurden und dem Tagesspiegel vorliegen, erst einmal aufgeschoben – auf die Jahre 2020 bis 2025.
Das Zentrum der Stadt hat Lüscher in fünf Quartiere unterteilt und diesen auch Namen gegeben: Als „Ort urbaner Eleganz“ bezeichnet sie etwa den Gendarmenmarkt und dessen Umfeld, das gegenwärtig umgestaltet wird. Südöstlich davon liegt der „Ort der Heimat“, es sind der Petriplatz und die Fischerinsel, die zu den Gründungsstätten der Stadt zählen. Als „Ort der Stadtgesellschaft“ bezeichnet die Senatsbaudirektorin das Gebiet am Roten Rathaus, zwischen Fernsehturm und Schloss. Die „Schatzkammer Berlins“ liegt auf der Museumsinsel und südlich davon entsteht zurzeit der „Ort der Weltkultur“: Das Humboldtforum verpackt in der Schlossarchitektur Schlüters mit einer modernen Fassade nach Plänen von Franco Stella.
Kritik an später Gestaltung des Schlossumfeldes
Überraschende neue Vorschläge für eine Vernetzung der Stadtquartiere sind nicht wirklich zu erkennen. Allenfalls die geplante Neugestaltung oder Sanierung von Straßen und Freiräumen im Nicolaiviertel – neben dem Petriplatz zweite Geburtsstätte Berlins – hatten die obersten Stadtplaner bisher nicht vorgestellt. Deshalb richtet sich die Kritik von Anrainern und Politik vor allem auf die späte Gestaltung des östlichen Schlossumfeldes.
„Ich fordere jetzt eine Debatte über die Zukunft des Rathausforums und einen städtebaulichen Wettbewerb dazu“, sagt etwa Manfred Rettig. Der vom Bund mit der Errichtung des Humboldtforums beauftragte Stiftungschef fürchtet, dass das Umfeld des Schlosses immer noch seelenlos und wüst aussieht, wenn der Neubau nach historischen Plänen fertig gestellt ist. Einen entsprechenden Beschluss habe die Koalition auch gefasst, diesen dürfe die Verwaltung nicht einfach aussitzen bis zur nächsten oder sogar bis zu einer fernen Legislaturperiode. Halb Berlin unter Wasser zu setzen, um dort eine Art Zürichsee zu schaffen – „das ist jedenfalls nicht die Lösung“, so Rettig in Anspielung auf Architektenentwürfe, die Lüscher vor einigen Jahren in Auftrag gegeben hatte.
Sorge um die Passage im Schlossneubau
Sorge hat der Stiftungschef auch, dass der Clou des Schlossentwurfes von Stella, die Passage quer durch den Neubau, nicht zur Geltung komme, wenn das Umfeld zu spät fertig werde. Die Passage bahnt einen Weg zwischen Museumsinsel und Lustgarten sowie Breite Straße und Petriplatz. Der Weg könnte zu einer Sackgasse werden, falls die städtische Steppe südlich des Schlossplatzes zur Eröffnung des Schlüterbaus im Jahr 2019 immer noch leblos daliegt – ohne Cafés und Restaurants, Wohnungen und Geschäfte.
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende CDU-Fraktionschef und Sprecher für Stadtentwicklung, Stefan Evers: „Es ist Frau Lüscher unbenommen, sich Gedanken über die Mitte zu machen, als verbindlich kann das aber nicht gelten.“ Evers stößt sich vor allem an der Reihenfolge der im Stadtkern zu gestaltenden Flächen, wonach die Planungen im Rathausforum in weite Ferne rücken.
Überraschend ist dies auch vor dem Hintergrund der erst in der vergangenen Wochen getroffenen Vereinbarung zwischen SPD und CDU. Demnach gibt es im Doppeletat für die kommenden zwei Haushaltsjahre Geld genug für den städtebaulichen Wettbewerb zur Gestaltung der historischen Mitte. Schon im kommenden Jahr soll ein öffentlicher „Dialogprozess“ über das Gebiet beginnen.
Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hieß es: Ziel des Plans sei es, „mit der Stadtgesellschaft eine Debatte auf breiter Basis darüber zu führen, was möglich ist und was nicht“. Es gelte, die Zeit zu nutzen, in der das Humboldtforum und die U-Bahn-Linie 5 gebaut werden.