Großprojekte in der Hauptstadt: Billig kalkuliert, teuer gebaut
Wäre die Politik von Anfang an ehrlich, würden viele angeblich günstige Projekte gar nicht erst gestartet werden. Die Kostenexplosion bei der U-Bahn-Linie 5 zeigt mal wieder: Die öffentliche Hand kann oder will nicht richtig kalkulieren. Eine Übersicht.
Es ist mal wieder typisch, wird jeder Bürger sagen, der Steuern zahlt. Und damit auch Bauvorhaben mitfinanziert, die regelmäßig teurer werden als geplant. Dahinter steckt ein System von unrealistischer Planung, unseriöser Kostenkalkulation und dreister Lüge. Wäre die Politik von Anfang an ehrlich, blieben viele, angeblich so günstige Projekte in den Schubladen der Planer liegen. Oder es würde wenigstens darüber diskutiert – öffentlich und transparent.
Berlin und Brandenburg, aber auch der Bund gehen nicht selten mit schlechtem Beispiel voran. Jetzt wieder die Hauptstadt: Hier steigen, wie berichtet, die Kosten für die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor um weitere 92 Millionen Euro. Gegenüber der ursprünglichen Kalkulation fällt die Kostensteigerung sogar noch höher aus – von 700 Millionen auf 845 Millionen Euro. Dass der Bund den größten Teil der neuen U-Bahn-Strecke bezahlt, tröstet nicht sehr.
Parlamente vom Feinsten
Wenigstens die Landesparlamente sollten mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um den verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern geht. Aber weit gefehlt. Als der damalige Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Jürgen Wohlrabe (CDU), Anfang der 90er Jahre für den Umzug der Volksvertretung vom Rathaus Schöneberg in den ehemaligen Preußischen Landtag warb, sollte die Sanierung und der Umbau des Gebäudes angeblich nur 40 Millionen Euro kosten. Am Ende waren es 162 Millionen Euro, inklusive Designersessel in der Lobby für 442 Euro das Stück.
Aber auch die Kollegen in Brandenburg ließen sich nicht lumpen. Der kürzlich vollendete Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses kostete letztlich 120 Millionen Euro. Als 2005 entschieden wurde, das Schloss in den historischen Um- und Aufrissen zu erneuern und dort den Landtag unterzubringen, war noch von 80 Millionen Euro die Rede. Schon 2011 stiegen die Kosten um 15 Millionen Euro, aber das war nicht das Ende, wie wir nun wissen.
Ich bau mir ein Schloss
In das Berliner Stadtschloss, das bis 2019 rekonstruiert werden soll, wird zwar nicht der Bundestag oder das Abgeordnetenhaus einziehen. Aber die Baukosten explodieren trotzdem. Schon vor zwei Jahren musste der Bund die Obergrenze von 552 Millionen Euro auf 590 Millionen Euro erhöhen. Die Endabrechnung könnte, so Experten, bei 900 Millionen Euro liegen. Die aufwendige Fassadengestaltung und der schwierige, sowohl sumpfige wie auch sandige Untergrund sind finanzpolitisch gesehen die größten Risikofaktoren.
Mit 30 Millionen Euro ist die Risikovorsorge äußerst knapp ausgelegt. Offen ist auch, ob die 80 Millionen Euro aus privaten Spenden zusammenkommen. Und weitere 15 Millionen Euro geplante Spenden für den Bau der Kuppel in historischer Gestalt.
Ganz schön aufgeflogen
Über den Flughafen BER mag man in diesem Zusammenhang gar nicht mehr reden. Am Bau- und Finanzdesaster sind der Bund, Berlin und Brandenburg gleichermaßen beteiligt. Zum Baubeginn 2006 kündigten die drei Gesellschafter an, dass der Hauptstadt-Airport für gute zwei Milliarden Euro zu haben sei. Aber dann wurde das Projekt immer größer, komplexer und finanziell gänzlich unkalkulierbar. Der offizielle Kostenrahmen liegt aktuell bei 4,6 Milliarden Euro. Wenn der Flughafen 2015/16 eröffnet wird, werden es voraussichtlich mehr als fünf Milliarden Euro sein. Davon 2,4 Milliarden Euro Kredite, den Rest trägt die öffentliche Hand.
Teurer BND-Umzug
Der Umzug des Bundesnachrichtendienstes (BND) von München-Pullach in die Hauptstadt wird voraussichtlich die Milliardengrenze weit überschreiten. Derzeit liegt die Kostenobergrenze, die vom Bundestag vor einem Jahr um weitere 100 Millionen Euro heraufgesetzt wurde, bei 912,5 Millionen Euro. Der bisherige Vorsitzende des Innenausschusses des Bundesparlaments, Wolfgang Bosbach (CDU), schätzt die Gesamtausgaben aber auf 1,5 bis zwei Milliarden Euro. Mehr als doppelt so viel wie die anfänglich avisierten 720 Millionen Euro.
Kostspielig gebettet
Im Vergleich zu Flughafen und BND sind die Mehrausgaben für das Bettenhochhaus der Charité ein Klacks. Die mehrere Jahre strittig diskutierte Grundsanierung sollte ursprünglich 160 Millionen Euro kosten. Dann genehmigte der Senat doch 185 Millionen Euro, fand dafür aber trotz europaweiter Ausschreibung keine Baufirma. Jetzt werden 202,5 Millionen Euro für die Sanierung veranschlagt. Mal sehen, wie in drei Jahren abgerechnet wird.
Am Ende des Tunnels
Wenn sich das Land Berlin finanziell beteiligt, ist der Bund angeblich bereit, für die Dresdner Bahn durch den Ortsteil Lichtenrade einen Tunnel zu bauen. Seit 15 Jahren fordern das die Anwohner. Das Verkehrsprojekt dürfte dadurch aber 100 bis 150 Millionen Euro teurer werden. Und erst weit nach 2020 fertig werden. Der Bau der Eisenbahnstrecke ohne Tunnel soll nach aktuellem Stand 560 Millionen Euro kosten. Es zahlt der Bund.
Luxuriöse Kilometer
Unabhängig davon, wie man die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 vom Dreieck Neukölln nach Treptow verkehrs- und wirtschaftspolitisch einschätzt: Es wird ein sündhaft teures Bauvorhaben. Zurzeit werden die Kosten vom Bundesverkehrsministerium auf 472,5 Millionen Euro veranschlagt. Das sind 148 Millionen Euro je Kilometer sechsspuriger Asphaltpiste. Nicht nur die Gegner des Ausbaus der A 100 bezweifeln, dass es dabei bleibt. Die ursprüngliche Kostenschätzung lag bei gerade 420 Millionen Euro.