Deutschlands Problempark Nr. 1: Kriegt mehr Polizei den Görli in den Griff?
Berlins Innensenator setzt im Görlitzer Park auf mehr Polizeipräsenz. Beamte vor Ort wollen keine mobile Wache. Die Kriminalität droht verlagert zu werden.
Wenn es um den Frieden im Görlitzer Park geht, gibt es wenige Ideen zur Lösung, die noch nicht diskutiert wurden. Null-Toleranz, nächtliche Schließung – jetzt soll verstärkte Polizeipräsenz zumindest die gefühlte Sicherheit erhöhen. Was Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag als Konzept im Kampf gegen Drogenhandel und Gewaltkriminalität verkaufte, stand eigentlich schon fest, seit die Strukturreform der Berliner Polizei im vergangenen Jahr beschlossen wurde: die Gründung einer Brennpunktdirektion samt Brennpunkthundertschaft.
Diese soll erstmals konzentriert an den als kriminalitätsbelastet eingestuften Orten – also zum Beispiel an der Warschauer Brücke, dem Alexanderplatz und eben auch dem Görlitzer Park – zum Einsatz kommen. Der Hintergrund: szenekundige Polizisten und mehr Präsenz.
Keine mobile Wache im Görlitzer Park
Nun vermittelte Geisel den Eindruck, ab Januar sorgten alleine im Görlitzer Park 60 neue Beamte für Sicherheit, ab Mai sogar 125 – womöglich präsent durch eine permanente Parkwache. Tatsächlich sind die angekündigten Polizeibeamten aber Teil der neu geformten Hundertschaft, in der bei normalem Schichtbetrieb nur 30 Beamte zu einer Zeit unterwegs sein können – und eben auch nicht nur am Görlitzer Park. Ob und in welcher Intensität Polizisten Stellung im Görlitzer Park beziehen werden, wird derzeit gemeinsam mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erarbeitet.
[281.000 Leute, 1 Newsletter: Den Tagesspiegel-Newsletter für Kreuzberg gibt's hier - voller Debatten, Ideen, Tipps und Terminen: leute.tagesspiegel.de]
Die örtliche Polizeidirektion selbst lehnte es ab, am Görlitzer Park eine mobile Wache dauerhaft zu installieren. Fachleute in der Direktion setzen eher auf ein Einsatzfahrzeug, mit dem flexibel reagiert werden kann. Darin sollen etwa erkennungsdienstliche Maßnahmen möglich sein. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte, man habe Geisel sehr deutlich gemacht „dass eine dauerhafte Präsenz durch mobile Wachen weder personell umsetzbar noch polizeilich sinnvoll ist“.
Stattdessen forderte die GdP „Fahrzeuge, die lageorientiert einsetzbar und für einen effektiven Einsatz vor Ort ausgestattet sind“. Geisel selbst ließ am Dienstag offen, in welcher Form die Polizei vor Ort präsent sein soll, „aber dass wir dauerhaft präsent sind, auch mit mobilen Fahrzeugen, ist eine Antwort auf die Situation“. Es gehe darum, Begleiterscheinungen des Drogenhandels wie Beschaffungstaten und Gewalt zu bekämpfen und für die Anwohner das Sicherheitsgefühl zu erhöhen.
Görlitzer Park: Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung
Zwar macht der Görlitzer Park regelmäßig mit dem massiven Verkauf von Drogen Schlagzeilen – alleine von Januar bis Ende Juni dieses Jahres wurden dort 499 Drogendelikte registriert –, doch auch Diebstahl und Körperverletzung (143), Betrug (82) und Sachbeschädigung (54) zeichnen nicht nur im ersten Halbjahr 2019 das alltägliche Bild des Parks.
Mehr zur Sicherheitsdebatte, der Drogenproblematik und Dealern im Park:
- Kann nur Legalisierung den Drogen-Schwarzmarkt im Görli austrocknen? Eine Analyse verschiedener Ansätze.
- Ein erfahrener Drogenfahnder packt aus: Das erlebt er tagtäglich im Görlitzer Park.
- "Wir brauchen Drogenfachgeschäfte!" fordert der Suchtforscher Heino Stöver im Interview.
- "Die Spritzen fliegen uns um die Ohren", beklagen die Anwohner rund um den Görli.
- Wenn sich im Görlitzer Parkt nichts ändert, geht das Vertrauen in die Politik verloren, kommentiert Julius Betschka.
„Ich glaube, wir müssen wesentlich energischer vorgehen als bisher“, sagte Innensenator Geisel daher, als Vorbild gelte das Kottbusser Tor, an dem die Lage mit mehr Polizeipräsenz, BVG-Streifen und einer mobilen Wache beruhigt werden konnte.
Wird Drogenkriminalität nur verlagert?
Bei der Frage der Verschiebung des Drogenhandels in benachbarte Wohnstraßen stoßen Polizei und Bezirk auf ein ganz grundsätzliches Problem: Solange Menschen Drogen kaufen, werden auch Dealer ihre Absatzorte finden. GdP-Sprecher Benjamin Jendro lobte Geisels Vorstoß dennoch als „gutes Zeichen, dass sich jetzt auch die politisch Verantwortlichen entschlossen der Problematik rund um den Görlitzer Park widmen und Kriminalität bekämpfen wollen“.
Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, gab zu bedenken, es werde jetzt schon schwierig, die neue Brennpunkteinheit mit ausreichend Personal aufzustellen. Nach internen Angaben soll es noch an genügend Bewerbungen mangeln.
Polizeiintern heißt es, um der Kriminalität im Park beizukommen, sei ein langer Atem nötig – auch verdeckte Maßnahmen müssten verstärkt werden. Doch, so meldet sich die CDU aus der Opposition: Eine erhöhte Polizeipräsenz sei ohnehin nur sinnvoll, wenn Drogen, egal in welcher Menge, illegal würden.