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Razzia in der Hasenheide. Der Volkspark in Neukölln ist seit Jahren ein Hotspot der Drogenszene.
© Mike Wolff

Drogenmissbrauch in Neukölln: „Die Spritzen fliegen uns um die Ohren“

Die Drogenszene in Neukölln weitet sich aus. Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) sucht eine Strategie – in enger Abstimmung mit der Polizei.

Der Mann in den schmutzigen Jeans ist vielleicht 20 Jahre alt, er steht neben einer Betonsäule, schneller Griff in die Tasche, dann fischt er ein Päckchen mit weißem Pulver raus. Das Päckchen verschwindet blitzschnell in der Hand eines Mannes mit rotem Sweatshirt, alles erledigt. Wieder mal ein Drogendeal abgeschlossen. U-Bahnhof Schönleinstraße, eine übliche Szene.

Mehrere junge Männer hängen auf der U-Bahnstation herum, alle mit suchendem Blick, als warteten sie auf den nächsten Kunden. Ein Mann mit zerzausten Haaren sitzt auf einer Bank, schwarzes Röhrchen an der Nase, Plastikfolie mit einer Substanz in der offenen Hand. Er zieht hörbar den Stoff ein. Drogenalltag in Neukölln.

Vor wenigen Tagen erhielt Falko Liecke (CDU), der Jugend- und Gesundheitsstadtrat von Neukölln eine Mail. Ein Arbeitsnachweis der Polizei, eine der besonderen Art. Die Polizei teilte mit, dass sie im Süden von Neukölln 100 gebrauchte Spritzen von Junkies aufgesammelt habe.

Im Süden des Bezirks 100 gebrauchte Spritzen aufgesammelt

Die Dramatik liegt weniger in der Zahl, für Neukölln sind 100 Spritzen nichts Ungewöhnliches, die Dramatik liegt an dem Gebiet, in dem sie gefunden wurden. „Das Problem verlagert sich vom Norden Neuköllns in den Süden“, sagt Liecke. Besser gesagt: Die Drogenszenerie verseucht zunehmend auch den Süden des Bezirks. Im Norden nimmt die Zahl der Dealer und Junkies ja nicht ab. „In den vergangenen zwei, drei Jahren ist die Zahl der Drogenkonsumenten und -dealer massiv angestiegen“, sagt Liecke. „Die Spritzen fliegen uns um die Ohren.“ Und am schlimmsten: „Wir schauen hilflos zu.“

Naja, nicht ganz. Den Großteil der Arbeit muss die Polizei erledigen, der Bezirk kann nur an wenigen Stellschrauben drehen. Aber an die legen Liecke und seine Bezirkskollegen Hand an. Wie berichtet, wirft der CDU-Politiker seiner Kollegin Monika Herrmann, der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, eine zu lasche Haltung bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität vor. Die Frage ist, was macht er in seinem Bereich, in Neukölln?

Drogenrazzia in der Hasenheide in Berlin-Neukölln
Drogenrazzia in der Hasenheide in Berlin-Neukölln
© Mike Wolff

Er holt zum Beispiel einen zusätzlichen Sozialarbeiter. Der Bezirk arbeitet mit dem Träger „Fixpunkt“ zusammen, der mehrere Beratungsstellen hat. In deren Druckräumen können sich Junkies aber auch ihre Spritze setzen. Bisher arbeiten zwei Sprachmittler und ein Sozialarbeiter auf einer 75-Prozentstelle für Fixpunkt. Vom nächsten Jahr an soll eine komplette Sozialarbeiter-Stelle dazu kommen, finanziert vom Bezirk. Die Ausschreibung läuft.

Zudem plant Liecke die Gründung einer Sonderkommission, in der ein Sozialarbeiter von Fixpunkt und die Polizei gemeinsam entscheiden, wie man Hotspots entschärfen kann. Und diese Hotspots sind in Neukölln allmählich überall. An U- und S-Bahnhöfen sowieso, aber auch auf einem Grünstreifen in Autobahnnähe an der Grenzallee. Lieckes Idee: Dort könnte man doch, in einem umzäunten Gebiet, Anwohner und andere Familien zu einem Open-Gardening-Projekt animieren. Damit die Drogenszene dort verschwindet.

Ein Polizeihund sucht nach versteckten Drogenbeuteln.
Ein Polizeihund sucht nach versteckten Drogenbeuteln.
© Mike Wolff

Lieckes Büro erhält zahlreiche Hinweise auf belastete Orte, etwa, dass an den U-Bahnhöfen Leinestraße, Boddinstraße oder Schönleinstraße Junkies sich ungestört neben den Gleisen den Schuss setzen. Als Gegenmaßnahme sollen Streifen mit BVG-Mitarbeitern und Polizisten die Drogenkonsumenten aus den Bahnhöfen treiben. An den Ausgängen sollen dann Mitarbeiter von „Fixpunkt“ die Abhängigen entgegen nehmen und ihnen Beratung und Hilfe anbieten. Das löst zwar kein grundsätzliches Problem, aber die Fahrgäste blieben zumindest vom Anblick der Junkies verschont.

Die mobilen Fixer- und Beratungsstellen, die im Bezirk waren, zwei Kleinlastwagen, sind inzwischen aus Neukölln abgezogen worden. Sie gehören in den Verantwortungsbereich des Senatsgesundheitsverwaltung, sie stehen derzeit in einem anderen Bezirk. Ihre Arbeit soll nun bei den Beratungsstellen von Fixpunkt erledigt werden. Froh ist Liecke darüber nicht, er sagt, er bräuchte eigentlich die mobilen Stellen als zusätzliche Hilfe.

Ein Päckchen Marihuana.
Ein Päckchen Marihuana.
© Mike Wolff

Ein entscheidender Unterschied zwischen Liecke und Monika Herrmann ist aber wohl die Zusammenarbeit des Bezirks mit der Polizei. Jedenfalls sieht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dies so. GdP-Sprecher Benjamin Jendro hatte vor kurzem Monika Herrmann heftig kritisiert. „Unsere Kollegen erleben in Neukölln eine ganz andere Zusammenarbeit. Man spricht Maßnahmen und Konzepte im engen Austausch ab und geht das Thema auch von politischer Seite ganz anders an. Sowohl Herr Hikel als Bezirksbürgermeister als auch die Mitglieder aller Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung diskutieren offen und konstruktiv über die Probleme in den Parks und entwickeln gemeinsam Ansätze.“

Sowohl der Bezirk als auch die Polizei stimmten sich intensiv mit dem „Netzwerk zum Umgang mit Drogen- und Alkoholkonsum und den Begleiterscheinungen im öffentlichen Raum“ (NUDRA) in Neukölln ab. Das Bezirksamt hat darüberhinaus einen Forschungsauftrag zur Sichtung und Bestandsaufnahme der Problemfelder an eine Ethnologin herausgegeben. Auch die Parkmanager würden anders eingesetzt und ihre Rolle mit sozialpräventiven Maßnahmen verknüpft.

Der größte Drogen-Hotspot Neuköllns ist die Hasenheide

Der größte Hotspot in Neukölln ist aber seit Jahrzehnten die Hasenheide. In diesem Jahr haben dort bisher 26 Polizeieinsätze stattgefunden, die Gesamtmenge der festgestellten Betäubungsmittel kann die Polizei nicht benennen, weil jeweils nur die Menge jedes Einsatzes registriert wird. Bekannt ist aber die Zahl der Menschen, die wegen des Verdachts des Drogenhandels vorläufig festgenommen wurden: 14 waren es seit Jahresbeginn. Im gesamten vergangenen Jahr waren es dagegen nur elf.

Liecke liebäugelt seit Jahren mit dem Gedanken, den riesigen Park zu umzäunen und nachts zu schließen. Auf diese Weise könnten den Dealern bei Razzien auch die Fluchtwege versperrt werden. Zudem sollen Parkläufer, die es im Görlitzer Park bereits gibt, auch in der Hasenheide eingesetzt werden. Sie sollen zumindest für etwas Ruhe und soziale Ordnung sorgen. Von einer Umzäunung freilich verspricht sich Jendro wenig.

Falko Liecke (CDU), ist Jugend- und Gesundheitsstadtrat von Neukölln.
Falko Liecke (CDU), ist Jugend- und Gesundheitsstadtrat von Neukölln.
© promo

Der GdP-Sprecher sieht freilich zwischen Görlitzer Park und Hasenheide einen Unterschied, obwohl „die Hasenheide seit Jahrzehnten ein Drogen-Hotspot ist und ohne stadtweite Strategie zur Drogen-Bekämpfung sich dort die Situation nicht ändern wird“. Die Hasenheide ist dreimal so groß wie der Görlitzer Park, trotzdem gingen „in der Hasenheide die Dealer weniger aggressiv gegen Bürger sowie untereinander vor“. Die politische Debatte über den Görlitzer Park sei nicht wegen der Drogen, sondern wegen der damit verbundenen Begleitkriminalität entstanden.

Jendro hatte Monika Herrmann besonders für ihre Äußerung kritisiert, man dürfe Dealer im Görlitzer Park nicht ausgrenzen. Damals hatte ihr der GdP-Sprecher vorgeworfen: „Frau Herrmann täte gut daran, die Probleme nicht zu bagatellisieren. Wir reden hier von Straftätern, die gefährliche Substanzen in Umlauf bringen, Menschen bedrohen und auch vor schwersten Gewalttaten nicht zurückschrecken.“ Diese Begleitkriminalität aber, sagt Jerndro, hielte sich in der Hasenheide in Grenzen, zumindest sei sie nicht so öffentlichkeitswirksam.

Doch auch die Idee des Open Gardening auf dem Grünstreifen hat ihre Tücken. Der Bezirk kann gar nicht über das Gebiet bestimmen. Es gehört dem Bund. Und es ist als Natur-Ausgleichsfläche für Baumaßnahmen vorgesehen.

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