Lärmschutz in Berlin: Krach um den Bahntunnel in Lichtenrade
Die Bahn will im Süden von Berlin auch den Krach der S-Bahn verringern. Aber nur, wenn die Fern- und Regionalbahnen an der Oberfläche bleiben.
Paradox: Wenn in Lichtenrade die Fern- und Regionalzüge auf ihren neuen Gleisen in einem Tunnel verschwinden, wie es Anwohner fordern, wird es an der Oberfläche lauter bleiben, als es die aktuellen Pläne der Bahn vorsehen. Denen zufolge soll auch das Gleis der S-Bahn Lärmschutzwände erhalten, weil es wegen des Baus der zusätzlichen Fern- und Regionalbahngleise auf einigen Abschnitten verlegt werden müsste. Werden Gleisanlagen geändert, ist Lärmschutz vorgeschrieben. Wandern dagegen nur die neuen Gleise in den Tunnel und die S-Bahn-Trasse an der Oberfläche bleibt unverändert, besteht rechtlich kein Anspruch auf Lärmschutz. Und auch die S-Bahn unter die Erde zu legen, wäre sehr teuer.
Die Gegner der Bahnpläne argumentieren aber auch, meterhohe Lärmschutzwände würden Lichtenrade in zwei Teile spalten. Auch deshalb sollen die Fern- und Regionalbahnzüge im Tunnel verschwinden. Die im Genehmigungsantrag vorgesehenen Lärmschutzwände sind je nach Abschnitt zwischen zwei und fünf Meter hoch; die fünf Meter erreichen sie auf einem 900 Meter langen Bereich auf der Westseite der Gleise. Östlich sollen sie maximal vier Meter hoch werden. Eine optische Trennung gebe es bereits heute, argumentieren Planer: Durch die neben dem S-Bahn-Gleis stehenden Bäume, die höher seien als eine künftige Wand.
Fünf Meter hohe Lärmschutzwände
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak, der Parteivorsitzender in Lichtenrade ist, fordert weiter den Tunnelbau. Die S-Bahn brauche einen angemessenen Lärmschutz, aber der Fernverkehr müsse unterirdisch verlaufen. Es sei nicht akzeptabel, den Krach des Fernverkehrs erst an die Oberfläche zu holen, um ihn dann mit Schallschutzwänden wieder einzudämmen, sagte Luczak dem Tagesspiegel. Die Interessen der Lichtenrader müssten ernst genommen werden.
Die Chancen für einen Tunnelbau sind, wie berichtet, nur noch gering, auch wenn sich die SPD und CDU im Koalitionsvertrag dafür eingesetzt haben. Eine neue, noch nicht veröffentlichte Vergleichs-Untersuchung favorisiert weiter die oberirdische Variante. Der Antrag beim Eisenbahn-Bundesamt sei „wasserdicht“, sagte ein Planer. Auch beim Lärmschutz.
Wie sehr sich der Bahnlärm durch den Bau von Schutzwänden verringern lässt, zeigt die Bahn jetzt in einem „TiME-Lab“, das das Heinrich-Hertz-Institut im Auftrag der Bahn für mehrere hunderttausend Euro entwickelt hat. Am Dienstag haben es Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bahnchef Rüdiger Grube eröffnet. Im „Infopunkt Lärmschutz“ am Einsteinufer 37 in Charlottenburg lassen sich bei einer 180-Grad-Panoramaprojektion, die vorbeifahrende Züge zeigt, die Effekte von Lärmschutzmaßnahmen hören – über 128 Lautsprecher. Dabei werden verschieden hohe Schutzwände simuliert.
Krach um den Lärm an Gleisen gibt es auch in Berlin-Karow
Die einzigartige Anlage, wie Grube schwärmte, macht aber auch hörbar, wie sehr neue Bremsen den Krach der Bahn verringern können. Das große Problem sind dabei die Güterwagen, bei denen herkömmliche Bremsen dazu führen, dass Räder „unrund“ werden und so „Schläge“ auf dem Gleis erzeugen. Neuartige sogenannte LL-Bremsen verhindern dies. Die Bahn will bis 2020 alle vorhandenen rund 60.000 Wagen umgerüstet haben; weitere 15.000 Neuwagen werden die neue Technik bereits haben. Von 2020 an sollen nur noch „leise“ Güterwagen durch Deutschland fahren dürfen, kündigte Dobrindt an. Ob alle europäischen Bahnen mitfahren, ist aber ungewiss.
In Berlin sind viele Güterwagen aus dem Ausland unterwegs, die unter anderem den Raffinerie-Verkehr von und nach Schwedt bestreiten und dabei auch auf der Stettiner Bahn durch Karow rumpeln. Dort haben sich Anwohner und Bezirksamt bisher vergeblich für mehr Lärmschutz eingesetzt. Wie viel leiser es werden könnte, lässt sich im „TiME-Lab“ hören – aber nur nach einer Einladung durch die Bahn.
Und ständig dieser Lärm! Lesen Sie mehr über den Krach in Pankow unter diesem Tagesspiegel-Link.