Flüchtlinge in Berlin: Köpenicker wollen kein Containerdorf
400 Asylbewerber sollen im Dezember ins Salvador-Allende-Viertel in Köpenick ziehen. Dort ist erstmals ein Containerdorf für die Flüchtlinge geplant. Die Nachbarschaft erregt sich schon vorher.
Pappeln, Kiefern, Birken. Vielfarbig aufgehübschte Wohnblöcke. Haltestelle, zwei Buslinien nach Köpenick und Neukölln. Schule, Seniorenheim, Kita. Lottoladen, Discounter, Musikcafé. Hochumzäunter Sportplatz.
„Die frische Waldluft sorgt für gute Konzentration im Unterricht“, wirbt auf ihrer Homepage die Müggelschlößchen-Schule, wo 270 Kinder unterrichtet werden. Und: „In unserer Schule ist alles etwas ruhiger und persönlicher. Toleranz, Offenheit, Zuverlässigkeit und Wertschätzung haben bei uns einen hohen Stellenwert."
Im Allende-Viertel wohnen knapp 7000 Menschen
Das Salvador-Allende-Viertel im Berliner Südosten ist eine Großwohnanlage für knapp 7000 Menschen; Allende II wurde Ende der 1970er an die Alfred-Randt-Straße gebaut, die benannt ist nach einem ermordeten kommunistischen Schlosser.
Wer vom Müggelheimer Damm aus diese Adresse sucht, kann Allende II aber leicht verfehlen. In der Waldsiedlung, die sich am grünen Stadtrand versteckt, gibt es erstaunlich wenig Platz. Eigentlich existiert an der Alfred-Randt-Straße nur eine echte, umzäunte Brache, zwischen Seniorenheim, Kita und Schule: besetzt von Disteln und ein paar Bäumen. Seit am Dienstag bekannt wurde, dass der Senat Container für 400 Flüchtlinge auf dieses Terrain stellen will, verstehen viele Leute von Allende II die Welt noch weniger als zuvor.
"Keiner will das bei uns", sagt ein Mann
Der Fünftagebart im grünen Overall mustert das „schöne Ökoland“, wo im Sommer so wunderbar die Disteln blühen. Hier also sollen sie hin. Seit 32 Jahren ist der Mann Hausmeister in den Wohnblocks. „Haben die ’ne Macke?" fragt er den Reporter. „Warum nicht in Nauen aufs Gelände der Sowjetkasernen, da ist Platz?! Keiner will das bei uns", sagt der Grimmige. Im Juni seien bereits 300 Sinti, Roma, Rumänen, Bulgaren in ein leeres Altenheim, fünf Minuten von hier, gesteckt worden, angeblich übergangsweise, sofort habe es Einbrüche gegeben. Er musste viele Schlösser auswechseln. Im Altenheim hätten sie Angst. „Was soll eine Schwester nachts machen, wenn jemand klingelt? Mit den DDR-Vietnamesen damals ging es gut, die sind zum Arbeiten gekommen.“ Heute dürfe jeder für Asyl vor der Tür stehen. Und Kriegsflüchtlinge? „Das Problem sollen die lösen, die es geschaffen haben – die Amis, die überall Demokratie hinbringen wollen.“
Über "das Thema" wurde heute schon diskutiert
Nebenan, am Eingang der Humanistischen Kita „Rappelkiste", prangt ein Gütezeichen großer Wissenschaftsinstitutionen: „Diese Einrichtung ist ein Haus der kleinen Forscher.“ Das Personal mag nichts sagen, bittet um Verständnis. Eben erst habe man von den Senatsplänen gehört: „Wir müssen uns erst mal einen Plan machen und mit dem Träger abstimmen."
Ein paar Meter weiter am Lottoladen verkündet der Zeitungsaufsteller: „Berlin nimmt 12 000 Kriegsflüchtlinge auf". Wer hier reinkommt, lässt Dampf ab über das, was „mit unserem schönen Köpenick“ passiert. Im benachbarten Café äußert sich der kräftig tätowierte Kellner vorsichtig kritisch. Über „das Thema" sei heute schon diskutiert worden. Er lebe seit 19 Jahren im Viertel, „bisher war es schön, mit dem Wasser in der Nähe“ - aber seit Flüchtlinge im Ex-Altenheim nahebei wohnten, lasse er seine Kinder, zehn und zwölf, da nicht mehr zum Spielplatz. Was passiert sei? „Man hört einiges". Er sei kein Rassist: „Ich fahre oft nach Rom, da muss ich mich ja auch benehmen!" Dass Flüchtlinge, die nun kommen, sich benehmen könnten, mag sich hier offenbar keiner vorstellen. Seine Kinder, sagt der Kellner, seien oft bei ihrer Mutter in Pankow. Auch an der Karower Chaussee würden Container geplant.
Man hat es aus den Medien erfahren
Gegenüber dem Seniorenheim Bethel Köpenick liegt die Waldkita „Bude": ein „offenes Projekt ... Bei uns könnt ihr Patenschaften für Karnickel und Meerschweinchen übernehmen“. An den Scheiben des schmuck restaurierten Seniorenhauses wirbt ein Theaterplakat für „Das Schlitzohr von Köpenick“.
Bethel-Geschäftsführer Christian Wölfel ist „überrascht“, dass man erst aus den Medien vom Containerplan erfahren habe. Je weniger Information, desto größer die Unsicherheit unter den 164 Heimbewohnern, meint er. Nein, Diebstahl sei seit der Einquartierung anderer Flüchtlinge bei ihnen nicht vorgefallen. Aber wie das nun in der Nachbarschaft werde, wenn die Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, wie sich das „optisch" ausnehme, was die Zahl 400 im Alltag bedeute: Das müsse „erst noch bewertet werden“.