„Diese Entwicklung darf durchaus verwundern“: Kölner Ökonomen staunen über die robuste Konjunktur in Berlin
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat die regionale Ökonomie der Hauptstadt in der Corona-Pandemie untersucht - mit überraschenden Ergebnissen
Über sechs Jahre – von 2014 bis 2019 – hatte Berlin ein überdurchschnittlich starkes Wirtschaftswachstum verzeichnet und konnte so das Image als das Armenhaus der Republik relativieren. Viele Volkswirte hatten mit Beginn der Pandemie angenommen, dass es mit Berlin wieder abwärts gehen wird. Der Grund: Die Ausfälle für den Tourismus in der Tourismusmetropole Nummer eins machen der Stadt viel mehr zu schaffen als Regionen, die von Industrie leben. Nun aber zeichnet sich ab: Die Hauptstadt könnte weniger hart getroffen worden sein als andere Länder – und sich auch schneller erholen.
„Berliner Wirtschaftskraft: resilient und sexy?“, überschrieben Ökonomen des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW Köln) eine bisher unveröffentlichte Konjunkturanalyse, die dem Tagesspiegel vorliegt. Die Kölner Volkswirte zeigen sich in dem Bericht erstaunt darüber, dass sich „die Berliner Erfolgsstory“ auch im Coronajahr 2020 fortgesetzt habe. In der Spitzengruppe der fünf wirtschaftsstärksten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg und Hessen habe der Einbruch des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf jeweils mit einem Minus von mehr als vier Prozent über dem deutschlandweiten Einbruch von 3,4 Prozent gelegen. Bei einem durchschnittlichen Berliner sei die Wirtschaftsleistung im ersten Pandemiejahr hingegen um lediglich 1,4 Prozent zurückgegangen.
„Diese Entwicklung darf durchaus verwundern, erscheint die deutsche Hauptstadt doch insbesondere mit Blick auf die hohe Bedeutung des Dienstleistungssektors als hart vom Lockdown getroffen“, heißt es in dem Bericht. Deutschlandweit liegt der Anteil des Dienstleistungsgewerbe an der Bruttowertschöpfung bei 70 Prozent, in Berlin bei 86 Prozent.
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„Erstaunlicherweise fällt der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Berlin im Dritten Sektor vergleichsweise milde aus“, schreiben die IW-Ökonomen. Zwar träten in Hotellerie und Gastgewerbe aufgrund der Arbeitsverbote empfindliche Verluste auf, sie fielen aber nicht sonderlich ins Gewicht. Der Anteil der Beherbergungs- und Gastronomiedienstleistungen habe in Berlin lediglich einen Anteil von 2,5 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung.
IW-Chef Hüther: "Keinesfalls das Resultat solider Wirtschaftspolitik"
IW-Direktor Michael Hüther fasst die Erkenntnisse so zusammen: „Das deutsche Geschäftsmodell, wie auch das der Berliner Wirtschaft, basiert auf vielen unterschiedlichen Säulen. Dass die Hauptstadt langsam seine untergeordnete Rolle ablegt, zeigt wie vielseitig sich die Wachstumskerne der deutschen Wirtschaft entwickeln“. Dem rot-rot-grünen Senat spricht Hüther aber jeden Anteil an diesem Erfolg ab. Die Entwicklung sei „keinesfalls das Resultat einer soliden Wirtschaftspolitik in der Hauptstadt: Schließlich sind Agglomerationsräume mit ihrer Hochschul- und Forschungslandschaft ab einer bestimmten Größe Selbstläufer.“
Unabhängig davon, wer die Urheberschaft für den Erfolg für sich reklamieren darf: Berliner Volkswirtinnen und Volkswirte sind davon etwas weniger überrascht. Laut einer ebenfalls noch unveröffentlichten Prognose der Investitionsbank Berlin (IBB) dürfte die lokale Wirtschaft in diesem Jahr 2021 um 3,2 Prozent wachsen. Das wäre allerdings etwas weniger als für den Durchschnitt aller Bundesländer (3,5 Prozent) erwartet. Und auch die Förderbank hatte zu Beginn der Pandemie noch sehr düstere Szenarien vorgelegt.
IBB-Chef Allerkamp: "Made in Berlin" dank USA und China gefragt
In dieser Krise zeige sich die Widerstandsfähigkeit vieler spezialisierter Berliner Wirtschaftszeige, heißt es im Konjunkturbericht der landeseigenen IBB für Juni. Dazu gehörten insbesondere die Gesundheitswirtschaft und die Digitalwirtschaft. "So konnten die Berliner Industrieunternehmen im ersten Quartal 2021 ihre Umsätze stabilisieren". Sie seien geringfügig um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen. Die Aufträge sogar deutlich um 8,2 Prozent.
Dank des starken Aufschwungs in den USA und China sei „Made in Berlin“ international wieder gefragt: Die Berliner Exporte seinen im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,9 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro gestiegen. Die mit Abstand stärkste Warengruppe sind pharmazeutische Erzeugnisse, deren Ausfuhren um knapp 10 Prozent stiegen. Dagegen habe die Krise das Berliner Gastgewerbe weiter mit "voller Wucht" getroffen. Die Umsätze seien im ersten Quartal um knapp 70 Prozent eingebrochen.
„Das letzte Jahr hat allen eine Mammutanstrengung abverlangt. Jetzt atmen wir langsam wieder durch und schauen nach vorne", sagt Jürgen Allerkamp, der als Vorstandschef der IBB in wenigen Tagen in den Ruhestand geht. "Die Auftragsbücher sind gut gefüllt und auch die Konsumlaune steigt. Die IBB wird weiterhin mit voller Kraft die Unterstützungsmaßnahmen für die Berliner Wirtschaft umsetzen, damit sie spätestens zu Beginn des nächsten Jahres wieder auf ihr Vorkrisenniveau zurückfinden kann.“
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