"Ende Gelände": Kohle-Proteste in der Lausitz enden friedlich
Klima-Aktivisten demonstrierten in Südbrandenburg gegen den Kohleabbau, es blieb weitgehend ruhig. Tagebaue und Gleisanlagen waren zeitweise besetzt.
Weitgehend friedlich verliefen in der Lausitz am Samstag die Proteste des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“ gegen die Verstromung von Braunkohle (lesen sie hier die Details im Liveblog). Am Samstagmorgen besetzten knapp 1000 Aktivisten die Tagebaue Jänschwalde und Welzow-Süd, am Nachmittag hatten alle die Gruben dort wieder freiwillig verlassen.
In Jänschwalde, wo rund 400 Aktivisten auf dem Gelände waren, holte die Polizei die 160 Kohlegegner mithilfe von - beheizten - Fahrzeugen des Tagebaubetreibers Leag aus dem Areal, einige verließen es zu Fuß.
Am Morgen waren zudem rund 200 Aktivisten auf das Kraftwerk Jänschwalde zugelaufen. Die Polizei hatte vorher angekündigt, jeden Kraftwerksturm zu verhindern, und sicherte das Areal mit einem großen Kräfteaufgebot, einer Reiterstaffel und schwerer Technik ab. In einigem Abstand zum Kraftwerk stoppte die Polizei die Demonstranten.
Zudem besetzten insgesamt mehrere hundert Kohlegegner an drei Stellen - in Koppatz, Groß Oßnig (Spree-Neiße) und am Kraftwerk Jänschwalde - die Gleise der Kohlebahn.
Weil der Transport der Kohle blockiert war, fuhr der Energiekonzern Leag das Kraftwerk auf ein Minimum herunter, um die Zufuhr von Fernwärme für Cottbus sicherzustellen. Die Kohlegegner verließen die Gleise bis zum späten Nachmittag freiwillig. In den Gruben ruhte aus Sicherheitsgründen die Kohleförderung.
Bei Rangeleien gab es auch Verletzte
Kohle-Kumpel hielten derweil am Kraftwerk und an den Tagebauanlagen Mahnwachen ab, um für die Erhaltung der Tagebaue zu werben. „Wir lassen die Lausitz nicht ausradieren“, stand auf einem Transparent der Bergleute. Oder: „Ohne uns bleibt Euro Soja-Latte kalt.“
Die Proteste von „Ende Gelände“ richteten sich gegen die Klimapolitik der Bundesregierung. Die Aktivisten fordern einen sofortigen Kohleausstieg. Ziel der Bundesregierung ist ein Kohleausstieg bis spätestens 2038. Umweltverbände fordern einen Ausstieg bis 2030.
Im Tagebau Jänschwalde kam es am Morgen zu Rangeleien zwischen Polizei und Aktivisten. „Zur Abwehr eines Übergriffs auf Polizeibeamte bei der Besetzung des Tagebaus Jänschwalde mussten Reizgas und Schlagstock eingesetzt werden“, sagte Brandenburgs Polizeisprecher Torsten Herbst. Bei den Auseinandersetzungen seien drei Beamte leicht verletzt worden.
Im südlich von Cottbus gelegenen Tagebau Welzow-Süd, in den etwa 500 Klimaschützer eingedrungen waren, machten sich die ersten Kohle-Gegner am Nachmittag auf den Weg, um die Grube wieder zu verlassen – freiwillig und friedlich, wie Polizeisprecher Torsten Herbst sagte.
"Ein sehr komplexer Einsatz"
Polizisten hatten sich in die Grube zwischen Demonstranten und Großanlagen gestellt, um Besetzungen von Baggern zu verhindern. Die Brandenburger Polizei hatte sich darauf vorbereitet, die Proteste mit ausreichend Personal zu begleiten. Drohnen waren im Einsatz, Wasserwerfer standen bereit. Es sollte verhindert werden, dass wie bei den Klimaprotesten 2016 ein Kraftwerk gestürmt wird.
Auch Brandenburgs neuer Innenminister Michael Stübgen (CDU) war vor Ort. „Das ist ein sehr komplexer Einsatz, das wussten wir vorher“, sagte er. Das gesamte Kohlerevier wurde zum Einsatzgebiet erklärt: insgesamt 2700 Quadratkilometer. 41 Versammlungen mit 4000 Teilnehmer mussten geschützt werden. Am Wochenende waren es 2700 Polizisten aus mehreren Bundesländern.
Polizei stoppte rechte Schläger
Rechtsextremisten hatten seit Tagen gegen die Klimaproteste mobilisiert, in Spremberg stoppte die Polizei acht Personen, die auf dem Weg zu einer Mahnwache pro Braunkohle waren und die Axtstiele und Quarzhandschuhe dabei hatten. Einige sind der Polizei einschlägig wegen rechter Straftaten bekannt.
In Cottbus wurde ein Bus von Kohlegegner von mehreren Personen blockiert, neben dem Kraftwerk Jänschwalde versuchten Kohlebefürworter mehreren hunderte Demonstranten den Zutritt zu einer von der Polizei zugewiesenen Fläche zu blockieren. Die Polizei musste einschreiten. Ernsthafte Zusammenstöße gab es nicht.
Noch in der Nacht sollten die Kohlebahnen der Leag wieder fahren. Am Ende spielten auch die niedrigen Temperaturen der Polizei in die Hände. Die Klimaaktivisten wurden, nachdem sie Tagebaue und Gleise freiwillig verließen, mit Bussen zu Bahnhöfen oder am Ende gleich nach Berlin gefahren.
Die Einsatzführer der Polizei registrierten bei den Blockaden dabei, wie diszipliniert die Kohlegegner organisiert waren - selbst bei der Abreise. Penibel sammelten sie nach den Blockaden all ihre Müllreste auf.
Alle weiteren Aktionen für Sonntag wurden von den Kohle-Gegnern abgesagt, wie die Polizei bestätigte. Sie zog ein positives Fazit: Ein insgesamt friedlicher Einsatz. Nun wird ermittelt – teils auf Anzeige der Leag – wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Störung öffentlicher Betriebe und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.
Leag-Vorstandschef Helmar Rendez zeigte sich erleichtert. „Unsere schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetreten – trotz der großen Anzahl an Kohlegegnern, die auf unser Betriebsgelände vorgedrungen ist und des unmittelbaren Eingriffs in die Strom- und Wärmversorgung", sagte er. Der starken Polizeipräsenz sei es zu verdanken, dass es nicht zu „Übergriffen auf Anlagen und Maschinen verhindert“ kam.
Innenminister Stübgen sagte am Sonntag: „Mir sind die unsäglichen Bilder des Sturms auf das Kraftwerk „Schwarze Pumpe“ im Jahr 2016 noch deutlich in Erinnerung. Das hat sich an diesem Wochenende nicht wiederholt. Die Versorgungssicherheit der Kraftwerke war zu jeder Zeit gewährleistet. Der Rechtsstaat hat gezeigt, dass er funktioniert.“
Alexander Fröhlich