Berliner Verkehrsverwaltung: Koalition findet Kompromiss im Streit um Kirchner
Lösung im Fall Kirchner: Erst einstweiliger Ruhestand, mit Zusage für spätere Leitungsstelle.
Im öffentlichen Streit um den erkrankten Verkehrs-Staatssekretärs Jens-Holger Kirchner (Grüne) bahnt sich eine Lösung an, mit der offenbar alle drei Koalitionspartner leben können. Nach Informationen des Tagesspiegels wird Kirchner am Dienstag, wie von der Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos) vorgeschlagen, in den einstweiligen Ruhestand geschickt. Aber er soll die verbindliche Zusicherung erhalten, nach seiner vollständigen Genesung in der Verkehrsbehörde eine andere leitende Position zu bekommen. Gleichzeitig wird der Senat dem Wunsch Günthers wohl folgen, den Referenten in der Bundesverbraucherzentrale, Ingmar Streese, zum neuen Staatssekretär zu ernennen.
Pops Alleingang sorgte parteiintern für Ärger
Der Vorschlag der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), Kirchner solle Staatssekretär bleiben und stattdessen Streese auf eine andere, neu zu schaffende Stelle vertröstet werden, ist damit vom Tisch. Dem Vernehmen nach hat Pop am Freitag diese überraschende Idee weder mit der eigenen Partei noch mit den Regierungspartnern SPD und Linke abgestimmt. Auch nicht mit der Senatskanzlei. Sie soll lediglich den Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) nach der beamtenrechtlichen Möglichkeit gefragt haben, das Problem in ihrem Sinne zu lösen. Mit ihrem Alleingang habe sich Pop, so hieß es, parteiintern mächtig Ärger eingehandelt.
Der jetzt offenbar gefundene Kompromiss, der dem an Krebs erkrankten Kirchner eine beruflich-politische Perspektive bewahren soll, wurde von den Grünen-Landeschefs Nina Stahr und Werner Graf am Sonntag an den scheidenden Staatssekretär übermittelt, der momentan jeden Gesprächskontakt mit der Senatorin Günther ablehnt. In Senatskreisen wurde betont, dass es gegenüber Streese absolut unfair wäre, die Zusage für den Staatssekretärs-Posten kurzfristig zurückzunehmen. Zumal derzeit schwer abgeschätzt werden könne, wann Kirchner tatsächlich wieder arbeitsfähig sei.
Kirchner könnte Arbeit im Oktober 2019 aufnehmen
Nach den intern gehandelten Informationen ist Kirchner bis März in einer Chemotherapie, er geht dann bis Sommer in die Reha und könnte im Oktober 2019, wenn alles gut geht, wieder die Arbeit aufnehmen. Dann in neuer Funktion. Durch Übergangsgelder und Beamtenversorgung sei er finanziell zwei Jahre voll abgesichert. Sie wolle mit dem Grünen-Politiker aus Pankow, der als profilierter und hoch kompetenter Verkehrsexperte gilt, perspektivisch gerne weiterarbeiten, soll Günther intern versichert haben.
Die Ankündigung der Verkehrssenatorin, ihren Staatssekretär in den Ruhestand zu schicken, war in der vergangenen Woche bei Regierungs- und Oppositionspolitikern, bei Verkehrsexperten und in Fach- und Wirtschaftsverbänden auf Unverständnis und Empörung gestoßen. Ihr wurde vorgeworfen, völlig unsensibel mit Kirchners Krankheit umzugehen. Der Grünen-Bezirkschef Jens Haustein schrieb in einem Brief an die Mitglieder, er sei „überrascht und enttäuscht“. Auch die Grünen-Landesspitze äußerte sich in einem parteiinternen Schreiben und nannte Kirchner „unersetzlich für uns“.
Andererseits wurde bei den Grünen Verständnis geäußert für das Problem der Senatorin Günther, seit längerer Zeit keinen funktionsfähigen Verkehrsbereich mehr in ihrer Verwaltung zu haben. Die Mitarbeiter und der für andere Aufgaben zuständige Staatssekretär Stefan Tidow seien völlig überlastet. Die Schaffung einer dritten Staatssekretärs-Stelle hätte Abhilfe schaffen könne, aber das lehnte die Senatskanzlei dem Vernehmen nach ab.
Ulrich Zawatka-Gerlach