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Klein mit großem Plakat. Auch die Bergpartei wirbt für sich. Foto: Promo
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Bundestagswahl: Kleinparteien stellen sich vor

Bei den Bundestagswahlen treten auch Kleinparteien und Einzelkämpfer an. Zehn stellten sich bei einer Diskussionsrunde vor.

Akkreditierungslisten, professioneller Bühnenaufbau und minutiöse Abläufe mit festgelegten Redezeiten sucht man am Freitagabend im Crack Bellmer auf dem RAW-Gelände vergeblich. Stattdessen taucht die Moderatorin nicht auf und eine sympathische Planlosigkeit breitet sich unter den Organisatoren von der Bergpartei, den Gastgebern der Podiumsdiskussion, aus. Derweil sitzen Kandidaten und Zuschauer, die man hier nicht so recht voneinander zu unterscheiden vermag, auf gemütlichen Ledersofas, man trinkt sein Freitagabendbierchen, manche rauchen. Irgendwann geht die halbprofessionelle Politikerin mit der Piratenvertreterin Ute Laack durch: „Wo können wir denn mal Flyer auslegen?“ Da fächert sie auf dem Tresen die Hochglanzbroschüren und das Grundsatzprogramm ihrer Partei neben den persönlich signierten und zu Hause ausgedrückten DIN A4-Pamphleten von Direktkandidat Grog Grogsen (Anarchist) aus.

Einzelkandidaten und Ein-Themen-Parteien

Der dreadlockbezopfte Kettenraucher stellt sich in der dann ohne Moderatorin initiierten Vorstellungsrunde mit einer kleinen Stand-up-Einlage vor: „Ich bin selbstständiger Künstler. Satiriker und fordere Visafreiheit für Zeitreisende!“ Neben ihm sitzt die andere Direktkandidatin im Raum, Frigga Wendt, ihres Zeichens „Dauerkundin beim Jobcenter Pankow“, der der angebotene Job im Sexshop nicht dreckig genug war – „deswegen gehe ich jetzt in die Politik“. Sie setzt sich, wie die meisten anderen Parteien im Raum, für das bedingungslose Grundeinkommen ein und besetzt damit dieselbe Nische wie Marcel Merle vom Bündnis Grundeinkommen. Zusammen mit der Partei für Gesundheitsforschung und der Tierschutzpartei fallen sie damit unter die Ein-Themen-Parteien, die in der anschließenden Vorstellungsrunde etwas verblassen .

Meditation und Technologie macht bessere Menschen

Die anderen Parteienvertreter werden da grundsätzlicher: Dada Madhuvidyananda von „Menschliche Welt“ ist ein Yoga-Mönch und von Kopf bis Fuß in eine knallorange Mönchstracht gehüllt. Seine Partei empfiehlt Meditation als Mittel für mehr Empathie, menschlicheres Miteinander und schlussendlich das Gemeinwohl von Menschen, Tieren und Natur. Er lehnt das Wort „Wahlkampf“ ab und betreibt lieber eine Wahlkampagne. Die recht jungen Vertreter der „Transhumanen“ müssen erst einmal erklären, was Transhumanismus bedeutet: „Wir sind eine zukunftsoptimistische Partei, die die Chancen der Digitalisierung nutzen will.“ Ihr Programm hört sich ein wenig an wie ein Science Fiction-Roman: Die Grenzen des menschlich Machbaren sollen durch Technologie erweitert werden . „Aber nicht durch Mikrofone“, lautet ein scherzhafter Einwurf aus der Runde, als Vorsitzender Marcel Schnabel viel zu leise ins Mikrofon nuschelt.

Kleine Parteien fühlen sich benachteiligt

Steffen Doebert von der Mieterpartei fordert neben Mieterschutz ebenfalls das bedingungslose Grundeinkommen und offenbart die ambivalente Haltung zur Politik, mit der einige seiner Kollegen im Raum kämpfen: Einerseits stänkern sie gegen die „Verarsche“ durch den politischen Betrieb, der Grog Grogsen durch „Gegenverarsche“ entgegentreten will. Marcel Merle ist frustriert, weil Personen mehr im Vordergrund stünden als Themen, zum Beispiel „ein sexy Christian Lindner, der einem einen Thermomix verkaufen möchte“. Steffen Doebert ist neu im Politikbetrieb und kritisiert, dass Kleinparteien gegen die Großparteien um Platz für ihre Plakate an den Laternenmasten kämpfen müssen, kaum Budget haben und sich in den Medien unterrepräsentiert fühlten.

Andererseits sind die anwesenden Parteienvertreter selbst Teil des Parteiensystems. Fabian Blume von „Die Urbane. Eine HipHop-Partei“ warnt davor, Politikerbashing zu betreiben und schlägt vor, stattdessen Parteien konkret für ihre Politik zu kritisieren. Jörg Preisendörfer vom „Glitzerkollektiv“ stimmt seinem Kollegen zu. Seine Partei stellt sich zwar nicht zur Bundestagswahl, will aber eine Wahlempfehlung abgeben. Er hat eine klare Haltung zur Parteienpolitik: „Es gibt in Deutschland keine Organisationsform, für die so hohe Anforderungen in Hinblick auf Transparenz gelten wie für Parteien und das finden wir gut.“ Beni Richter von der Bergpartei hat große Pläne für die kleinen Parteien: Bei der Landtagswahl in Brandenburg könnten sie doch mit einer gemeinsamen Liste antreten. Deshalb habe man auch zur „Kleinparteien-Selbsthilfegruppe“ eingeladen. Die erste Sitzung war auf jeden Fall ein Erfolg.

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