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Kita Gleimstrolche in Prenzlauer Berg.
© imago/Christian Mang

Berlin-Prenzlauer Berg: Kitaträger wusste schon länger von den Misshandlungsvorwürfen

Eine Erzieherin soll in einer Berliner Kita Kinder gefesselt und zum Essen gezwungen haben. Der Träger der betroffenen Kita wusste wohl bereits im Februar davon, hat die Eltern aber erst jetzt informiert.

Es sind schlimme Vorwürfe. Eine Erzieherin in der Kita Gleimstrolche (Haus 1) in Prenzlauer Berg soll Kinder gefesselt haben und sie zum Essen gezwungen haben. In mehreren Fällen soll die Frau Kleinkinder mit dem Gesicht nach unten auf Matratzen fixiert und ihnen mit den Fingern Essen in den Mund gedrückt haben. Auch von drastischen Bestrafungen ist die Rede. Die Einrichtung in der Gleimstraße ist eine große Kita mit 120 Kindern. Die fragliche Erzieherin arbeitete in einer Gruppe mit Unter-Dreijährigen.

„Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was meinem Sohn passiert ist, sonst fange ich an zu heulen“, sagt ein Vater, der anonym bleiben will. Sein zweieinhalb Jahre alter Sohn besuchte seit eineinhalb Jahren die betroffene Gruppe. "Ich wusste nicht, dass mein Sohn Angst hatte.“ Er erhebt Vorwürfe gegen den Träger und die Kita-Aufsicht: „Meiner Meinung nach haben sie versagt und zu spät reagiert.“

Die Mutter, bei der der Junge lebt, sagte dem Tagesspiegel am Freitag, dass sie schon längere Zeit einen Verdacht hatte, dass etwas in der Kita nicht stimme. „Mein Sohn hat beim Hinbringen oft geschrien“, sagt sie. Nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, habe sie ihr Kind sofort abgemeldet und einen neuen Kitaplatz gefunden.

Erzieherin soll bereits im Februar eine Abmahnung erhalten haben

Erst vor ein paar Tagen seien die Eltern informiert worden. Bei Elternabenden am Montag und Dienstag habe der Geschäftsführer des Kitaträgers Kubibe, Thilo Schwarz-Schlüßler, erzählt, was seit Herbst 2016 vorgefallen sei. „Herr Schwarz-Schlüßler sagte, dass die Erzieherin schon im Februar eine Abmahnung erhalten habe“, sagt der Vater.

Diese Aussage bestreitet eine Sprecherin des Trägers: „Wir wurden am 28. Februar von der Kitaleitung informiert“, sagte Barbara Schwarz auf Anfrage des Tagesspiegels. Eine Abmahnung habe es gegeben, aber zu einem späteren Zeitpunkt – wann genau, wollte sie nicht sagen.

Entlassen wurde die Erzieherin aber offenbar erst im Mai. Die Kita-Aufsicht wurde nach Angaben der Senatsjugendverwaltung Anfang April vom Träger informiert, im Laufe des Aprils habe sich der Verdacht erhärtet und dann seien Konsequenzen veranlasst worden. In den Wochen vor der Entlassung arbeitete die Frau nach Tagesspiegel-Informationen nicht mehr bei den Unter-Dreijährigen, sondern bei älteren Kindern.

Anzeige wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen

Gegen die Erzieherin wurde Strafanzeige erstattet. Das Landeskriminalamt ermittelt wegen „Misshandlung von Schutzbefohlenen“, sagte ein Polizeisprecher. Die Anzeige sei nach dem Elternabend am 30. Mai erstattet worden.

Den Fall ins Rollen gebracht haben offenbar ehemalige Mitarbeiterinnen der Kita. Noch unklar ist, ab wann die Kitaleitung informiert war und welche Rolle andere Erzieherinnen gespielt haben. Wenn die Vorwürfe zutreffen, ist es schwer vorstellbar, dass andere Pädagoginnen nichts davon mitbekommen haben. Die Kitaleitung wurde inzwischen freigestellt, mehrere Mitarbeiterinnen haben sich krankgemeldet.

Die Senatsjugendverwaltung nimmt den Fall sehr ernst. Am Donnerstag gab es ein Gespräch zwischen Staatssekretärin Sigrid Klebba (SPD), Thilo Schwarz-Schlüßler und der Kita-Aufsicht. Nach Ansicht der Jugendverwaltung wurde die Kita-Aufsicht zu spät informiert und Informationen in der Einrichtung und zwischen Träger und Kita nicht schnell genug weitergegeben.

Zur Aufarbeitung sollen nun externe Fachleute hinzugezogen werden, die auch Ansprechpartner für die Eltern sein sollen. Man sei sich einig, dass die Kita nicht geschlossen werden soll, teilte ein Sprecher der Jugendverwaltung mit. Es müsse aber organisatorische Veränderungen geben.

Sylvia Vogt

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