Berlin-Kreuzberg: Kinder oder Bäume im Kreuzberger Kiez?
Der scheidende Baustadtrat lehnt 93 neue Kitaplätze zugunsten acht alter Eichen ab. Diese Woche soll darüber neu verhandelt werden.
Kreuzberg, 9 Uhr morgens. Mütter und Väter schieben die Kinderwagen die steile Methfesselstraße hoch. Sie bringen ihre Kleinen zur Kita „Kindergärten City“. Eine weitläufige Grünfläche mit hohen Bäumen umgibt das Gebäude, hier können sich die Kinder austoben. Die Kita ist beliebt: Viele Eltern warten auf einen der begehrten Plätze.
Denn diese sind Mangelware in Kreuzberg. Ausgerechnet hier hat nun der zuständige Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) den Ausbau der Kita „Kindergärten City“ an der Methfesselstraße nicht bewilligt. Grund: Acht 80 Jahre alte Eichen auf dem Grundstück sollen nicht gefällt werden. Die Bezirks-CDU pocht auf den Kita-Ausbau und will den Entscheid diese Woche noch in der Bezirksverordnetenversamlung kippen.
Mehr als zwei Jahre ist es her, dass die Kita „Kindergärten City“ am Viktoriapark, ein Eigenbetrieb des Landes Berlin, beschloss, auf den steigenden Bedarf an Kitaplätzen zu reagieren. Sie wollte ihre Kapazität verdoppeln: Heute werden hier 92 Kinder betreut, künftig sollen 93 weitere Plätze hinzukommen. Susanne Kabitz, Leiterin der Kindertagesstätte, stellte den Bauantrag beim Bezirksamt. Eine Architektin sowie zwei Millionen Euro aus dem Fonds „Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt“ (SIWA) des Berliner Senats hatte die Kitaleiterin bereits für das Vorhaben erworben. Alles wäre bereit für den Bau gewesen.
Akuter Bedarf an Kitaplätzen
Doch der 59-jährige Baustadtrat und Mitglied der Grünen Panhoff lehnte den Antrag im Oktober dieses Jahres ab. Die acht alten Eichen auf dem Grundstück seien schützenswert und sollen bleiben. „Das war eine korrekte Entscheidung auf der Basis eines Gutachtens der Senatsverwaltung für Umwelt. Es belegt klar, dass die Eichen nicht gefällt werden dürfen“, nimmt Stadtrat Knut Mildner-Spindler in Panhoffs Abwesenheit dazu Stellung. Sein Kollege Panhoff sei vor einem Dilemma gestanden. Kritik hätte es bei jeder Entscheidung gegeben - entweder von Eltern oder Naturschützern.
Panhoff habe daraufhin vorgeschlagen, den Ausbau auf den dazugehörenden Spielplatz zu verlagern, so Mildner-Spindler. Nur: Darunter befindet sich ein alter Bunker. Darüber zu bauen, kommt wiederum für Kitaleiterin Kabitz nicht infrage. Zu teuer wären die Baukosten. „Man weiß ja nie im Voraus, was man da ausbuddelt. Das Risiko einer Kostenexplosion müssten wir alleine tragen, das übernehmen keine Fördergelder“, sagt die 63-jährige.
Kritik an Panhoffs Vorgehen gibt es auch aus den eigenen Parteireihen. „Ich bin nicht sehr glücklich über den Entscheid“, sagte Grünen-Parteikollegin Monika Herrmann, designierte Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, dem Tagesspiegel. Im nächsten Satz räumte sie ein: Natürlich sei Baumschutz berechtigt. Aber als Leiterin der Abteilung für Familie, Gesundheit und Personal sei sie auch dafür verantwortlich, auf den akuten Bedarf an Kitaplätzen zu reagieren.
Soziale Infrastruktur oder Naturschutz?
Für Timur Husein, Fraktionsvorsitzender der Bezirks-CDU, ist die Sache eindeutig: Ins „Kita-Notstandsgebiet Kreuzberg“ müssen mehr Kitaplätze hin. Und zwar bald. „Man kann acht Bäume woanders pflanzen, aber nicht 93 Kitaplätze woanders bauen“, sagt der 36-jährige Politiker. Am Donnerstag will er den Kita-Ausbau auf die Tagesordnung der ersten Sitzung des neu gewählten Bezirksamts setzen. Hans Panhoff wird dann nicht mehr Teil des neuen Bezirksamts sein.
Soziale Infrastruktur oder Naturschutz an der Methfesselstraße? Welche Interessen im dicht besiedelten Kreuzberger Stadtraum Vorrang haben sollen, bleibt vorerst noch offen.
Die Eltern, die am Dienstagmorgen ihren Nachwuchs zur Kita an der Methfesselstraße bringen, sind sich über die ideale Prioritätensetzung im Kreuzberger Kiez meist einig: Kitaplätze vor Bäumen. Eine Mutter sieht das anders: „Die Bäume gehören einfach dazu. Gerade hier in der Stadt bieten sie den Kindern etwas Natur.“