Mahnwache für Julian Assange: Kerzen gegen Ungerechtigkeit und Folter
Jeden Mittwoch demonstrieren Menschen für den Wikileaks-Gründer in Berlin. Der Protest mobilisiert alle politischen Lager, aber auch Verschwörungstheoretiker.
Kerzen werden angezündet. Daneben positionieren zwei Männer ein großes Banner, „FREE Julian Assange“ steht darauf. So oder so ähnlich beginnt jeden Mittwoch zwischen Brandenburger Tor und US-Botschaft die Mahnwache für Julian Assange, den Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks.
Mittendrin ist wie immer Patrick Bradatsch. Der 42-Jährige ist Organisator von Candles4Assange, der wöchentlichen Mahnwache für Julian Assange. Patrick wuselt zwischen den Leuten umher, umarmt Menschen zur Begrüßung und dankt für die Anwesenheit.
Seit mehr als 30 Wochen findet auf diesem ungemütlichen Fleck Berlins die Mahnwache statt.
Die Teilnehmer wollen damit Aufmerksamkeit für das Schicksal von Julian Assange erzeugen. Inzwischen sitzt der Australier in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis, zuvor harrte er fast sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London aus.
Das Land hatte ihm politisches Asyl gewährt. Im April 2019 wurde Assange dann der Botschaft verwiesen und von britischen Polizisten festgenommen. Die USA fordern seine Auslieferung und wollen ihn wegen Geheimnisverrat anklagen. Ihm drohen 175 Jahre Haft. Der UN-Sonderbeauftragte für Folter, Nils Melzer, hat zuletzt gewarnt, dass Assange durch jahrelange psychische Folter sogar sterben könnte, sollte er nicht bald geschützt werden.
Die Teilnehmer singen "Die Gedanken sind frei"
Politisch will Patrick weder sich noch die Mahnwache einordnen. „Hier darf jeder zu Assange sprechen, aber Fahnen von Parteien will ich nicht sehen“. Anfang des Jahres hatte er Candles4Assange bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz vorgestellt, die „Omas gegen Rechts“ haben die Mahnwache schon besucht. Aufgetreten ist aber auch Ken Jebsen, dem immer wieder der Hang zur Verschwörungstheorie und sogar Antisemitismus vorgeworfen werden.
„Ich kann Ungerechtigkeit nicht ertragen“, sagt Patrick, deswegen hat er die Mahnwache ins Leben gerufen. Für ihn ist Assange ein Journalist, der genau diese Ungerechtigkeiten aufdeckt. „Wir fordern die unverzügliche Freilassung der politischen Gefangenen Julian Assange und Chelsea Manning“, sagt Patrick in seinem Redebeitrag. Für ihn sei der Pariser Platz mittwochs zu „einer Art Wohnzimmer“ geworden.
Seit einiger Zeit singen sie mittwochs „Die Gedanken sind frei“ in einer Assange-Version. An jenem Abend fehlen Lichter, Lautsprecher und Mikrofon, die zuständigen Personen sind im Urlaub. Man merkt, dass die Veranstaltung nicht professionell organisiert ist. „Ich mache gerade zwei Vollzeitjobs für Candles4Assange“, sagt Patrick. Er beantwortet Mails, pflegt die Webseite und hält Kontakt zu anderen Aktionen weltweit.
Bereits 2015 setzte Patrick sich mit dem Projekt „Anything to say“ für Pressefreiheit ein. Im Rahmen dieses Projekts wurden Statuen von Edward Snowden, Julian Assange und Chelsea Manning auf dem Alexanderplatz aufgestellt. Seitdem reisen diese um die Welt, zuletzt begleitete Patrick sie nach Brüssel. Durch das Interview mit Nils Melzer hat die Aufmerksamkeit für den Fall Assange wieder zugenommen.
Auch aus prominenten Kreisen erfährt der Wikileaks-Gründer neue Unterstützung: Ex-Außenminister Sigmar Gabriel und rund 130 weitere Künstler, Journalisten und Politiker haben öffentlich die sofortige Freilassung von Assange gefordert.
Dennoch ist Assange nicht unumstritten, unter anderem wegen der Wikileaks-Veröffentlichung von Hillary Clintons Mails im US-Wahlkampf 2016. Experten sind sich einig, dass die veröffentlichten Mails Einfluss auf den Ausgang der Wahl hatten und letztendlich sogar Donald Trump zum Sieg verholfen haben könnten. Dazu sagt Patrick, dass er Assange für die Veröffentlichung keinen Vorwurf machen würde.
Wikileaks veröffentliche Dokumente ohne politische Agenda. Bereitgestellte Dokumente würden nach einer internen Prüfung veröffentlicht, wenn sie für die Öffentlichkeit relevant sind.
Die Veranstaltung am Brandenburger Tor endet nach anderthalb Stunden, die Anwesenden sind durchgefroren. „Bis nächste Woche“, sagt Patrick zu den Teilnehmern. „Ich habe jetzt die Genehmigung für den Rest des Jahres bekommen.“ Es sieht so aus, als ob es noch zahlreiche Mahnwachen geben müsste, bis Besserung für Assange in Sicht ist.