Wohnungsbau in Berlin: Keine neuen Wohnungen am Thälmannpark
Ein Investor plant 600 neue Wohnungen in Prenzlauer Berg. Doch daraus wird nichts. Der Bezirk will nicht, und auch der Senat wird das Verfahren nicht an sich ziehen.
Im Thälmannpark kann man jetzt feiern. Vor Kurzem wurde der ehemalige Güterbahnhof Greifswalder Straße vom Tuchlager zur Eventlocation umfunktioniert. Die lässt sich für Hochzeiten und Galadiners anmieten, Zalando hat die Firmenparty hier in schickem Industrie-Ambiente abgehalten. Ob auch die Bewohner der benachbarten Siedlungstürme aus der DDR-Endzeit im stylischen „Von Greifswald“ feiern werden, ist fraglich. Dabei hätten sie durchaus Grund dazu: Ihre Initiative war erfolgreich. Eine Bebauung des Güterbahnhofsareals mit Wohnungen ist unter dem derzeitigen Senat vom Tisch.
Es geht um eine der letzten großen Freiflächen Prenzlauer Bergs. Sie liegt im Nordosten des Thälmannparks, direkt an der Ringbahn. Rund 28.000 Quadratmeter davon gehören seit 2010 dem Investor Christian Gérôme. Gemeinsam mit der Gewobag will er 600 Mietwohnungen errichten. Nach jahrelangem Streit mit Anwohnern und Bezirk hatte Gérôme an Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) appelliert, die Planung an sich zu ziehen und Baurecht zu vergeben. Dies sei ihm im schwarz-roten Vorgängersenat zugesichert worden.
Der Senat zieht das Verfahren nicht an sich
Anfang der Woche hat Lompscher diesem Wunsch eine Absage erteilt. Das bestätigte Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn. Der Grünen-Politiker befürwortet Wohnungsbau am Standort Güterbahnhof: „Er ist ideal, gerade von der Verkehrsanbindung her.“
Doch sein Vorstoß auf höchster Berliner Bauebene scheiterte: „Bei einem Treffen mit der Senatorin Frau Lompscher diesen Montag wurde klar: Der Senat wird das Verfahren nicht an sich ziehen.“
Lompschers Sprecherin Katrin Dietl verweist auf „formale Voraussetzungen (§7 AGBauGB), die regeln, ab wann der Senat ein Verfahren an sich zieht“. Das wäre bei „dringendem Gesamtinteresse Berlins“ für Bauvorhaben ab 200 Wohnungen möglich. Obwohl diese Größe im Thälmannpark erreicht würde, sagt Dietl: „Diese Grundlagen liegen im aktuellen Fall schlicht nicht vor.“ Zudem sei kein "formelles Ersuchen des Bezirksamts an den Senat" ergangen, das Verfahren an sich zu ziehen.
Zuvor hatten Linke und SPD in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gegen das geplante Wohnbauprojekt votiert.
Der Ärger ist groß
Im Juni legte der Bezirk Gérômes Pläne per BVV-Beschluss formell zu den Akten. Nur eine Bebauung der kleineren gegenüberliegenden Fläche mit 130 Wohnungen durch die städtische Gewobag wurde in Aussicht gestellt. Doch auch dazu wird es wohl nicht kommen, weil das Vorhaben nun zu klein für einen Bebauungsplan ist. Laut Dietl entschieden Lompscher und Bezirk am Montag gemeinsam, das Projekt deshalb „auf der Liste der Wohnungsbauvorhaben zurückzustellen“.
So bleibt die grüne Idylle mindestens bis zu den nächsten Wahlen 2021 von der Nachverdichtung durch Wohnhäuser verschont, die in Pankow und gerade Prenzlauer Berg an allen Ecken stattfindet.
Für Gérôme stellt die Entscheidung ein „Armutszeugnis“ für Berlins Baupolitik dar: „Dringend benötigter Wohnraum für 2000 Menschen ist der Bausenatorin nicht wichtig genug?“ Er wirft Lompscher vor, sie stelle wie ihre Parteigenossen im Bezirk die Interessen der Anwohnerinitiative über das Gemeinwohl, um den Linken-Wahlbezirk Thälmannpark nicht zu verlieren. Mit „Scheinargumenten“ wie verringerter Frischluftzufuhr würde letztlich der Bau von Familienwohnungen verhindert.
Eine Unwägbarkeit bleibt aus Sicht der Anwohner aber: Nach dem Lückenschlussprinzip wären weiter Gewerbebauten auf dem Industrieareal möglich, dagegen gäbe es rechtlich keine Handhabe. „Darüber würde im Bauamt entschieden werden, da sehe ich dann kein gravierendes Hindernis“, sagt Vollrad Kuhn.
Über dauerhafte Gewerbebauten, etwa Bürohäuser oder Hotels, will Gérôme aber frühestens in fünf bis zehn Jahren nachdenken, trotz des politischen Gegenwinds gibt er die Wohnbaupläne nicht auf. Einstweilen betreibt er weiter Zwischennutzung.
Schon bald könnte neben dem „Von Greifswald“ ein Autohandel oder ein Schrottplatz entstehen. „Wir müssen ja die Kosten reinholen“, sagt Gérôme. „Aber es ist ein Skandal, dass Frau Lompscher trotz der Wohnungsnot hier offenbar lieber einen Recyclinghof will.“