Im Widerstand gegen die Kreisreform: Brandenburg will Berliner mit Wohnungen locken
Potsdams Oberbürgermeister Jakobs (SPD) fordert statt der Gebietsreform mehr Wohnungsbau. Neuer Kompromissvorschlag zu engerer Kooperation der Kreise.
Statt der „überflüssigen“ Kreisgebietsreform sollte Brandenburg nach Ansicht des Potsdamer Oberbürgermeisters Jann Jakobs (SPD) gezielt Wohnungssuchende aus dem wachsenden Berlin in die Mark locken. „Wir müssen als Land Brandenburg versuchen, von den Problemen des Landes Berlin zu profitieren“, erklärte Jakobs, der Präsident des Städte- und Gemeindebundes in Brandenburg ist, am Donnerstag auf einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags. Jakobs und auch der Präsident des Landkreistages, Potsdam-Mittelmark-Landrat Wolfgang Blasig (beide SPD) forderten vehement, die Kreislandkarte in Brandenburg nicht anzutasten. „Das ist ein Irrweg“, warnte Jakobs. Das setzt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und die rot-rote Regierung weiter unter Druck. Die Kommunen fordern in seltener Einigkeit eine Absage der Gebietsreform, sind aber offen für eine Verwaltungsreform.
Auch gemeinsame Ämter sind im Gespräch
Blasig machte einen konkreten Kompromissvorschlag, wonach Landkreise gesetzlich zu engeren Kooperationen verpflichtet werden könnten, etwa zu gemeinsamen Ämtern von kreisfreien Städten wie Cottbus und dem Kreis. Gemeinsame Leitstellen für den Rettungsdienst habe das Land ja auch durchgesetzt.
Jakobs wies darauf hin, dass wegen des „Riesenwachstums von Berlin“ die Bevölkerungsprognosen für Brandenburg „obsolet“ seien, mit denen die Kreisgebietsreform maßgeblich begründet wird. „Schalten Sie einfach Ihren gesunden Menschenverstand wieder ein!“, appellierte Jakobs an die eigenen Genossen. „Man muss doch mal erkennen, dass aktuelle Entwicklungen das, was man langfristig prognostiziert hat, einfach mal überholen.“ Er kritisierte, dass die Pläne, Kreise zu fusionieren und die Städte Cottbus, Frankfurt/Oder und Brandenburg in Kreise zu integrieren, die boomende Entwicklung Berlins ausblenden würden.
Jakobs lockt mit schnelleren Behörden
Dabei könne Brandenburg bei Defiziten der Berliner Wohnungspolitik ansetzen: „Brandenburg müsste eine Strategie entwickeln, wie man davon profitieren kann.“ Jakobs rechnete vor, dass in Berlin jährlich 26.000 Wohnungen gebaut werden müssten. Aber Berlin schaffe höchstens 8000 Wohnungen pro Jahr. Das sei eine Chance. „Es gibt in Berlin auch eine Mentalität: Man ist sich selbst genug“.
Zum anderen sei es ein Wettbewerbsvorteil, dass Brandenburg mit schnellen Behördenentscheidungen etwa für Ansiedlungen oder Baugenehmigungen punkten könne. „In Brandenburg gibt es eben keine Doppelstrukturen von Senatsverwaltungen und Bezirken.“ Damit aber noch mehr Berliner nach Brandenburg ziehen, müsste laut Jakobs die Infrastruktur, besonders im Verkehr, ausgebaut werden.
„Überall dort, wo man Berlin innerhalb einer Stunde mit dem Zug erreichen kann, gibt es auch verstärkten Zuzug,“ sagte auch Landrat Wolfgang Blasig. Es seien meist Berliner, meist junge Familien, die rausziehen, auch wegen der guten Kitas und Schulen. „Möglicherweise hat das auch Einfluss auf die Demografie.“
„Die Welt endet nicht an der Landesgrenze"
Aber auch die Berliner schielen nach Brandenburg. Macht ja auch für den Bürger wenig Unterschied, ob er in Staaken wohnt oder drei, vier Meter weiter in Falkensee. „Die Welt endet nicht an der Landesgrenze. Das gilt auch beim Wohnungsbau“, sagt deshalb Spandaus Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD). Ähnliche Stimmen kommen aus der anderen Ecke der Stadt. Stefan Förster, Abgeordneter der FDP, sagt: „Uns betrifft das in Köpenick ja genauso, wir sind auch großteils von Brandenburg umgeben.“ Allerdings wird immer wieder die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern kritisiert – das betrifft oft die Verkehrsplanung, wo vierspurige Straßen plötzlich im Nachbarland nur noch holprig-zweispurig sind oder sich die Politik im Klein-Klein nicht einigen kann, wer denn nun den Kreisverkehr oder P+R-Parkplatz an an der Landesgrenze baut – Berlin oder Brandenburg.