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Transparent im Bürgeramt Pankow.
© Jörg Carstensen/dpa

250.000 unerledigte Termine: Keine Lösung für Terminstau bei Berliner Bürgerämtern

Vertreter von Senat und Bezirken konnten sich bei einem Treffen nicht einigen. Eine Entlastung der Bürgerämter wackelt auch, weil Innensenator Geisel die Belegschaften verärgert hat.

Wer angesichts der neu gewonnenen Reisefreiheit noch schnell einen neuen Personalausweis oder Reisepass beantragen muss, braucht entweder Geduld oder starke Nerven. Ein wegen des Terminstaus in den Bürgerämtern zum „Krisengipfel“ stilisiertes Treffen der Bezirksbürgermeister:innen mit verschiedenen Senatsmitgliedern, darunter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Innensenator Andreas Geisel (beide SPD), endete am Dienstag ergebnislos.

Zwar habe man sich „ehrlich und kontrovers“ ausgetauscht, wie im Nachgang des Treffens Teilnehmer berichteten. Konkrete Schritte, um die Schätzungen zufolge 250.000 unerledigten Termine abzuarbeiten, wurden aber nicht beschlossen. Stattdessen soll es am kommenden Mittwoch ein erneutes Treffen zwischen den für die Bürgerdienste der Bezirke zuständigen Stadträt:innen sowie Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) geben.

Smentek hatte, nachdem Geisel die Situation in den Ämtern öffentlich kritisiert und damit für massiven Unmut auch in der Belegschaft der Bürgerämter gesorgt hatte, eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, um den Terminstau abzubauen und dem „akuten Handlungsbedarf“ gerecht zu werden. In einem dem Tagesspiegel vorliegenden Rundschreiben hatte sie die Situation als „Belastungsprobe für das Land Berlin und die Bezirke“ bezeichnet.

Die reibungslose Arbeit in den Bürgerämtern erklärte Smentek zur „Vertrauensfrage in die Funktionsfähigkeit des Staates“. Von „personalrechtlichen Möglichkeiten wie der Anordnung von Überstunden beziehungsweise Mehrarbeit oder einer Urlaubssperre“ war darin die Rede, Schichtarbeit sollte eingeführt werden und die Termintaktung von derzeit zwölf auf zehn Minuten pro Termin reduziert werden.

Weiterbildungen sollten gestoppt, Mitarbeiter:innen aus anderen Bereichen abgeordnet und unbesetzte Beschäftigungspositionen und Stellen im Bürgeramt prioritär besetzt werden, forderte Smentek weiter. „Ich baue darauf, dass Sie in der Bewertung der Lage gleicher Auffassung sind wie ich und dass Sie – auch ohne formale Vereinbarung – alle auch nur denkbaren Veranlassungen treffen, um das Dienstleistungsangebot in den Bürgerämtern wieder zu verbessern“, erklärte Smentek schließlich deutlich. Sie scheiterte genau wie Geisel – zumindest vorerst.

Bezirke beklagen „medialen Kampagne“ seitens Innensenator Geisel

Zwar erklärte der Innensenator im Nachgang der Sitzung am Dienstag, die Beteiligten hätten sich auf eine Ausweitung der Öffnungszeiten sowie eine Verbesserung des Buchungssystems geeinigt. Andere Teilnehmer:innen wiederum dementierten, dass in der Runde überhaupt irgendwelche Entscheidungen getroffen worden waren. Sie verwiesen auf das vereinbarte Treffen der fachlich zuständigen Stadträte und erklärten, nach der „medialen Kampagne“ Geisels gegen die Bürgerämter hätten sie in den Bezirken ausreichend damit zu tun, die aufgebrachte Belegschaft zu befrieden.

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Eine weitere schlechte Nachricht für auf einen Termin beim Bürgeramt angewiesene Berliner:innen kündigt sich bereits an: Auch der Zeitplan für die als Notmaßnahme geplante Eröffnung eines zusätzlichen Bürgeramtes in Mitte wackelt. Mehrere Verwaltungsexperten, darunter der Stadtrat für Bürgerdienste, Wirtschafts- und Ordnungsangelegenheiten in Charlottenburg-Wilmersdorf, Arne Herz (CDU), machte ein großes Fragezeichen hinter die für den 1. August geplante Eröffnung der Zweigstelle, die nach Angaben Geisels bis zu 15.000 Termine im Monat abarbeiten soll.

Geisel: Entspannung in drei Wochen „objektiv nicht möglich“

Während dieser am Zeitplan festhielt und für den Fall der Eröffnung von einer „entsprechenden Entlastung“ sprach, hieß es aus dem Bezirksamt Mitte, die Inbetriebnahme könne „möglicherweise nur sukzessive erfolgen“. Als „äußerst knapp bemessen“ wurde der Zeitplan des Senats bezeichnet und die Befürchtung geäußert, Hoffnungen der Bürger:innen könnten enttäuscht werden. Ähnlich äußerte sich Sören Benn (Linke), Bezirksbürgermeister von Pankow. Geisel selbst schränkte ein, die Situation in drei bis vier Wochen zu entspannen, sei „objektiv nicht möglich“.

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Tatsächlich muss das in der Klosterstraße geplante Bürgeramt noch an das Berliner Landesnetz angeschlossen werden, ein zeitraubendes Verfahren. Außerdem fehlt die Nutzungsgenehmigung für den Publikumsverkehr, ein neuer Bauantrag ist nötig. Dass beides innerhalb der verbleibenden sechs Wochen gelingen kann, ist fraglich. Zumal auch andere Bereiche der Verwaltung weiterhin nur eingeschränkt arbeiten können.

Unklar ist zudem, wann die Verwaltung insgesamt wieder in den Regelbetrieb zurückkehren wird. Noch bis Ende Juni gilt die Festlegung, dass nur jeder zweite Büroarbeitsplatz besetzt werden darf – für Bereiche mit Publikumsverkehr gelten Ausnahmen. Ein allgemeines Rückkehrszenario befindet sich in der Abstimmung, hatte Smentek am Montag im Abgeordnetenhaus erklärt.

Aus der für die rund 120.000 Angestellten des Landes zuständigen Finanzverwaltung hieß es am Dienstag, für konkrete Aussagen sei es zu früh, eine Lockerung der bestehenden Regelung werde aber mit Sicherheit kommen. In Charlottenburg-Wilmersdorf wiederum sollen ab 1. Juli alle Mitarbeiter:innen an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, wie Arne Herz erklärte. Zur Vorgehensweise in den anderen Stadtteilen wollte er sich nicht äußern. Die Lage ist wie so oft zwischen den Bezirken: äußerst vielseitig.

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