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Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist unzufrieden über die Terminprobleme bei Berlins Bürgerämtern.
© Annette Riedl/dpa

Keine freien Termine mehr bis August: Berlins Innensenator schlägt Zentralisierung der Bürgerämter vor

Berlins Bürgerämter haben einen Rückstau von mehr als 200.000 Terminen. Innensenator Andreas Geisel schlägt deshalb vor, die Dienste beim Senat anzusiedeln.

Die Kalendertage sind allesamt rot hinterlegt. Wer in Berlin einen neuen Personalausweis beantragen oder seinen Wohnsitz ummelden will, hat keine Chance, in den kommenden zwei Monaten noch einen freien Termin zu finden.

Das Online-Programm des Landes zeigte auch am Mittwoch kein freies Zeitfenster für einen Besuch im Bürgeramt an. Um die Probleme bei der berlinweiten Terminvergabe in den Bezirksämtern zu beheben, schlägt Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) nun eine Verwaltungsreform in der Hauptstadt vor.

Dabei könnten die Aufgaben der Bürgerämter beim Senat zentralisiert werden. „Man muss darüber nachdenken, ob die Verteilung der Aufgaben in der Stadt zwischen Senat und Bezirken noch angemessen ist“, sagte ein Sprecher Geisels dem Tagesspiegel. „Es geht um die Frage, ob es nicht besser wäre, wichtige standardisierte staatliche Dienstleistungen wie Melde- und Passangelegenheiten zentral auf Landesebene anzusiedeln.“

Für die vorgeschlagene Reform sei eine Verfassungsänderung nötig, erklärte der Sprecher. „Das werden wir nicht bis zum Ende der Legislatur hinbekommen. Deshalb gucken wir, wie man auch ad hoc für ein Verbesserungen sorgen kann.“ Er bestätigte damit entsprechende Aussagen, die Geisel in der „Berliner Morgenpost“ getroffen hatte.

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Der Innensenator hatte dort auch kurzfristig wirkende Maßnahmen zur Verbesserung der Bürgerämter ins Spiel gebracht. So könnten Schichtsysteme und eine Ausweitung der Öffnungszeiten die Situation verbessern.

Daneben könnten die Bürgerämter entlastet werden, indem die Berlin-Pässe für sozial Bedürftige ohne Antrag bis zum Jahresende verlängert würden. Dies allein würde 150.000 Termine im Jahr frei machen. Auch die Möglichkeit zur schriftlichen Ummeldung würde den Bürgerämtern mehr Luft verschaffen.

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Die Kritik an der Lage in den Bürgerämtern war zuletzt immer lauter geworden. Geisel selbst nannte die Situation in der vergangenen Woche im Abgeordnetenhaus „unbefriedigend“. Inzwischen hätten sich berlinweit 200.000 bis 250.000 offene Termine angestaut. „Das sind zwei Monate Arbeit, die sich angehäuft haben“, sagte Geisel im Plenum.

Derzeit nur 60 Prozent der Mitarbeiter in den Bürgerämtern

Laut dem Innensenator könnten wegen der Corona-Pandemie derzeit nur 60 Prozent der Mitarbeiter präsent in den Bürgerämtern arbeiten. Mehr lasse die bauliche Situation nicht zu. Etwas Besserung könnte das neue Bürgeramt in der Klosterstraße Mitte bringen, das ab August speziell für zentrale Anliegen wie Ausweis- und Meldevorgänge öffnet.

Über die Vorschläge will der Innensenator am kommenden Dienstag in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Bezirksbürgermeistern sprechen. Anlass ist die Bilanz des „Zukunftspakts Verwaltung“, mit dem Senat und Bezirke die Behörden modernisieren wollen.
Im Senat kursiert Geisels Zentralisierungsidee schon länger, allerdings kaum konkret. Denn sie ist politisch mit größeren Schwierigkeiten verbunden: Eine Zustimmung der meisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gilt als unwahrscheinlich, wäre aber eine Bedingung für eine Änderung der Verfassung. So gibt es zwar in allen drei Koalitionsparteien Sympathien für den Vorschlag Geisels, ob er umsetzbar ist, wird aber stark bezweifelt.

Bezirke kritisieren Geisels Bürgeramts-Pläne

Heftige Kritik erntet Geisel von Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke). Er wertete den Vorstoß des Innensenators als „Aktionismus“, der nur dem Wahlkampf geschuldet sei. „Etwas zu zentralisieren, hat in Berlin noch nie etwas verbessert. Wir wissen, dass die Bürgerinnen und Bürger vor Ort Bürgerämter haben wollen.“ Benn nannte auch die Zahl von bis zu 250.000 angestauten Terminen aus der Luft gegriffen. „Mein Bürgeramt weiß nicht, wie Herr Geisel zu dieser Rechnung kommt.“

Sören Benn, Bezirksbürgermeister von Pankow.
Sören Benn, Bezirksbürgermeister von Pankow.
© picture alliance/dpa

Bislang hätten Vorschläge aus dem Senat wenig gebracht. Auch Vorschläge aus der Innenverwaltung hätten wenig gebracht. „Alle Aktivitäten, die es auf Senatsebene gab, haben es nur verschlimmert.“ So werde die Situation schlechter, seit 2019 eingeführt wurde, Termine nicht mehr nur 14 Tage, sondern acht Wochen im Voraus buchen zu können. Zuvor habe es geklappt, einen Termin innerhalb von zwei Wochen zu bekommen.

Seither buchten die Berliner:innen ihr Zeitfenster über Wochen im Voraus – nur um dann nicht zu erscheinen. Jeder zehnte Termin werde dadurch in Pankow nicht wahrgenommen. In Neukölln seien es sogar 20 Prozent. Schuld sei vor allem, dass es so kompliziert sei, die Termine zu stornieren, sagte Benn: „Um abzusagen muss man einen Hochschulabschluss haben.“

Auch Knut Mildner-Spindler (Linke), stellvertretender Bezirksbürgermeister und zuständig für den Bereich Bürgerämter hält nichts von Geisels Vorschlag. "Warum sollte ausgerechnet der Senat das schneller abbauen? Mit welchen Mitarbeitern? Mit welchen Mitarbeitern?" Der Vorschlag des Innensenators simuliere nur Handlungswillen. Nötig sei eine Lösung, bei der Senat und Bezirke nicht gegenseitig auf sich zeigen würden. §Den Bezirken fehlen vor allem die Mittel, um neues Personal einzustellen. Dafür sollte der Senat die Mittel zweckgebunden freigeben, damit sie auch wirklich in die Bürgerdienste fließen", sagte Mildner-Spindler.

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