150 Jahre: BVG feiert in Berlin: Keine Frauen = keine Straßenbahn
Im Tiergarten fing alles an, dann kam die Mauer. Die Geschichte der BVG-Straßenbahn ist lang - und oft abenteuerlich. Heute nutzt selbst die Polizei alte Depots.
Unvorstellbar: In den 1950er Jahren war ganz Berlin eine Straßenbahnstadt. Im Zentrum gab es fast keine Straße ohne Schienen. Das Netz gehörte zu den größten der Welt.
Begonnen hatte es vor 150 Jahren ganz bescheiden: Am 22. Juni 1865 eröffnete die Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft E. Besckow die erste deutsche Pferdebahnlinie auf Gleisen vom Brandenburger Tor über die heutige Straße des 17. Juni nach Charlottenburg. 8,6 Kilometer war die Strecke lang.
Am 28. August wurde sie zum Kupfergraben an der Museumsinsel verlängert. Am 16. Mai 1881 fuhr dann in Groß-Lichterfelde die erste elektrische Straßenbahnlinie der Welt – entwickelt von Werner von Siemens, der später auch den Bau der ersten U-Bahn Deutschlands in Berlin vorangetrieben hatte.
Das Gleisnetz der „Berliner Straßenbahn“ war 1920 insgesamt 1250 Kilometer lang, heute sind es 189,4 Kilometer. Damit ist das Netz immer noch das größte in Deutschland.
Die West-Berliner schickten die Bahnen zurück
Nach dem Krieg wurde es – wie die Stadt – geteilt. Der letzte Schritt dazu kam von der West-BVG, eingefädelt von den Verantwortlichen im Ostteil der Stadt. Diese schickten, obwohl es im Westteil nicht gestattet war, 1953 Frauen als Fahrerinnen auf die Linien im Westen – und prompt schickten die Verkehrsmeister der West-BVG an den Sektorengrenzen die Bahnen zurück in den Osten.
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Nach wenigen Tagen wurde der Verkehr über die Sektorengrenze schließlich auf Dauer eingestellt. Fahrgäste mussten vor der noch offenen Grenze aussteigen und auf der anderen Seite wieder in eine Bahn steigen.
1967 kam im Westteil der Stadt das Ende für das einstige Vorzeigeprojekt. Am 2. Oktober fuhren die letzten Straßenbahnen auf der Linie 55 zwischen Bahnhof Zoo und Hakenfelde. Begonnen hatte der Niedergang bereits 1954. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen wandelte der Aufsichtsrat der BVG damals eine vorgesehene Bestellung von Straßenbahnen in eine Busbeschaffung um. Busse und die U-Bahn sollten die alte Straßenbahn ersetzten.
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Der Spandauer Bürgermeister Klaus Boddin glaubte schon damals nicht so recht daran. Bei der Abschiedsfahrt prophezeite er, dass sich Menschen auf dem Mond tummeln würden, ehe man unter der Erde nach Spandau käme. Und er behielt recht: Der erste Mensch betrat 1969 den Mond – die erste U-Bahn erreichte Spandau erst 1984 (noch immer kämpfen aber Bürger für die Rückkehr der Straßenbahn nach Spandau).
Die Straßenbahn kam erst in den 90ern zurück auf den Alexanderplatz
Auch in Ost-Berlin musste die Straßenbahn das Zentrum größtenteils verlassen. Dafür wurden Strecken in die neuen Stadtteile Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf gebaut. Die Gleise lagen schon, bevor die ersten Bewohner einzogen. Bis heute ist die Straßenbahn im Ostteil der Stadt Rückgrat des Nahverkehrs.
Im Westen ist nicht mehr viel zu finden. Breite Grünstreifen auf zahlreichen Straßen lassen nur noch ahnen, dass dort einst Gleise der Straßenbahn lagen. Hin und wieder finden sich beim Reparieren auch noch alte Gleise unter der Straßendecke. An die Vergangenheit erinnern aber noch einige der früheren Betriebshöfe; etwa an der Königin-Elisabeth-Straße in Charlottenburg. Dort waren 1967 die letzten Bahnen abgestellt worden; teilweise arg ramponiert von ihren Liebhabern, die sich Erinnerungsstücke aus den Fahrzeugen gesichert hatten.
Stadler verkauft im Depot Räder, alte Gleise sind überall zu sehen
Der Betriebshof gehörte – wie sein Pendant an der Müllerstraße in Wedding – zu den letzten, die vor dem Krieg gebaut worden waren. Die Planer hatten dort nicht nur Werkstätten und Abstellplätze vorgesehen, sondern auch Dienstwohnungen für die Mitarbeiter; zusammengefasst zu einem Block: außen die Wohnungen, innen der Betriebshof. Was der Architekt Jean Krämer Ende der 1920er Jahre entworfen hatte, ist noch heute in Charlottenburg zu sehen. Die Straßenbahnen sind längst ausgezogen, dafür sind Geschäfte eingezogen. Stadler verkauft dort Fahrräder, Kaiser’s Lebensmittel unter dem Dach der ehemaligen Straßenbahnhalle.
Die Anlage an der Müllerstraße wird von der BVG weiter selbst genutzt – nach einem Umbau als Betriebshof für Busse. So ging es auch dem Hof an der Gradestraße in Britz. Vorhanden ist auch noch der Hof an der Kaiserin-Augusta-Straße in Tempelhof – bis 2014 als Markthalle genutzt. Derzeit wird die Anlage so umgebaut, dass sie über eine Ladenzeile direkten Anschluss an den Tempelhofer Damm erhält. Auch in den ehemaligen Betriebshof an der Pankower Allee in Reinickendorf sind Geschäfte gezogen; die alte Dachkonstruktion ist durch Zwischendecken verdeckt. Aber vor den früheren Hallentoren liegen immer noch Gleise.
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An der Belziger Straße in Schöneberg ist heute die Polizei zu Hause, und in der Anlage am Hindenburgdamm, die zwischenzeitlich auch zum Bushof umfunktioniert worden war, werden Autos verkauft und repariert. Altes ist im alten Straßenbahnbetriebshof an der Wiebestraße in Moabit zu finden: Dort sind Werkstatt- und Servicebetriebe für Auto-Oldtimer und Liebhaberfahrzeuge eingezogen.
Regelmäßig zu besichtigen war bisher der Hof an der Schillerstraße in Niederschönhausen. Dort hat die BVG historische Fahrzeuge untergebracht, die ehrenamtlich vom Denkmalpflege-Verein Nahverkehr Berlin betreut werden. Noch. Denn die BVG will auch diesen denkmalgeschützten Hof verkaufen, das Museum muss umziehen – in die Höfe in Köpenick und an der Nalepastraße. Weil es dort weniger Platz gibt, ist nicht geklärt, ob es auch dort wieder Besuchertage geben wird. Aber die Oldtimer sind im Jubiläumsjahr auch auf den Strecken unterwegs – und laden zum Mitfahren ein. Wie vor 150 Jahren.
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52 Tonnen Straßenbahn - "das ist wie fliegen": Klingeling, hier kommt Franka Sonntag! Sie ist am liebsten abends unterwegs – in ihrer Straßenbahn. Sie hat im Führerstand sogar ein Kühlfach. Und beste Laune sowieso. Eine Tagesspiegel-Reportage von ganz vorn.