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Zugang zur Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg nur mit einem Hausausweis.
© dpa/Bernd von Jutrczenka

Flüchtlinge in der Gerhart-Hauptmann-Schule: Keine Eskalation, teuer erkauft

Heute vor einem Jahr wurde die Vereinbarung zur Gerhart-Hauptmann-Schule unterschrieben. Den Konflikt hat sie zunächst befriedet, aber sehr viel Geld gekostet - auch, weil unklar ist, ob sie überhaupt rechtens ist.

Es sind dramatische Szenen, die sich genau vor einem Jahr in der Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule abspielen. Die Situation ist außer Kontrolle geraten. Flüchtlinge, die die seit damals anderthalb Jahren besetzte Schule nicht verlassen wollen, flüchten sich aufs Dach und drohen runterzuspringen, sollte es zu einer Räumung kommen. Hundertschaften der Polizei sperren das Areal weiträumig ab.

In dieser aufgeheizten Stimmung versucht der grüne Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Hans Panhoff trotzdem zu einer Verhandlungslösung mit den Flüchtlingen zu kommen. Es sieht schlecht aus; die Flüchtlinge beharren darauf, dort bleiben zu können. Außerdem halten sie an ihren politischen Forderungen fest: Sie wollen einen Aufenthaltstitel und den Verzicht auf Abschiebungen.

Am 2. Juli 2014, gegen 22.30 Uhr, ist es dann soweit, Panhoff und seine Bezirksamtskollegin Jana Borkamp (ebenfalls Grüne, zuständig für die Finanzen) schließen eine Vereinbarung. Auf Zetteln sichern sie den Flüchtlingen vor allem zu, im Gebäude bleiben zu können.

Genau genommen gibt es sogar zwei Vereinbarungen: eine handschriftliche, auf Englisch verfasste, die sehr weit reichende Wohnmöglichkeiten zusichert und nur von Panhoff unterschrieben ist. Dann gibt es noch ein auf Deutsch getipptes Schreiben, das die Unterschrift beider Bezirksamtsmitglieder trägt und das Wohnrecht auf eine Etage beschränkt. Woher diese Unterschiede rühren, kann man sich heute im Bezirk nicht mehr erklären.

Aber ohnehin haben die Vereinbarungen weitreichende Folgen und kosten den Bezirk bis heute monatlich mehr als 100 000 Euro – für die Unterhaltung der Schule, für Wasser und Heizung und vor allem für den Wachschutz mit mehreren Mitarbeitern rund um die Uhr. 18 Flüchtlinge leben inzwischen noch dort.

Es musste schnell gehen, sagt Stadträtin Borkamp

Dieser Zettel wurde vor einem Jahr unterschrieben.
Dieser Zettel wurde vor einem Jahr unterschrieben.
© Repro

Angesichts der Flüchtlinge auf dem Dach „musste es damals schnell gehen“, sagte Finanzstadträtin Borkamp, die im Bezirk inzwischen zuständig für die Schule ist, vor zwei Wochen in einer BVV-Sondersitzung. Da sei keine Zeit geblieben, das Rechtsamt prüfen zu lassen, was die Stadträte ausgehandelt hatten. Dies sei unmittelbar danach geschehen; und die bezirklichen Juristen kamen laut Borkamp zu dem Schluss: Die Vereinbarung ist kein rechtswirksamer Vertrag mit den Bewohnern.

Das sieht das Berliner Verwaltungsgericht anders, zumindest schließt es die Möglichkeit nicht aus, dass es sich um einen rechtsgültigen Vertrag handelt. Als das Bezirksamt im vergangenen Herbst die dort verbliebenen Flüchtlinge, die mit den Monaten immer weniger wurden, dann doch drängen wollte, die Schule zu verlassen, wehrten diese sich vor Gericht.

Sämtliche Beschlüsse des Verwaltungsgerichts untersagten dem Bezirk auch mit Hinweis auf die Vereinbarung eine Räumung der Schule. Insgesamt gab es 24 Verfahren. Zuletzt hat der Bezirk Anfang Juni Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Wann aber darüber entschieden wird, ist nicht absehbar. Solange kann der Bezirk an der Lage nichts ändern. Die Flüchtlinge werden weiter in der Schule leben können. Die geplanten Bauarbeiten am Gebäude ruhen. Pläne, dort ein Flüchtlingszentrum mit angeschlossenen Unterkünften einzurichten, bleiben eine Vision.

Und Tag für Tag werden rund um die Uhr Wachschützer am geschlossenen Tor stehen und dafür Sorge tragen, dass das Gebäude nicht von Unbefugten betreten werden kann.

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