„Stadtpolitischer Sündenfall dieser Koalition“: Kein Baustopp an der Rummelsburger Bucht trotz Volksinitiative
„Bucht für Alle“ fordert den Stopp von Bebauungsplänen für die Rummelsburger Bucht. Das Abgeordnetenhaus gesteht Fehler ein. Ändern wird sich aber nichts.
Die Abrissarbeiten haben bereits begonnen: Bäume werden gefällt, Gebäude abgerissen, Hütten von Obdachlosen eingerissen. An der Rummelsburger Bucht in Berlin-Lichtenberg muss die Erlebnisbar "Rummels Bucht" und das wohl größte Obdachlosenlager in Deutschland den Bebauungsplänen der Stadt weichen.
Entstehen soll unter anderem das umstrittene "Coral World", eine Art Wasser-Erlebnispark mit lebenden Tieren und frei zugänglichem Park. Hauptsächlich für Touristen, wie immer wieder kritisiert wird. Daneben will die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge Wohnungen und eine Kita errichten, auch ein Ärztehaus soll es geben.
Gegen die Planungen des Bezirks Lichtenberg hatte es immer wieder Proteste gegeben. Die Initiative "Bucht für Alle" sammelte 35.000 Unterschriften - deswegen durften Vertreterinnen und Vertreter von ihnen am Mittwoch im Abgeordnetenhaus von Berlin vorsprechen. Der Saal war schnell mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern gefüllt.
Die Forderung: den umstrittenen Bebauungsplan zurücknehmen, die Kaufverträge für Coral World rückabwickeln und stattdessen einen neuen Plan verabschieden.
Dieser könnte, so die Initiative, mehr sozialen Wohnungsraum einplanen, ausreichend Frei-und Grünflächen sowie Platz für alternative Lebensräume wie Wagenburgen ebenso berücksichtigt wie den Bau einer Grundschule. Denn diese, da war man sich im Abgeordnetenhaus einig, müsste vor Ort eigentlich entstehen. Allerdings wurde das Grundstück an Investoren verkauft, Platz für eine Schule gibt es nun nicht mehr. Diese wird nun rund drei Kilometer weiter entfernt gebaut, in der Hauptstraße 8/9.
Keine Rückabwicklung der Verträge mit dem Investor
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) entgegnete, dass man die Änderungen der Entwicklungsziele geprüft habe. Allerdings habe man sich dagegen entschieden: der Bebauungsplan soll nicht gestoppt werden. Wenn die Stadt die bereits beschlossenen Verträge mit "Coral World" rückabwickeln würde, müsste die Stadt den Kaufpreis von rund 20 Millionen Euro zurückzahlen. Dazu kämen Entschädigungszahlungen. Wie hoch diese ausfallen könnten, vermochte Lompscher nicht zu sagen, ob sie überhaupt mit den Investoren über einen Rückkauf gesprochen hatte, wurde nicht deutlich.
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Lompscher meinte, aus diesem Vorgang lernen zu wollen: "Bauprojekte aller Art werden umstrittener diskutiert werden, darauf sollten wir uns einstellen in dieser Stadt", sagte sie. Christian Goiny von der CDU hält Coral World für unangebracht am Ostkreuz und fordert eine Erklärung vom Bezirk Lichtenberg, dieser hatte den Bebauungsplan beschlossen.
Dazu war Bezirksstadträtin Birgit Monteiro (SPD), die ankündigte, Ende März ihr Amt niederzulegen, ins Abgeordnetenhaus gekommen. Sie verteidigte den Entschluss: "Widerstand zu mobilisieren ist immer einfach", sagte sie in Richtung Initiative. Der Bezirk habe es sich nicht leicht gemacht und aufgrund der Proteste habe man auch nachverhandelt und beispielsweise mehr Sozialwohnungen in den Bebauungsplan aufgenommen.
"Das sollte man sich nochmal genauer ansehen"
„Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass wir Bürgerbeteiligungen durchführen und am Ende trotzdem kein Konsens entsteht“, so Monteiro. Der Vertrag mit Coral World läuft bis 2037. Georg Kössler von den Grünen merkte an, dass es nun zu spät sei, etwas zurückzunehmen. Aber man müsse Schlüsse aus dem Vorgang ziehen: "Diese Rummelsburger Bucht ist der stadtpolitische Sündenfall dieser Koalition."
Katalin Gennburg von den Linken machte deutlich, dass es auch innerhalb der Koalition zu Streit über die Pläne an der Rummelsburger Bucht gekommen war. „Diese Sitzung trifft uns alle ins Herz." Daniel Wesener, Grüne, fügte an, er habe bisher von niemandem im Abgeordnetenhaus gehört, der dieses Projekt Coral World inhaltlich nachvollziehen kann. "Das sollte man sich nochmal genauer ansehen."
Iver Ohm von „Bucht für Alle“ sagte zum Abschluss:„Erst wenn das letzte Haus geräumt, der letzte Park umzäunt und der letzte Club geschlossen wurde, dann werdet ihr merken, dass eure Kinder in dieser Stadt nicht mehr wohnen wollen.“