Gewaltexzesse statt Therapie: Katastrophale Zustände im Berliner Maßregelvollzug
Die Zahl der Angriffe auf Mitarbeiter des Berliner Maßregelvollzugs hat sich fast verdoppelt. Ärzte kündigen, Straftäter schmuggeln Drogen. Warum hilft niemand?
Nach einer Serie von Gewalttaten im Berliner Krankenhaus des Maßregelvollzugs (KMV) machen die Mitarbeiter dafür akuten Personalmangel und dauerhafte Überbelegung verantwortlich. Das geht aus einem von insgesamt drei Brandbriefen hervor, den ärztliche Abteilungsleiterinnen und -leiter des größten deutschen Maßregelvollzugs an die zuständige Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci und den Regierenden Bürgermeister Michael Müller geschickt haben.
Die Schreiben liegen der Wochenzeitung DIE ZEIT und dem ARD-Magazin „Panorama“ (NDR) vor. Darin heißt es, man sei gezwungen, „auch sehr gefährliche Patienten auf personell unterbesetzten und räumlich ungeeigneten Stationen zu betreuen.“ Die Gefährdung von Mitpatienten und Mitarbeitern sei deutlich gestiegen, warnen die Ärzte.
Laut interner Zahlen aus dem KMV soll es dort allein 2019 rund 180 Angriffe auf Mitarbeitende gegeben haben, von Körperverletzungen bis hin zu versuchtem Totschlag. In diesem Jahr seien sogar bereits 300 Übergriffe gemeldet worden.
In dem dritten Schreiben, in dem sich die Ärztinnen und Ärzte an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller gewandt haben, berichteten sie, wie „katastrophal“ die Situation sei. Sie könnten die Verantwortung dafür nicht mehr übernehmen.
Vorausgegangen war ein Vorfall im Februar dieses Jahres, bei dem eine Ärztin von einem Patienten fast getötet wurde. Eine Antwort von Müller haben die Ärztinnen und Ärzte nicht erhalten. Auf Anfrage von DIE ZEIT und „Panorama“ teilt der Regierende Bürgermeister Müller zunächst mit, er habe den Brief gar nicht erhalten. Einen Tag später hieß es, der Brief sei doch eingegangen und an die zuständige Gesundheitssenatorin weitergeleitet worden. Man habe sie darum gebeten, dem Vorgang nachzugehen. Senatorin Kalayci erklärt auf Anfrage zu dem Brandbrief: „Das Schreiben ist bekannt und wurde berücksichtigt.“
Ärzte kündigen, geschmuggelte Drogen sind Standard
Auf weitere Fragen von DIE ZEIT und „Panorama“ hin räumt Kalayci den Personalmangel ein: Er liege einerseits am Anstieg der Einweisungen und andererseits an der „Bewerberlage“, die „schwierig“ sei. Die Zahl der Übergriffe auf das Personal könne die Senatsverwaltung nicht nachvollziehen. Man habe die Weichen für „den Ausbau weiterer Vollzugshäuser“ gestellt.
Nach den Recherchen von DIE ZEIT und „Panorama“ haben zahlreiche Ärzte und Psychologen aufgrund der Mängel gekündigt, was die Situation weiter verschärft. Ein zusätzliches Problem hat der Berliner Maßregelvollzug mit eingeschmuggelten Drogen aufgrund mangelnder Kontrolle. Insbesondere auf der Suchtstation, eine der größten Deutschlands, ist es laut Ärzten und ehemaligen Patienten kein Problem, an Suchtmittel aller Art zu kommen.
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Auch für die nicht ausreichende Kontrolle sehen sie die Ursache in Personalmangel und Überbelegung. Im Maßregelvollzug interniert werden Straftäter mit verminderter Schuldfähigkeit, etwa aufgrund von psychischen Krankheiten oder Suchtproblemen. Sie sollen hier auch therapiert werden. Viele der Täter haben schwere Gewalttaten begangen.
Der Maßregelvollzug ist eine Sonderform der klinischen Psychiatrie für Erwachsene. In Berlin gibt es zwei Standorte in Reinickendorf (Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) und Pankow (Klinikum Buch), sie unterstehen der Gesundheitsverwaltung.
Wenn erwachsene Menschen erhebliche Straftaten begehen und wegen einer psychischen Erkrankung oder wegen Suchtmittelmissbrauchs nicht oder eingeschränkt schuldfähig sind, wird vom Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Tsp
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