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Wenn man in Berlin mit Karte zahlen will, ist man oft aufgeschmissen.
© Jörg Carstensen/dpa

Bar oder Karte: Kartenzahlung? Funktioniert in Berlin nicht überall

Behörden, Taxis und Lokale ziehen häufig nicht mit. Berlin hinkt beim bargeldlosen Zahlen ziemlich hinterher.

Was für ein kurioses Verhalten die Deutschen zu bargeldlosem Bezahlen haben, zeigt der Zahlungsdienst „Barzahlen“: Man kauft etwas online und zahlt danach nicht per Lastschrift oder PayPal, sondern kann in der analogen Welt in eine der Partnerfilialen gehen und dort die Rechnung mit Bargeld begleichen.

Der Grund leuchtet ein: Niemand muss seine Kontodaten weitergeben, wenn der Online-Shop diese Bezahlmethode anbietet. Das Angebot reicht aktuell von Kleidung über Möbel bis hin zu kostenpflichtigen Dating-Seiten. In Berlin gibt es 398 Filialen, bei denen man aus online offline machen kann, mit dabei sind jetzt schon Unternehmen wie Rewe, dm und bald können die Berliner auch bei Rossmann ihre Interneteinkäufe bezahlen.

Bei der Berliner Polizei passiert gerade genau das Gegenteil: Bis Ende des Jahres sollen Verkehrsverstöße direkt bei Kontrolle bezahlt werden können – mit EC- und Kreditkarte, bislang ging das nur per Überweisung. Dafür werden jetzt alle Polizeiabschnitte aufgerüstet, mit insgesamt 45 Geräten. Ohne Mehrkosten, wie Konstanze Dassler von der Pressestelle der Polizei mitteilt. Man spare ja die Papierbearbeitung.

Dass Berlin beim bargeldlosen Zahlen trotzdem ziemlich hinterher ist, zeigt der Blick in andere Bundesländer: In Nordrhein-Westfalen können Verwarngelder seit mehr als zehn Jahren mit der Karte bei jeder Polizeistreife bezahlt werden. „Gerade testen wir ein Pilotprojekt, bei dem die Bürger einen QR-Code erhalten, ihn mit dem Handy scannen und dann direkt per Online-Banking bezahlen können“, sagt Jan Schabacker, Sprecher des Landesamts für Polizeiliche Dienste NRW. Wenn das Projekt ausgeweitet wird, braucht es also nicht mal mehr die Plastikkarte.

„Dit is verboten!“

Mit der kommt man in Berlin nicht besonders weit. Auch hier bleibt häufig nur Bares Wahres, was vor allem Touristen immer wieder an ihre Bezahlgrenzen bringt und auch all jene Berliner, die sich gerne vom Münzgeklimper in ihrem Portemonnaie verabschieden würden.

Seit drei Jahren müssen alle Taxis in Berlin Kartenzahlung akzeptieren, Anfang des Jahres wurde auch der Aufschlag von 1,50 Euro für europäische Karten abgeschafft, trotzdem fahren immer noch genug Taxis durch die Stadt, deren Fahrer nur Bargeld akzeptieren.

„Eigentlich müsste es der Fahrgast einfach drauf ankommen lassen und nicht vorher immer brav fragen, ob mit Karte gezahlt werden kann“, sagt ein Taxifahrer vor dem Hauptbahnhof. Als er mithört, dass ein Kollege keine Kartenzahlung anbietet, brüllt er los: „Dit is verboten!“

Niemand sei verpflichtet, mit Bargeld zu bezahlen

Rolf Feja von der Taxinnung Berlin sieht das genauso: „Wenn sich der Fahrgast auf eine Diskussion einlässt, stellt sich schnell heraus, dass das Gerät, das vorher noch kaputt war, auf wundersame Weise repariert ist.“ Ansonsten könnte man auch anbieten, dem Fahrer das Geld einfach zu überweisen, denn niemand sei verpflichtet, mit Bargeld zu bezahlen, so regele es das Gesetz. Warum sich manche Taxifahrer immer noch schwer tun mit dem Plastik, liegt für Rolf Feja auf der Hand: Die Transaktionen der Bezahlgeräte seien eben nachweisbar, bar könne man also leichter betrügen.

Auch in der Gastronomie gibt es zahlreiche Restaurants und Bars, die „gerade leider nicht“ oder dauerhaft keine Kartenzahlung akzeptieren. Stichprobe in Mitte. In den Restaurants, die nur Bares möchten, heißt es: „Geht schneller“ oder: „Die Abgaben und die Miete des Lesegeräts lohnen sich für uns nicht.“ Oder man verweigert sich aus Prinzip, wie etwa bei „Becketts Kopf“, einer Bar in der Pappelallee. Drinks kosten hier ab 11 Euro aufwärts, wer lange bleibt, stößt mit seinem Bargeld schnell an Grenzen. Und trotzdem: keine Kartenzahlung. Warum? „Um den Charme von Berlin zu erhalten.“

„Kartenzahlung erwünscht“

Aber es gibt auch positive Gegenbeispiele: Die Bäckerei Von Luck – sie betreibt Filialen in Grunewald und Nikolassee – bevorzugt Kartenzahlung und vermittelt das auch den Kunden. „Kartenzahlung erwünscht“, steht auf der Tafel hinter der Theke. Das gilt auch, wenn jemand nur eine Schrippe kaufen möchte. „Für uns ist das am Ende günstiger“, sagt Adrian Mindak, Sohn der Bäckerfamilie. „Abrechnen, zählen, das Bargeld auf der Bank einzahlen, das kostet alles Zeit und am Ende auch Geld.“ Außerdem sei die Bankfiliale, bei der sie sonst ihre Einnahmen eingezahlt haben, geschlossen worden, so dass jetzt auch noch Spritkosten dazukämen. Kartenzahlung rechne sich, obwohl Miete für das Kartenlesegerät bezahlt werden muss und die Anbieter immer prozentual an jeder Zahlung mit Karte beteiligt werden. Inzwischen zahlen rund 35 Prozent der Gäste mit Karte, Tendenz steigend.

Ganz auf Kartenzahlung will die Bäckerei umsteigen, wenn fast alle Gäste Lust hätten, mit Karte zu zahlen. Eine Herausforderung gibt es dennoch: „Wenn bei uns das Internet instabil ist, können wir keine Kartenzahlung anbieten. Für hundertprozentige Kartenzahlung braucht es auch stabilere Netze.“

„Und die Kunden freuen sich, manche kommen deswegen zu uns“

Der Spätkauf Hutfabrik in der Pappelallee in Prenzlauer Berg lässt seine Kunden ebenfalls gern bargeldlos bezahlen. „Für uns macht es keinen Unterschied“, sagt Gökhan, der gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder den Späti betreibt. „Und die Kunden freuen sich, manche kommen deswegen zu uns.“ Eigentlich kann man hier erst ab 10 Euro mit Karte zahlen, aber manchmal wird auch ein Auge zugedrückt.

Das Konzept geht auf: Jeden Abend tummeln sich die Anwohner aus Prenzlauer Berg im Laden, sitzen draußen auf Bänken oder auf dem Boden und wissen, wenn das Bargeld für das nächste Bier nicht mehr ausreicht, können sie entspannt Plastik zücken.

Julia Kopatzki

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